Was ist eigentlich eine Tatsächliche Verständigung im Steuerrecht? Sie ist -stark vereinfacht gesagt- das was der Vergleich im Zivilrecht ist. Nur sagen Sie nie im Steuerrecht, dass man sich vergleichen könne oder es sei ein Vergleich oder dass Sie einen Vergleich abschließen wollten. Spricht man im Steuerrecht von einem Vergleich, etwa gegenüber dem Betriebsprüfer, schaut der einen mitleidig an oder erklärt z.T. oberlehrerhaft, dass es keinen Vergleich im Steuerrecht gibt, womit er Recht und doch nicht Recht hat … Denn –einerseits- im Steuerrecht gibt es keinen Vergleich. Insoweit hat er Recht. Das basiert auf dem Gedanken, dass im Zivilrecht die Parteien (rechtlich, nicht wirtschaftlich) gleich stark sind, während im Öffentlichen Recht, also auch im Steuerrecht eine Über- und Unterordnung zwischen den Beteiligten besteht: der Staat (repräsentiert durch den Beamten) steht oben und der Bürger hat sich ihm unterzuordnen. Der Bürger erhält die Befehle (Strafbefehl, Haftbefehl, Zahlungsbefehl, oder etwas neudeutscher und gemilderter: Bescheid, Anordnung, Verfügung, etc.) Das ist zumindest der Gedanke aus dem Preußischen Recht. Verträge und Vergleiche kann man aber nur schließen, wenn man auf gleicher Ebene steht. Im Verhältnis Über- zu Unterordnung werden keine Verträge und damit keine Vergleiche geschlossen … oder vergleichen Sie sich mit dem Polizisten, der Ihnen einen Haltebefehl zuruft („Halt … oder ich schieße!“ und Sie erwidern: „ne, lass uns vergleichen, ich renne noch um zwei Blocks und erst dann schießt Du …“ oder im Schulverhältnis oder bei der Bundeswehr: kann der Schüler sich mit dem Lehrer über ein Bestehen der Klausur vergleichen? Kann der Gefreite mit dem Offizier über Befehle verhandeln?). Schulrecht, Wehrrecht, Sicherheit und Ordnung, usw. und Steuerrecht sind aber Gebiete des Öffentlichen Rechts und daher gibt es in diesen Über- und Unterordnungsverhältnissen keinen Vergleich. Trotzdem gibt es Situationen, in denen man sich einigt. Insoweit hat der Betriebsprüfer Unrecht. Das ist ja schließlich das, was Sie auch meinten. Ihnen ging es nicht um das Fachvokabular, das Sie im Zweifel als Laie auch gar nicht kennen – aber Sie meinten das Richtige: eine Einigung ohne Streit im Wege beiderseitigen Nachgebens, ohne langwierige, kostenintensive Klage. Im Zivilrecht einigt man sich über das Ergebnis: Sie klagen auf 10.000 € und einigen sich z.B. in der Mitte, also bei 5.000 €. Im Steuerrecht sprechen Sie nie (offiziell) über die zu zahlenden Steuern und einigen sich dann z.B. auf die Hälfte der zu zahlenden Steuern. Ist der Sachverhalt schwierig oder nur mit immensem außer Verhältnis stehendem Aufwand zu klären, kommt eine Tatsächliche Verständigung in Betracht. Sie sprechen bzw. verhandeln dabei immer nur über (die schwer aufklärbaren) Sachverhalte und unterstellen einen Sachverhalt fiktiv in der tatsächlichen Verständigung ohne dass es scheinbar auf das Ergebnis (=die Steuern) ankäme und das, was an Steuern schließlich herauskommt, wird auch nicht fixiert oder der Höhe nach begrenzt. Es ist angeblich das zufällige Ergebnis des fest vereinbarten Sachverhalts. Aber natürlich schauen alle (inoffiziell) zuvor auf das Ergebnis, bevor man den Sachverhalt im Rahmen der Tatsächlichen Verständigung dann schriftlich fixiert. Nur das gibt keiner zu und es wird das steuerliche Ergebnis nirgends fixiert. Allenfalls bekommt man vom Finanzamt eine Probe- oder Prüfberechnung. Die tatsächliche Verständigung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (BFH BStBl. 1991 II, 45; Rüsken in Klein, AO, §162 RN 30 a m.w.N.) und nur eine Einigung über die Besteuerungsgrundlagen (also den Sachverhalt), nicht aber über die Steuern (BFH BStBl. 1996 I, 232). Auf Seiten des Finanzamtes muss ein Sachgebietsleiter (SGL) des Veranlagungsbezirks (oder höher, etwa Amtsvorsteher) beteiligt sein (BFH BStBl. 1991 II, 45; BFH BStBl. 1991 II, 673), d.h. die Tatsächliche Verständigung unterschreiben. Berater müssen die Verständigung nicht mit unterschreiben. Meist unterschreibt der Betriebsprüfer und dessen Sachgebietsleiter, wenn der Sachverhalt in einer Betriebsprüfung aufgebracht wurde, sowie der Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirks. Kommt der Fall aus der Steuerfahndung unterschreibt im Falle einer Tatsächlichen Verständigung der Fahndungsprüfer und dessen Sachgebietsleiter. Dass es in einer Fahndungsprüfung aber zu einer Tatsächlichen Verständigung kommt, ist wesentlich seltener als eine Einigung mit der Betriebsprüfung. Dies mag nicht an den Sachverhalten, sondern an der emotionalen Belastung in dem Verfahren gehen … strukturell ist eine Einigung über einen Sachverhalt aber genauso möglich, wie eine Einigung mit der Betriebsprüfung zu finden. Die Unterschrift des Sachgebietsleiters des Veranlagungsbezirks bindet dann das Finanzamt. Die Einbeziehung der Betriebsprüfung (Steuerfahndung) liegt dann darin, dass es ein Betriebsprüfungsfall (Steuerfahndungsfall) ist und der Veranlagungsbezirk die Betriebsprüfung (Steuerfahndung) vorher um Stellungnahme bitten müsste, wenn er von deren Feststellungen abweicht. Indem die Betriebsprüfung (Steuerfahndung) die Tatsächliche Verständigung mit unterschreibt, ist sie nachweislich in die Abweichungen von ihren Feststellungen mit einbezogen worden. Damit sind in den Betriebsprüfungsfällen (Steuerfahndungsfällen) in der Regel nur 4 Unterschriften für die Wirksamkeit der Tatsächlichen Verständigung erforderlich: Betriebsprüfer (Steuerfahnder), Sachgebietsleiter Betriebsprüfung (Steuerfahndung), Sachgebietsleiter Veranlagungsbezirk und der Steuerpflichtige.
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