Betriebsprüfung: Unterlassen der Schlussbesprechung
„§ 201 AO Schlussbesprechung
„Ich gehe davon aus, dass sie an dem Termin am … um … Uhr in den Räumen des Finanzamtes Donauwörth wahrnehmen können. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Nichtwahrnehmung an diesem Termin ohne Angabe von Gründen als Verzicht im Sinne des Paragrafen 201 Absatz ein Satz 1 AO zu werten ist. Eine Schlussbesprechung ist gemäß § 1 Abs. 1 AO zwar formal erforderlich; es ist jedoch nicht zwingend nötig, die Schlussbesprechung vor der Verwertung der Prüfungsfeststellungen abzuhalten (BFH vom 15.12.1997, X B 182/96). Dies hätte zur Folge, dass ihr rechtlicher Anspruch auf eine Besprechung im Rechtsbehelfsverfahren nachgeholt werden müsste.“
Dann höre ich andere Beschwerden von Steuerpflichtigen, wonach 1, 2 oder 3 Terminsverlegungsversuche scheiterten und schließlich das Betriebsprüfungsverfahren einfach ohne Schlussbesprechung ab geschlossen wurden, sei es weil die Verlegungsanträge als Verzicht interpretiert wurden oder aber als Verzögerungstaktik. Dabei ist es natürlich immer möglich, dass ein vom Finanzamt diktiert der Termin nicht passt. Selbst 2 oder 3 Verlegungsanträge haben daher nichts mit einer Verzögerungstaktik zu tun, sondern würden umgekehrt, wenn der Steuerpflichtige die Termine im Finanzamt diktieren würde genauso dort zu Verlegungsanträgen führen. Warum also die einseitige Festlegung eines unausgesprochenen Termins in einem fremden Terminskalender zu funktionieren hat, ist nicht so wirklich verständlich. Würde man richten Termine diktieren, während die auch höchst verwundert und es würde regelmäßig zu Terminsverlegungen kommen. Warum also nun die Beraterschaft oder der Steuerpflichtige selbst stets Gewehr bei Fuß parat stehen müssen, erschließt sich nicht. Immerhin sind auch Steuerberater und Rechtsanwälte nicht mehr mit einer Sache betraut, sondern habe natürlich auch zahlreiche andere Termine. Auf der Steuerpflichtige selbst in der Regel einen vollen Terminkalender. Wenn dann also relativ kurzfristig einen Besprechungstermin hoheitlich anberaumt wird, kann es durchaus sein, dass ein solcher nicht passt.
Machtdemonstration, über Unterordnung und faires Verfahren passen insoweit nicht immer zueinander.
Aus dem Gesetz lässt sich jedenfalls nicht herleiten, dass eine Nichtwahrnehmung eines Schlussbesprechungstermins ein Verzicht auf die Schlussbesprechung sein könnte.
Aber auch lange im Vorhinein abgesprochenen Termine können verlegt werden, etwa wenn einer der Besprechungsteilnehmer kurzfristig vorher erkrankt oder aus anderen Gründen verhindert ist. Immerhin gibt es dies auch, dass bei Gerichten aus dienstlichen Gründen Termine kurzfristig aufgehoben und verlegt werden. Warum dies bei der Beraterschaft nicht auch so sein soll, ist nicht ersichtlich.
Dann gibt es aber noch eine ganz andere Problematik bei den unterlassenen Schlussbesprechung: Nie hat der Steuerpflichtige oder der Berater gesagt, er würde auf die Schlussbesprechung verzichten, gleichwohl kommt dann ein BP Bericht mit der Behauptung, es sei auf die Schlussbesprechung verzichtet worden. Der weitere Zusatz, dass im Vorfeld auch nicht der BP Bericht zur Stellungnahme angefordert worden wäre bei der Steuerberater dies nicht beantragt habe, zeigt dann dem Steuerpflichtigen, dass der Bericht sogleich zur Auswertung an den Bezirk weitergegeben wurde. Wenn dann Steuerpflichtige und Berater gleichsam schwören, dass sie niemals auf die Schlussbesprechung verzichtet hätten, verwundern solche Behauptungen in den BP Bericht im Abspann dann schon.
Der BFH hat leider bislang die Durchführung der Schlussbesprechung nicht als zwingend angesehen, sodass er tatsächlich der Missachtung des Paragrafen 201 Abs. 1 AO durch die Betriebsprüfer Tür und Tor öffnet. Würde der BFH auch nur in einem einzigen Fall ein Verwertungsverbot aufgrund einer willkürlich unterlassenen Schlussbesprechung annehmen, würden schlagartig sämtliche Betriebsprüfer natürlich eine Schlussbesprechung pflichtgemäß durchführen.
Das führt aber auch zu der Frage, wie eine Schlussbesprechung durchzuführen ist. So habe ich auch schon Eisblock-Schlussbesprechungen durch führen müssen, bei denen formal zwar das Finanzamt zur Schlussbesprechung eingeladen hat, der SGL der BP mich dann auch 10 Minuten oder 15 Minuten reden dies, um seinerseits eine Einführung zu machen oder die einzelnen Besprechungspunkte aufzugreifen, sondern einfach nur fragt, was ich vorzutragen hätte. Dies allerdings immer wieder verbunden mit einem auffälligen auf die Uhr schauen. Exakt nach 10 oder 15 Minuten brach dann illustrierte SGL die Besprechung ab mit dem Hinweis, dass ihm der Vortrag bereits bekannt wäre und nicht neue wäre – was natürlich wichtig ist, dass der streitige Vortrag bereits schriftsätzlich vorgetragen wurden etwa in Form einer Stellungnahme auf den BP Bericht – und nun alles gesagt sei und er dann die Schlussbesprechung beende, mich mehr oder weniger heraus warf und dies dann die Schlussbesprechung gewesen sein soll. Solche Eisblock-Schlussbesprechung sind natürlich eine Farce und erfüllen auch nicht den Sinn und Zweck einer streitigen Diskussion über die einzelnen Textziffern, die im Exposé bzw. In der Schlussbericht enthalten sind.
Der normale Ablauf der Dinge wäre eine Betriebsprüfung mit Zwischenbesprechung und Prüfungsanfragen, der vernünftigen Klärung zahlreicher. Im Gespräch und vielleicht einige wenige Punkte, die bis zuletzt streitig oder unaufgeklärt geblieben sind, die dann in Form eines Exposees dargestellt werden und Gegenstand der Schlussbesprechung sind. In der Schlussbesprechung sollten dann diese Punkte letztlich komplett aufgeklärt werden oder aber für den Betriebsprüfer oder den Steuerpflichtigen und dessen Berater klar werden, was eigentlich gemeint ist und welche Punkte noch aufzuklären sind bzw. Welche Belege vielleicht noch nachzureichen sind. Soweit konnte schon geklärt sind, dient die Schlussbesprechung der rechtlichen Diskussion und im gegenseitigen Verständnis der wechselseitigen Positionen. Im Optimalfall findet eine Annäherung statt, etwa dahingehend, dass die eine oder andere Seite den Sachverhalt bzw. Die steuerliche Sichtweise so gut erklärt, dass die jeweils andere Seite dies erkennt, anerkennt und nachgibt und akzeptiert. Möglicherweise ist auch ein Deal im Sinne einer tatsächlichen Verständigung ein sachgerechtes Mittel zur Streitvermeidung. Im Optimalfall wird also eine anstrengende und vielleicht teilweise streitige Betriebsprüfung dann durch ein vernünftiges Schlussbesprechungsklima und Schlussbesprechungsergebnis so beendet, dass beide Seiten damit leben können und beide Seiten befriedet sind. Das mag teilweise schwierig sein bzw. Ihr größeres vermeintliche Mehrerergebnis ist, mögen die Distanzen groß und Brücken schwierig zu schlagen sein. Gerade noch dann, wenn man über hinterzogenen Beträge spricht, ein böses, negatives Steuerpflichtigen hat und mehrere 100.000 EUR oder gar Millionen angeblich hinterzogen sein sollen, erscheint ein Einigungsgespräch nicht immer einfach. Wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, ist es vielleicht auch mental schwierig davon auszugehen, dass man sich hier händeschüttelnd freundlich verabschiedet und ein gemeinsames einvernehmliches Ergebnis findet. Gleichwohl geht es natürlich in der Schlussbesprechung um die Aufklärung des Sachverhaltes und die korrekte steuerliche Würdigung. Insoweit haben Berater als auch Betriebsprüfer und dessen SGL die gleiche Intention: der Sachverhalt muss richtig ermittelt werden und die steuerlichen Folgen daraus richtig abgeleitet werden. Wenn sich daher alle Beteiligten wechselseitig zuhören und diesen Ergebnis sachlich versuchen näherzukommen, sollte eigentlich auch bei schwierigen Themen und hohen mehr Ergebnissen eine professionelle Auseinandersetzung immer möglich sein. Dabei muss natürlich auch dem Steuerpflichtigen zugebilligt werden, dass er auch eine angemessene Vorbereitungszeit nach Erhalt eines Exposé haben muss, gerade wenn dies umfangreicher ist. Wenn also die BP nicht unbedingt kommunikativ verlief, nicht viele oder gar keine zwischen Besprechungen erfolgten und dann ein Exposé mit 20, 30 oder 50 Punkten präsentiert wird, kann natürlich der Steuerpflichtige nicht von heute auf morgen ohne Vorbereitung zu den Themen Stellung nehmen. Gerade dann, wenn die BP an Amtsstelle stattfand, also etwa alle Unterlagen dem Betriebsprüfer an Amtsstelle übergeben wurden, braucht natürlich auch der Steuerpflichtige zur Analyse der Mehrergebnisse seine Unterlagen wieder zurück oder jedenfalls Kopien hiervon.
Diese Schlussbesprechung hat daher zahlreiche Funktionen, natürlich nicht nur eine Funktion der Gewährung rechtlichen Gehörs. Es ist eine Befriedungsfunktion, in dem der Steuerpflichtige natürlich im Optimalfall von der Richtigkeit der Feststellungen und des Mehrergebnisses überzeugt werden soll und ohne Groll, aber mit Einsehen das Ergebnis der Finanzverwaltung akzeptiert. Diese Einsichts-Überzeugung-und Akzeptanzfunktionen sind wichtige Teile am Ende der Betriebsprüfung. Denn der Steuerpflichtige bleibt natürlich auch weiterhin Dauerkunde bei der Finanzverwaltung. Er kann aus dem Club der Steuerpflichtigen nicht austreten. Daher ist der Verweis auf die über Unterordnung und die Eingriffsverwaltung nicht unbedingt die geschickteste und Streit vermeidende Haltung am Ende der Prüfung. Natürlich hat der Steuerpflichtige auch keinen Rechtsanspruch auf einen Deal. In einer vernünftigen Schlussbesprechung gibt es aber immer einige Punkte, die natürlich vielleicht von beiden Seiten diskussionsfähig sind und in gewissem Umfang auch zur Disposition stehen. Insoweit geht der Prüfung natürlich auf sein Optimum möglichst hoher Mehrergebnisse, schon weil er selbst natürlich danach auch bewertet wird. Die Finanzverwaltung bestreitet zwar immer wieder den Erfolgsdruck oder das persönliche Interesse der Betriebsprüfer an Mehrergebnissen. Das ist aber natürlich Unsinn. Natürlich müssen die Prüfer heute im Durchschnitt 1,4 Millionen EUR pro Prüfer erwirtschaften. Wenn ein Prüfer da mal etwas hinterherhinkt, wird dies nicht gleich ein Drama sein. Wenn der Prüfer aber nur 600.000 EUR mehr Ergebnis in einem Jahr hat, wird es sicherlich bei dem Hauptsachgebietsleiter ein Personalgespräch führen dürfen, bei dem der Hauptsachgebietsleiter ganz fürsorglich natürlich fragen wird, woran dies denn liegen würde und ob denn der Prüfer tatsächlich sich richtig aufgehoben fühlen würde in der BP. All diejenigen, die dann unverändert in der BP bleiben wollen, werden dann darauf achten, dass sie künftig ein höheres Mehrergebnis erzielen werden. Und natürlich weiß jeder prüfen, wo er steht und wo seine Kollegen stehen. Der Kollege oder die Kollegin, die ein zu hohes Mehrergebnis hereinholt, wird natürlich auch nicht beliebt sein, da sie die Messlatte für die anderen als einholbare Mehrergebnisse natürlich heraufschraubt. Die fleißige Kollegin, die also 2,2 Millionen mehr Ergebnis im Jahr hat, ist also in dieser Hinsicht ein Kameradenschwein, da sie den anderen mehr Stress verursacht, da diese dann auch ähnliche Zahlen liefern müssen. Und der Kollege oder die Kollegin, die lediglich 600.000 oder 700.000 EUR hereinholt, wird natürlich auch nicht gleich gefeuert, bzw. strafversetzt, wird aber ein entsprechendes Personalgespräch erhalten und dann zur Bewährung weitere 3 oder 4 Monate Zeit bekommen und zeigen, dass auch sie Mehrergebnisse hereinholen kann. Wenn diesen Druck also berücksichtigt, versteht man vielleicht schnell, dass ein Betriebsprüfer keine Lust auf eine Schlussbesprechung hat, da da sein mehr Ergebnis sowieso nur heruntergeredet wird. Warum sollte er, wenn er 400.000 EUR mehr Ergebnis gefunden hat, sich nun in einem Gespräch breitschlagen lassen, auf 100.000 oder gar auf 200.000 EUR oder noch mehr zu verzichten? Das kann sich letztendlich nur der Betriebsprüfer leisten, der schon genug eingefahren hat und vielleicht sogar deutlich mehr hat als eine Kollegin und er damit nicht ganz so weit über den Durchschnitt hinaus schießt. Die anderen, die noch unter dem Durchschnitt liegen, brauchen aber ihre mehr Ergebnisse und warum sollten Sie jetzt noch weitere Arbeitszeit für ein Gespräch verschwenden, in dem ihre mehr Ergebnisse reduziert werden? Da ist es doch sehr verlockend, einfach zu behaupten, es wäre auf die Schlussbesprechung verzichtet worden oder die erneute Terminsverlegung zeige eine Verzögerungstaktik und deswegen sei dies angeblich ein Verzicht auf die Schlussbesprechung.
Letztendlich hat der Betriebsprüfer (fast) gar kein Interesse, sein gefundenes Ergebnis in der Schlussbesprechung zu reduzieren. Der Betriebsprüfer ist in der Veranlagungen BP den Fall los. Dies wäre aber auch das einzige Interesse, gleich Stück weit nachzugeben, um damit nicht im weiteren Verfahren mit dem Fall belästigt zu werden umso Zeit für andere Prüfungsfälle zu haben. In allen übrigen Fällen, in denen es also keine Veranlassung, wird zwar der Betriebsprüfer auch immer wieder im Einspruchsverfahren mit den Schriftsätzen des Steuerberaters konfrontiert und muss dazu intern Stellung nehmen, die dann der Bezirk als Schriftsätze an den Berater kopiert und weiterleitet, der Prüfer aber wird hier insoweit nicht stets neue Schriftsätze entwickeln, sondern auf seine bereits vorhandenen Stellungnahmen bzw. sein BP Bericht verweisen. Damit ist seine Bewertung aufgrund des Berichts und das dort dargestellten Mehrergebnisses gesichert, selbst wenn später im Klageverfahren die mehr Ergebnisse zerplatzen. Der Betriebsprüfer wird insoweit nicht nachträglich herunter gestuft, wenn 3 oder 5 oder 8 Jahre später das Finanzgericht oder der BFH seine Mehrergebnisse zerpflücken.
Vor diesem Hintergrund ist da die Behauptung, auf eine Schlussbesprechung sei verzichtet worden, auch wenn das nicht stimmt oder das Diktieren von Schlussbesprechungstermin ohne Ausweichmöglichkeiten und im Falle von mehreren Verlegungsanträgen die Interpretation als Verzicht auf die Schlussbesprechung durchaus das Ergebnis eines rationalen Denkvorgangs der Prüfer: Diese haben letztendlich gar kein Interesse an der Schlussbesprechung. Die stört nur. Die führt nur dazu, dass die schönen Mehrergebnisse klein geredet werden. Das führt nur dazu, dass die Bewertung des Prüfers schlechter ausfällt. Er steht nur toll dar, wenn der ein möglichst hohes Mehrergebnis in möglichst kurzer Zeit ermittelt hat. Noch besser ist es natürlich, wenn dieses Mehrergebnis auch in Form von Bescheiden umgesetzt werden kann, bestandskräftig wird und gar noch beigetrieben werden kann.
Dies sind aber Eigeninteressen der Betriebsprüfer und hat wenig mit einer richtigen Steuerfestsetzung zu tun. Umso bemerkenswerter ist es, dass dies der Finanzrechtsprechung und dem BFH gar nicht klar zu sein scheint. Denn der BFH reduziert die Schlussbesprechung lediglich auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und sieht gar nicht die Eigeninteressen des Betriebsprüfers und den Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf eine ausführliche sachgerechte Schlussbesprechung. Und letztendlich: Warum sollte bei einem Mehrergebnis von 100.000, 300.000 oder 500.000 EUR oder gar noch mehr der Steuerpflichtige nicht einen oder mehrere Tage Anspruch haben, die Sache mit dem Finanzamt ausführlich zu erörtern? Wer sagt denn dass die Schlussbesprechung in einem Termin stattfinden muss und nicht über mehrere Tage gehen kann? Meist sind so hohe Nachzahlungen existenzgefährdend oder verändern jedenfalls nachhaltig das bislang aufgebaute Vermögen und die Altersabsicherung. Warum muss der Steuerpflichtige dies ohne Schlussbesprechung oder in einer Pseudo- Schlussbesprechung von 10 oder 15 Minuten akzeptieren und verstehen? Warum darf nicht auch er nach einer monate- oder jahrelangen Prüfung jetzt endlich seine Position darlegen und die Punkte des Betriebsprüfers infrage stellen oder widerlegen? Warum hat die BP – die sonst Vordrucke für alles und jedes hat – keine Vordrucke für die angebliche Verzichtserklärung hinsichtlich der Schlussbesprechung? Warum wird der angebliche Verzicht immer nur ohne Daten und klare Fakten und ohne Nachweise behauptet? Warum ist die BP nicht darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass und wann jemand auf die Schlussbesprechung verzichtet hat – und warum führt der gelogene angebliche Verzicht auf die Schlussbesprechung nicht zu Verfahrenshindernissen und Verwertungsverboten? Ist die Anordnung des Gesetzgebers nicht klar genug gewesen? Bedeutet nicht „ist abzuhalten“ dass die Schlussbesprechung durchgeführt werden muss? Kann man wirklich zwischen ernst zunehmenden Gesetzen und bloß formalen Verpflichtungen unterscheiden? Und ist die Pflicht zur Durchführung der Schlussbesprechung bloß eine formale Verpflichtung, deren Verletzung unerheblich ist? Solche Gedanken provozieren natürlich auch die Rückfrage, ob die Verpflichtung, Steuererklärung abzugeben, nicht genauso bloß eine formale Ordnungsvorschrift ist? Und ist die rote Ampel an der Straßenkreuzung nicht auch bloß eine formale Ordnungsvorschrift? Wenn wir Normen so differenzieren in zu beachtende, ernst gemeint Gesetze und nicht zu beachtende bloße formale Ordnungsvorschriften – wo kommen wir da hin? Wer hat das Recht zu behaupten, ein Gesetz sei Ernstzunehmen und das andere sei eine bloße Ordnungsvorschrift? Entmachten wir damit nicht den Gesetzgeber, der natürlich von allen, d. h. von Gerichten Behörden und Bürgern verlangt, dass alle seine Gesetze gleichermaßen beachtet werden?
Lassen Sie uns mal sehen, was der BFH aus der unterlassenen Schlussbesprechung in dem nachfolgenden Beschluss vom 15.12.1997 dogmatisch macht:
In dem Beschl. v. 15.12.1997, Az.: X B 182/96 heißt es wie folgt wörtlich:
„Zwar kann nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.1972, VIII R 108/72 (BFHE 109, 1, BStBl II 1973, 542) eine Schlußbesprechung nur dann entfallen, wenn keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen und der Steuerbescheide zu erwarten ist oder der Steuerpflichtige auf eine Schlußbesprechung ausdrücklich verzichtet. Denn es besteht ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer Schlußbesprechung (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 66/84, BFH/NV 1988, 319, unter 6.). Damit ist indes nichts darüber ausgesagt, welche verfahrensrechtlichen Folgerungen unter der Geltung der AO 1977 (vgl. §201 Abs. 1) daraus zu ziehen sind, daß eine Schlußbesprechung nicht stattfindet. In dieser Hinsicht hat das FG keinen von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtssatz aufgestellt.
Quelle: BFH, Beschl. v. 15.12.1997, Az.: X B 182/96.
Diese Reduktion der Schlussbesprechung auf die Gewährung rechtlichen Gehörs lässt die anderen Funktionen der Schlussbesprechung außer acht. Sie lässt auch außer Acht, dass der Gesetzgeber nicht in § 201 I AO gesagt hat, dass die Schlussbesprechung entfallen kann, wenn die Gewährung rechtlichen Gehörs im Einspruchs- oder Klageverfahren nachgeholt hat. Überhaupt verkennt diese Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber keine Heilungsmöglichkeiten für die rechtswidrig entfallene Schlussbesprechung vorgesehen hat. Diese Rechtsprechung des BFH ist daher glatt falsch und verstößt gegen geltendes Recht, nämlich gegen § 201 Abs. 1 AO. „Als Obergericht scheint man es sich leisten zu können, den Gesetzgeber nicht ernst zu nehmen und einfach uminterpretieren zu können. der ist nicht auch der BFH an Recht und Gesetz gebunden?“, hat mir schon so mancher Mandant verärgert entgegengeschleudert … „Geht Rechtsauslegung so weit, dass man den klaren Wortlaut umschiffen kann?“, sind dann so oder so ähnlich die weiteren Gedanken. Resignation macht sich bei einigen breit. Sind die Gerichte nicht für die Bürger da, um Übergriffe der Verwaltung zu begrenzen? Und was ist mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz: „Sollen die Gerichte nicht die Verwaltung kontrollieren und in die Schranken verweisen?“ fragte mich letzt ein Mandant … Fragen über Fragen, die ich nicht oder nicht abschließende beantworten kann … Die Beraterschaft mit den entsprechenden Fällen/Mandanten scheint daher jedenfalls darauf verwiesen zu bleiben, ohnmächtig und staunenden oder verzweifelnd solche Uminterpretationen zur Kenntnis zu nehmen oder aber sich zu wehren und Aufsätze zu schreiben, solche Fälle vor den BFH erneut oder vor das Bundesverfassungsgericht zu tragen …und wenn das alles nichts bringt … ? Dann weiß ich es auch nicht …
Eine Idee wäre es natürlich auch, die Abhaltung einer ordnungsgemäßen Schlussbesprechung einzuklagen als allgemeine Leistungsklage vor dem FG ….wenn diese wieder mal rechtswidrig entfällt … vielleicht verbunden mit einer Nichtkeitsfeststellungsklage Hinsichtlich der dann umbesprochenen Mehrergebnisse aus dem BP-Bericht …. nach der bisherigen Meinung des BFH müsste eine solche Klage unzulässig oder jedenfalls unbegründet sein … aber es steht doch im Gesetz … „ist abzuhalten“ … was gilt denn nun: Gesetz oder BFH-Meinung?