1. Tatentdeckung im Sinn des § 371 II Nr. AO
Wann liegt Tatentdeckung vor? Wann ist die Selbstanzeige gesperrt nach § 371 II Nr. 2 AO? Wann kann/muss man dem Steuerpflichtigen sagen, dass ein „bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“ vorgelegen hat und die Selbstanzeige damit für ihn nicht mehr strafbefreiend möglich ist? Genügen dafür schon Presseberichte, dass bei einer bestimmten Bank, bei der der Steuerpflichtige Kunde war bzw. ist, Daten gestohlen und diese von einem Bundesland zum Zwecke der steuerlichen/steuerstrafrechtlichen Auswertung angekauft und der deutschen Steuerverwaltung übergeben wurden (sog. Schweiz-Fälle, wie bei angeblich UBS AG, Julius Bär, Clariden Leu, Credit Suisse AG, Merril Lynch, Coutts)? Ab welchem Wahrscheinlichkeitsgrad muss man mit seiner Tatentdeckung rechnen? Genügt für das Tatbestandsmerkmal des „damit rechnen müssen“ es schon, wenn der Ehegatte im Rosenkrieg droht, er gehe zur Steuerfahndung um die Hinterziehung des noch-Ehegatten anzuzeigen oder genügt es für die Sperrwirkung, wenn ein solches Vorgehen (Anzeige bei dem Finanzamt) in einem Schriftsatz an das Zivilgericht angedroht oder in Aussicht gestellt oder als erfolgt behauptet wird? Genügt ein „für-möglich-halten“ oder muss die Wahrscheinlichkeit 51 % oder gar 95 % betragen? Hängt das damit rechnen musste von der Qualität oder Quantität des CD-Inhalts oder des Auswertungsumfangs der CD ab? Spielt es eine Rolle, ob die CD (angeblich) alle Daten aller in Deutschland ansässigen Kunden oder nur einen Teil der Kunden beinhaltet? Verdichtet sich mit zunehmender Auswertungsquote die Entdeckungswahrscheinlichkeit oder sinkt sie? Was, wenn der Steuerpflichtige mit zunehmender Auswertungszahl (woher hat er hierüber Informationen – aber unterstellt, er würde dies aus der Presse erfahren), er sei doch nicht auf der CD? Oder muss er annehmen, dass er auf der CD ist und mit zunehmender Auswertungsquote nun alsbald dann doch entdeckt wird? Was, wenn er doch nicht auf der CD drauf ist? Kann es sein, dass der Sperrwirkungstatbestand des § 371 II Nr. 2 AO wegen des „damit rechnen musste“ eingreift und seine Selbstanzeige unwirksam ist, obwohl er letztlich gar nicht auf der CD ist? Wie ist das „damit rechnen musste“ außerhalb der Bankenfälle zu verstehen? Muss der Gastwirt, der Z-Bons wegwirft, mit der Entdeckung bei der nächsten BP und einem anschließenden Steuerstrafverfahren schon rechnen? Kann der Gastwirt damit von an Anfang an keine Selbstanzeige machen? Was ist mit dem Spielautomatenaufsteller oder dem Frisör oder dem Apotheker, der eine Manipulationssoftware nutzt: muss der nicht auch von Anfang an mit der Entdeckung rechnen? Kann der von Anfang an keine wirksame Selbstanzeige wegen des „damit rechnen müssen“ i.S.d. § 371 II Nr. 2 AO machen?
2. Vollständigkeit im Sinn des § 371 I 1 AO
Kommt es auf eine objektive Vollständigkeit an oder darauf, ob der Steuerpflichtige subjektiv vollständig berichtigen wollte? Anders gefragt: Ist der Steuerpflichtige für Fehler seiner Bank bei der Übermittlung der Bankunterlagen verantwortlich? Was, wenn ein Konto nicht oder nicht vollständig von der Bank übermittelt wird und sich darauf Erträge befinden, die dann infolgedessen nicht in der Selbstanzeige enthalten sind? Das Vollständigkeitsgebot gilt seit dem 03.05.2011 und fußt auf der Entscheidung des BGH vom 20.05.10 (1 StR 577/09, DStR 2010, 1133), in dem dem Steuerpflichtigen ein Taktieren, eine Selbstanzeige auf Raten immer kurz vor der Entdeckung des jeweiligen nächsten Erkenntnisschrittes abgeschnitten wurde. Die Selbstanzeige auf Raten war eben keine vollständige Berichtigung und nur bei einer solchen sollte sich der Täter die Straffreiheit erarbeiten/verdienen, so der BGH in der Entscheidung vom 20.05.10. So verstanden sind aber Fehler der Bank oder ggf. des Beraters etwa bei der Auswertung der Bankdaten kein Taktieren des Steuerpflichtigen und keine Selbstanzeige auf Raten. Muss der Steuerpflichtige hierfür für fremdes Verschulden strafrechtlich einstehen? „Sippen“-haft mit der Bank oder dem Berater? Kommt es nicht mehr auf ein Verschulden des Täters an? Kann Fremdverschulden dem Täter bei der Schaffung des Strafaufhebungsgrundes (Strafausschließungsgrundes) zugerechnet werden? Und was ist dann mit der Bank oder dem Berater? Haftungsfall? Was muss die Bank – was muss der Berater prüfen? Wie kann man Unvollständigkeit entdecken? Mit Plausibilitätsprüfungen? Wird die Selbstanzeige zum Glücksspiel, weil man nie sicher sein kann, alles erhalten und richtig ausgewertet und richtig erklärt bekommen zu haben und man nie ausschließen kann, dass die Tat bereits vorher schon entdeckt war und einem Jahre später ein Staatsanwalt/Richter entgegenhält, dass man mit der Entdeckung hätte rechnen müssen: der Sperrwirkungstatbestand des § 371 II Nr. 2 AO also vorliegt?
3. Sperrwirkung für Beteiligte
Die Sperrwirkungen nach § 371 II AO sind von Täter auf Beteiligte erweitert worden. Damit sind Gehilfen, Anstifter und Mittäter mit einer wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige ausgeschlossen, auch ohne dass sie Kenntnis von dem Sperrwirkungstatbestand haben. Beispiel: An den Steuerberater, der die GmbH seit Jahren im Rahmen eines Vollmandats betreut, ergeht eine Prüfungsanordnung für die KSt, USt, GewSt für die PZ 10-12. Die Prüfungsanordnung nach § 196 AO ist seit dem 03.05.11 „neuer“ Sperrwirkungstatbestand nach § 371 II Nr. 1 a AO. Der Geschäftsführer, die Buchführungsangestellte und der Geschäftsfreund haben noch keine Kenntnis von der Prüfungsanordnung. Sie plagt jedoch ihr schlechtes Gewissen, weil sie in den Jahren 10 und 11 einige Scheinrechnungen in die Buchführung genommen haben. Der Geschäftsführer hatte die Idee und brauchte das Geld um die Extrazuschläge für die Samstagsarbeiter zu bezahlen. Der Geschäftsführer bat einen Geschäftsfreund um Überlassung seines Rechnungsbriefkopfes, was dieser für eine Einladung zu einem für ihn kostenfreien Barbesuch auch machte. Der Geschäftsführer erstellte unter Gebrauchmachen des Rechnungsbriefkopfes verschiedene Eingangsrechnungen, zeichnete sie als sachlich und rechnerisch richtig ab und verfügte die Barauszahlung und die Buchführungsangestellte buchte in Kenntnis des Sachverhalts diese Scheinrechnungen, erstellte die Auszahlungsquittung, unterschrieb dies mit einem seismographischen Gekritzel und zahlte den Betrag an ihren Geschäftsführer aus der Kasse aus. Geschäftsführer und Buchhaltungsangestellte wollen nun eine Selbstanzeige machen … der Geschäftsfreund hat ja angeblich nichts gemacht … Beihilfe des Geschäftsfreundes wegen Überlassung des Rechnungsbriefkopfes ohne zu wissen, was genau damit gemacht wird? Wirksame Selbstanzeige mit Strafbefreiender Wirkung der Drei noch möglich? KSt, USt, GewSt, LSt? Wirksame, strafbefreiende Selbstanzeige der Samstagsarbeiter noch möglich? § 371 II Nr. 1 a AO? Urkundenfälschung nach § 267 StGB? Beitragsvorenthaltung von Arbeitsentgelten nach § 266 a AO?
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