Der Betriebsprüfer kommt …
Der Betriebsprüfer kommt …, prüft zwei Tage und meint dann, es seien in der Pizzeria nicht alle Umsatz erfasst. Er schlägt nach einigen Beleganforderungen und einigem Hin- und Her folgende Zuschätzung vor:
Wareneinsatz, Berechnung Betriebsprüfer am Beispiel einer Pizzeria | |
Wareneingang einschließlich Nebenkosten, Skonti, Umsatzprämien, Rabatte, Warenrückvergütungen der Lieferer € | 190.000,00 € |
plus Sicherheitszusschlag €, geschätzt durch BP | 50.000,00 € |
plus Warenbestand am Anfang des Jahres € | 60.000,00 € |
Zwischensumme € | 300.000,00 € |
minus Warenbestand am Ende des Jahres € | – 55.000,00 € |
minus unentgeltliche Wertabgaben an Personal € | – 10.000,00 € |
minus Warenverbrauch für eigenbetriebliche Zwecke € | – 1.000,00 € |
minus Warenverbrauch durch Verderb, Verfall, Schlauchreinigungen, Diebstahl, Bruch € (bis zu 3 % pausch od Nachweis) | – 5.000,00 € |
minus Warenverbrauch für unberechnete Leistungen (z.B. Garantie, Kulanz-, Schadenersatzleistungen, Einladungen StB, Geschäftsreunde, „geht aufs Haus“ € | – 1.200,00 € |
minus Eigenverbrauch (StPfl, Familienangehörige) € | – 18.000,00 € |
Summe € (=Wareneinsatz) | 209.800,00 € |
Rohgewinnaufschlagsatz % | 430% |
Umsatz nach BP (Schätzung anhand Wareneinsatz mal Rohgewinnaufschlagsatz) | 902.140,00 € |
Personal-Umsatz-Relation angeblich: 29,2 % auf Bruttoumsatz bei Pizzeria (bei Cafe angeblich nur 22-24 %) | 263.424,88 € |
ist gleich angeblich notwendige Personalkosten (Bedienung, Küche, Bar) |
Der Ansatz für Eigenverbrauch und Schwund ist von der BP sehr gering. Er kann ggf. etwas „hochgehandelt“ werden. War`s das dann?
Ein Ansatz für Zechpreller, Fehlbeträge durch versehentliche Nichtberechnung, Wechselgeldfehler , Gelddiebstahl, Unterschlagungen usw. fehlen schon in der Aufstellung. Sind das aber nicht gerade bei vielen Angestellten und ggf. häufig wechselndem Personal erfahrungsgemäß anzusetzende nicht unerhebliche Posten? Ist jede betriebsbedingte Kündigung tatsächlich eine solche oder nur ein arbeitsrechtlicher Vergleich bei eigentlich ganz anderem realen Hintergrund?
Was tun Sie? Einfach akzeptieren, um Ihre Ruhe zu haben? Könnte als Eingeständnis verstanden werden. Der Prüfer wird dann zumindest den Vorbehaltsvermerk nach § 201 Abs. 2 AO im Bericht aufnehmen und darauf verweisen, dass sich ggf. noch eine andere Abteilung melden wird. Dies ist dann die Bußgeld-und Strafsachenstelle, die die Zuschätzungen (= Verkürzungen = schwarze Einnahmen) steuerstrafrechtlich würdigen möchte. Das Argument, dass die Zuschätzungen falsch sind, und nur deswegen akzeptiert wurden um seine Ruhe zu haben, wird dann ggf. schwer geglaubt werden: wer zahlt schon auf eine Zuschätzung des Wareneinsatzes von 50.000 € mal 430 % Aufschlagssatz = 215.000 € = ca. 120.000 € Steuern, nur um seine Ruhe zu haben, wenn das falsch ist? Wer wehrt sich nicht gegen solche Zuschätzungen? Frist vergessen? Glaubt auch keiner bei solchen Fehlern. Also: wenn die Zuschätzung falsch ist, würde sich jeder dagegen wehren, erst Recht bei solch riesigen Beträgen.
Auch wenn keine Bindungswirkung vom Steuerrecht ins Steuerstrafrecht besteht, muss man sich sehr genau überlegen, ob man solche falsche Zuschätzungen akzeptiert. Will man den Streit tatsächlich nicht, muss man sich darüber im Klaren sein, dass mit der steuerlichen Unanfechtbarkeit einer solchen Zuschätzung auch steuerstrafrechtlich zumindest die meisten BuStra-Mitarbeiter und ggf. Staatsanwälte und Richter annehmen, dass da was dran ist… es wird dann schwer, aus der Indizwirkung der nicht angefochtenen Änderungsbescheide wieder herauszukommen. Selbst wenn keiner aus der Bestandskraft im Steuerrecht auf ein steuerstrafrechtliches Eingeständnis schließen darf, so ist doch das Bauchgefühl der Richter, Staatsanwälte, BuStra-Mitarbeiter durch ein solches Verzichten auf Streiten wohl in vielen Fällen beeinflusst. Von dieser vielleicht falschen aber dennoch möglichen psychologischen Wirkung einer solchen Einigung muss man ausgehen oder diese zumindest in seine Überlegungen mit einbeziehen. Will man also keinen Streit und sich gütlich einigen, dann muss man sich vorher überlegen, was dies steuerlich, gewerberechtlich, beamtenrechtlich, behördlich (Taxi- Gaststätten, Bewachungsgewerbe- Beherbungs- Piloten- usw. Zuverlässigkeitsprüfungen/-bescheinigungen) und steuerstrafrechtlich ggf. kostet (inkl. Haft, Vorstrafe, Berufsverbot, gewerberechtlicher oder behördlich erforderlicher Zuverlässigkeit usw.)
Und noch was muss man sehen: wenn nun der Umsatz hochgeschätzt wurde, dürften vermutlich die Personalkosten nicht in der angeblich richtigen Relation zum Umsatz stehen. Dies müsste dann konsequenter Weise zu dem Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung führen (§ 266 a StGB). Umgekehrt ergeben sich daraus interessante Verteidigungsaspekte: wenn der Lohn stimmt, kann nicht der Umsatz einfach hochgeschätzt werden, da die „richtige“ Lohnquote doch nur in einer Pizzeria 29,2 % betragen soll, Den von der BP erhöhten Umsatz kann man aber mit zu wenig Personal gar nicht erbringen. Schätzungen müssen aber schlüssig und in sich plausibel sein …. so der BFH in ständiger Rechtsprechung ….
Ursachen für die Abweichungen der tatsächlichen Buchführungsergebnisse zu den Verprobungsergebnissen der Finanzverwaltung können z.B. sein:
- Nicht alle eingegangenen Waren sind in das Wareneingangsbuch eingetragen. Dies führt zu Zuschätzungen beim Wareneinsatz (Einkäufe bei Discountern und anderen Märkten ohne Rechnung)
- Zu hoher Ausweis der Warenausgaben durch Rücksendungen, Gutschriften und Skonti, die nicht erfasst wurden.
- Ausgaben für Waren sind versehentlich nicht oder doppelt gebucht.
- Warenschulden sind falsch ermittelt.
- Ausgaben für Anlagegüter und Ausgaben für betriebsfremde Zwecke sind versehentlich falsch als Warenausgaben behandelt worden.
- Ausgaben für Waren sind in falschen Perioden erfasst, so dass in einigen Perioden Ausgaben fehlen, in anderen zu viele Ausgaben auftauchen.
- Gegenrechnungsposten sind nicht oder unvollständig verbucht worden.
- Rechenfehler.
- Übertragungsfehler.
Probleme liegen immer wieder in der Schwunderfassung, insbesondere im Verderb oder Verschnitt, Abfall, Diebstahl. Es wäre auch nicht der erste Fall, in dem durch die BP ungetreue Mitarbeiter aufgedeckt werden, die entweder Ware mit nach Hause nehmen und die ganze Familien, Freunde, Bekannte damit durchfüttern oder die eigenmächtig, Freunden, Bekannten etc. auf Kosten des Hauses einen ausgeben, wovon der Chef nichts weiß. Wenn sich dann der Chef in der BP wundert, dass er angeblich so viel schwarz gemacht haben soll und sich das so gar nicht erklären kann, kann die Wahrheit „in der Mitte“ liegen: teilweise schwarze Umsätze und teilweise ungetreue Mitarbeiter. Ersteres führt zu Einnahmeerhöhungen und letzteres zu Betriebsausgaben wegen Diebstahls. Es rentiert sich hier genauer zu analysieren, welche Produkte verschwunden sind: Teure Spirituosen oder teure Lebensmittel? Die könnten an den Mitbewerber gegenüber billig verkauft worden sein. So holt sich der chronisch unterbezahlte Koch ggf. sowieso nur das, was ihm eigentlich von der Entlohnung zustehen würde. Wird bei den belegten Brötchen im Bistro viel Lachs verbraucht aber kaum Lachsbrötchen verkauft, könnte so manche Lachsseite sich auf dem Frühstückstisch sonntags die eine oder andere Lachsseite wiederfinden. Hier soll niemandem etwas unterstellt werden. Aber die Verprobungen der Finanzverwaltungen können in sich fehlerhaft oder tatsächlich schlüssig sein. Letzterenfalls heißt das aber noch lange nicht, dass damit schwarze Umsätze nachgewiesen wären: es kann auch extrem hoher Schwund und damit Betriebsausgaben durch Mitarbeiter vorliegen. Da Betriebsprüfer auch zugunsten eines Steuerpflichtigen prüfen müssen, darf man also bei der Feststellung von zu wenig verkauften Brötchen etc. nicht stehen bleiben. Der Vermutung aus Verprobungen, dass Einnahmen fehlen, führt keineswegs logisch zu der automatischen Schlussfolgerung (wie sie leider viel zu häufig anzutreffen ist), dass der Inhaber hier etwas schwarz vereinnahmt hat. Die „Feststellung“ der BP, wie diese Vermutung aus den Verprobungen im finanzamtlichen Fachjargon heißt, dass Einnahmen fehlen, erlaubt nur die Schlussfolgerung, dass etwas im Betrieb nicht stimmt und dies nun erst genauer untersucht werden muss. Sind Sachverhalte hier nicht aufklärbar, hört man viel zu selten den Satz, in dubio pro reo = im Zweifel für den Steuerpflichtigen. Es wird meist gar nicht überlegt, ob der Schwund durch Mitarbeiter oder Lieferanten, die ggf. auch Zugang zum Lager beim Abladen haben, entstanden sein könnte.
Ein ganz anderes Problem liegt in der tatsächlichen Schwunderfassung. Möglich sind Bestätigungen von Mitarbeitern für entsorgte Waren oder Einlieferungsquittungen in Recyclinghöfen oder Mülldeponien, Schwundbücher, Lichtbilder, Verwiegen der täglichen Abfallmengen oder Dokumentation von Sonderabfall: verdorbener Kuchen, verdorbene Obst, Gemüse, Frischwaren etc., eingebunden mit Zeugenaussagen. So könnten Koch und Küchenhelfer ein Schwundbuch (zum Teil mit Lichtbildern führen und die größeren Mengen fotografieren.
Nachsatz: Die Geschichte ist wie die anderen hier, frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären völlig überraschend.
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