Mit den beiden Referentenentwürfen vom 18.3.2016 will das Bundesministerium der Finanzen den Kassenmanipulationen Herr werden. Das BMF hat am 18.03.16 zwei Referentenentwürfe veröffentlicht: 1. das „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen” sowie 2. die „Technische Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen”. Zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, z.B. Kassenaufzeichnungen, soll die Unveränderbarkeit von digitalen Grundaufzeichnungen sichergestellt und Manipulationen ein Riegel vorgeschoben werden.
Das BMF sieht also offensichtlich in der nachträglichen Stornierung bereits gebuchter Umsätze eines der größten Probleme. Das BMF geht dabei davon aus, dass die Betriebe in den bargeldintensiven Branchen zunächst die Umsätze buchen, sodass der Kunde glaubt, sein Umsatz wäre ordnungsgemäß erfasst. Später wird dann bei Kassenabschluss, so die Auffassung des BMF, storniert.
Der Kunde bekommt das nicht mit und im Regelfall die Angestellten auch nicht. Mit einer verbindlichen sofortigen Festschreibung und einer zwar immer noch möglichen Stornierung, die aber dann aufgezeichnet wird, will das BMF in diesen Kassenmanipulationen künftig zu Leibe rücken. Dies aber nicht alleine: Die Maßnahmen bestehen im Wesentlichen aus drei Komponenten: 1. Ein verpflichtender Einsatz einer technischen Sicherheitseinrichtung bei Nutzung eines elektronischen Aufzeichnungssystems 2. Einführung einer Kassen-Nachschau 3. Sanktionierung von Verstößen in dem der Gefährdungstatbestand des § 379 AO entsprechend ausgeweitet wird.
Das Nicht- Festschreiben der einzelnen Kassenumsätze (damit sie gegebenenfalls später gelöscht werden können) ist dann eine Steuergefährdung. Das Konzept ist technologieoffen, um den besonderen Verhältnissen verschiedenartiger Wirtschaftsbereiche Rechnung tragen zu können. Sehr bedenklich ist allerdings, dass das BMF über die technische Verordnung die Anforderungen soll neu definieren können, was einerseits für die Steuerpflichtigen und die Berater dann im Detail versteckter geregelt ist, da die Anforderungen dann nicht unmittelbar im Gesetz zu finden sind.
In den einzelnen Betriebsprüfungen kann dann möglicherweise das Problem entstehen, wann zu welchem Zeitpunkt die Verordnung welchen Inhalt hatte und was nach der Verordnung dann in welchem Veranlagungszeitraum an Erfordernissen zu berücksichtigen war. Der eigentlich mittlerweile bedeutungslose Gefährdungstatbestand des § 379 AO wird möglicherweise eine gewisse Renaissance erfahren. Interessant ist insoweit, dass über einen Gefährdungstatbestand die Strafbarkeit vorverlegt wird: während bislang eine falsche Buchführung nur eine straflose Vorbereitung darstellt, also etwa die Hereinnahme von Scheinrechnungen oder Abdeckrechnungen so lange straflos ist, bis der Täter die Grenze zum „jetzt geht es los“ überschreitet, etwa also aufgrund der feierlichen Buchführungsbelege falscher Voranmeldungen oder eine falsche Steuererklärung einreicht, soll nun ab dem 1.1.2019 das Nicht-Festschreiben von Umsätzen schon eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
In § 379 AO ist nicht einmal eine Selbstanzeige vorgesehen, so dass bei einem versehentlichen oder vorsätzlichen Nicht-festschreiben in die Ordnungswidrigkeit begangen ist. Was ist bei dem Steuerpflichtigen, der etwa bei einer neuen Kasse diesen Fehler nach etwa einem halben Jahr Gebrauchszeit entdeckt und dann nachträglich festschreiben möchte? Dieser Steuerpflichtige hat bislang jedenfalls keine Chance, in die Straffreiheit zu kommen bzw. sich aus der Ordnungswidrigkeit zu lösen. Eine Selbstanzeige insoweit ist nicht möglich.
Er würde also bestraft bzw. bebußt werden, nur weil seine Buchungssätze in der Kasse nicht festgeschrieben waren, er aber korrekte Steuererklärungen bzw. Steuervoranmeldungen abgegeben hat… Und wie soll man sich die Kassen-Nachschau vorstellen: da kommt ein Prüfer vom Finanzamt etwa in die Gaststätte oder setzt sich in das Taxi, zeigt seinen Ausweis und möchte dann die Kasse prüfen? Etwa nachsehen, ob die Bedienungsanleitung, die Ersteinrichtung und eventuelle Änderungsprotokolle vorhanden sind und zudem prüfen, ob das technische Sicherungsmodul (die Zertifizierung der Kasse) funktioniert und eingebaut ist? Das BMF begründet das Erfordernis dieser Maßnahmen damit, dass die Kassenmanipulationen insbesondere durch Zapper und Manipulationssoftware diese Schritte erforderlich machen würden. Muss man aber nicht davon ausgehen, dass es eine Weiterentwicklung der Zapper & Co. geben wird, so das auch dieses Zertifizierungsverfahren bzw. dieses physische Sicherungsmodul demnächst technisch umgangen werden können? Hat uns nicht die Entwicklung bei den Geldscheinen gezeigt, dass auch trotz immer weiter implementierte Sicherungsmerkmale auch die jüngste Generation der Geldscheine nicht fälschungssicher ist?
Und die Rückfrage ist, ob bei den Kassenbetreibern, bei denen also der Einsatz der Sicherungssoftware und deren Funktionieren geprüft und bescheinigt wurde, nicht dann darauf vertrauen dürfen, dass ihre Einnahme vollständig erfasst ist? Ist also eine Kassenprüfung ohne Beanstandungen ein Grundlagenbescheid dahingehend, dass die Einnahmen über die Kasse jedenfalls ordnungsgemäß gebucht wurden? Man wird indes auch eine solche ohne Beanstandungen verlaufende Kassenprüfung weder als Sicherheit für den Steuerpflichtigen dahingehend verstehen können, dass in der Betriebsprüfung nicht doch die Kasseneinnahmen hinterfragt werden und ein solche Nicht- Beanstandung dürfte auch kein Grundlagenbescheid für die Vollständigkeit der Kasseneinnahmen sein. Denn ob tatsächlich nicht Zapper oder andere elektronische Manipulationsprogramme nicht eventuell doch trotz der Kassenprüfung die Kasse manipuliert haben, wird die Finanzverwaltung damit noch nicht abschließend sagen wollen.
Erst die eintretende endgültige Festsetzungsverjährung (10 + 3 Jahre, § 169 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 170 AO) werden daher dem Steuerpflichtigen Gewissheit und damit dann erst einen ruhigen Schlaf verschaffen können. Damit hilft letztlich die Kassennachschau nur einem, nämlich der Finanzverwaltung. Sie prüft und kann möglicherweise in dem ein oder anderen Fall feststellen, dass die Kasse nicht Manipulation fest ist. Sie kann dann zu einer Vollprüfung oder gegebenenfalls auch zu einer Steuerfahndungsprüfungen übergehen. Eine Gewissheit für den Steuerpflichtigen ist die ohne Beanstandungen abgelaufener Kassenprüfung indes in keiner Richtung.
Ob überhaupt ein Bescheid nach einer beanstandungslosen Kassenprüfung vorgesehen ist, ist unklar. Ob sich der Steuerpflichtige gegen eine Kassenprüfung wehren kann, ist ebenfalls im Referentenentwurf nicht ausdrücklich geregelt. Davon ausgehend, dass das Erscheinen des Prüfers und seine Aussage, er möchte gerne die Kasse prüfen, ein mündlicher Verwaltungsakt ist, kann dieser unverzüglich durch Einspruch angefochten werden. Nach den allgemeinen Regeln kann auch hier die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Vielleicht auch eine Verschiebung des Termins, wenn es derzeit unpassend ist. Stellen Sie sich nur vor, der Betriebsprüfer käme zur absoluten Hochzeit im Betrieb und alle Bedienungen und Mitarbeiter, die Küche und die Getränkeausgabe wären überlastet und jetzt erscheint der Betriebsprüfer, möchte der Inhaber das Lokal sprechen, da dieser nicht vorhanden ist, nimmt er mit dem mit Bedienenden Geschäftsführer Vorlieb und meint, diese solle ihm jetzt die Unterlagen vorliegen, die Kasse zeigen und mit ihm gemeinsam in einem Nebenzimmer einen Kassensturz machen. Der Geschäftsführer meint freundlich, dass er derzeit überlastet sei, der Betriebsprüfer sehe jedoch, dass es gerade brummt und er soll in 2 Stunden wiederkommen oder morgen früh oder auch morgen Abend.
Jetzt am Samstagabend um 20:30 Uhr sei es sehr schlecht, da bei der Laden randvoll sei. Wie ist in diesem Fall die Aussage des Geschäftsführers zu verstehen, der Betriebsprüfer solle in 2 Stunden wiederkommen? Ist dies ein Verlegungsantrag? Ist dies ein Einspruch in Verbindung mit einer Aussetzung der Vollziehung? Ist in 2 Stunden die Kasse noch genauso leicht und sorgfältig zu prüfen wie jetzt? Kann der Prüfer auf den sofortigen Vollzug bestehen oder ist dies Anlass für ihn etwa gleich zu einer Vollprüfung (Betriebsprüfung) überzugehen? Oder ist dies gar etwa für ihn Anlass, die Steuerfahndung zu holen? Und kann er dies am Samstagabend? Liegt jetzt Gefahr im Verzug vor oder ist der Ermittlungsrichter zu erreichen und kann diese etwa binnen einer halben Stunde oder Stunde einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen? Hilft es dem Geschäftsführer, wenn er sagt, der Betriebsprüfer solle sich gedulden er würde den Inhaber anrufen und dieser seinen etwa binnen 1 Stunde hier und dann könnten die beiden die Kassen Nachschau vornehmen? Oder hilft es dem Geschäftsführer, wenn er sagt, der Betriebsprüfer könne sicher neben die Kasse setzen und nachschauen, ob alles gebucht wird und dann in 2 Stunden mit ihm gemeinsam die Kassenprüfung vornehmen? Kann und darf der Betriebsprüfer alleine Prüfungshandlungen an der Kasse vornehmen, wenn der Geschäftsführer ihm mitteilt, dass er selbst keine Zeit habe, er aber alleine gucken könne? Was ist, wenn hinterher Geld in der Kasse fehlt?
Und dann ist da noch ein ganz anderes Problem: die schlichten nicht Buchung von Umsätzen. Was ist mit dem Taxifahrer, der den Fahrgast befördert, etwa einen Festpreis ausgemacht hat und den Taxameter nicht einschaltet? Was ist mit dem Gastwirt oder dessen Bedienung, die einen Umsatz nicht bonieren? Es kommt da kein ärmlichen aus der elektronischen Kasse, dass die Kassiererin beim heraustragen der Speisen und Getränke festhält und hindert weiter zu laufen und die Bedienung erst wieder freigibt, wenn sie den richtigen Preis eingetippt hat. Was ist mit den Umsätzen, die falsch boniert werden? Wenn etwa ein Café statt einer Hauptspeise getippt wird oder Ähnliches? Die Ansätze des BMF sollen die Nichterfassung von Umsätzen bzw. das spätere Löschen verhindern. Andere Länder machen hier aber uns etwas ganz anderes vor: da gibt es Lotterien bzw. Verlosungen für eingesandte Rechnungen oder Kassenbons.
Einmal monatlich werden Preise unter den Einsendern verlost, sodass die Finanzverwaltung zahlreiches zufälliges Kontrollmaterial hat. Das könnte auch in Deutschland funktionieren: das neueste ipad, den 1.000 € Einkaufsgutschein, die Golfausrüstung, ein nagelneues Handy mit allnetflat für die nächsten 2 Jahre, einen 5 Tagesurlaub auf Sylt für 2 Personen, einen 55 Zoll Fernseher, ein Jahresabo etwa bei einem Bundesliga- Fußballverein oder Bundesliga -Handballverein und Ähnliches mehr als Gewinn für die eingesandte und dann in dem betreffenden Monat zufällig gezogene Rechnung im Rahmen der Finanzamtslotterie …? Vielleicht sogar noch eine Extra-Jahresauslosung für alle Einsender: eine neuen Mittelklassewagen oder etwas Vergleichbares …? Solche Ansätze sind momentan im Referentenentwurf noch nicht vorhanden. Überhaupt wird das Problem, dass Umsätze nicht gebongt werden, nicht angegangen. Wie da der gleichmäßige Gesetzesvollzug hergestellt werden soll, bleibt unklar.
Fragen hierzu? Probleme in der Betriebsprüfung oder in der Steuerfahndungsprüfungen? Sie brauchen einen Spezialisten im streitigen Steuerrecht, im Steuerstrafrecht oder im Wirtschaftsstrafrecht, der Ihnen weiterhilft? Dann rufen Sie jetzt an: Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Strafrecht, Wiesbaden, 06 11 – 890910