Klaus fährt langsam weiter, zieht nach rechts rüber. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, sie haben doch unter 10.000 € dabei. Während sie zum Kontrollplatz fahren, sagt Ulrike zu Klaus: „War es klug, die 9tausendundpaarhundert € zu verleugnen?“ Er meint leicht gereizt: „Was hätte ich sagen sollen? Außerdem ist es doch sowieso anmeldefrei.“ Sie kommen zum Stehen. Zwei Grünjacken, eine Frau und ein Mann kommen gerade an ihrem Fahrzeug an. „Guten Tag“, sagt sie. „Haben Sie anmeldepflichtige Sachen oder Waren dabei? Waffen? Bargeld, Sprengstoff? Funkgeräte?“ Ulrike und Klaus verneinen. „Was haben Sie in der Schweiz gemacht?“ Ulrike sagt: „Kurzurlaub. In der Nähe von Zürich.“ Die Zöllnerin fragt nach dem Gepäck und bittet, die Heckklappe aufzumachen. Der Zöllner bittet, die hinteren Türen zu öffnen und fragt nach dem Inhalt der Tüten aus Basel. „Käse“, antwortet Klaus wahrheitsgemäß. „So viel?“, staunt der Zöllner. „Drei Tüten? Gibt’s bei Ihnen in Düsseldorf keinen Käse?“ – „Nicht so guten“, antwortet Klaus etwas lockerer. „Wenn es nur um den Käse geht, können wir vielleicht gleich weiterfahren.“ Doch die Zöllnerin fragt Ulrike: „Wieviele Tage waren Sie in Zürich?“ Ulrike überlegt. Ob sie heute Morgen bei der Einreise registriert wurden? Ob die Zöllnerin das prüfen kann? Wohl kaum, glaubt sie. Wie lange kann so ein Kurzurlaub sinnvollerweise gewesen sein? Was klingt glaubhaft? „Drei Tage“, sagt sie – und bereut es auch schon, aber raus ist raus. Sie bekommt auch gleich die passende Anschlussfrage der Zöllnerin: „Kein Gepäck für die drei Tage?“ „Ja.“ Ulrike wusste auch sofort, dass die Drei-Tage-Antwort blöd war. Die Zöllnerin fragt weiter: „Bank in Basel oder Zürich besucht? Haben Sie Bargeld dabei? Wieviel?“ Ulrike ist verwirrt. Sie hat schon falsch mit den drei Tagen geantwortet. Jetzt bloß keinen Fehler machen. „Reiß dich zusammen, Uli!“, denkt sie sich. „Äh nein, kein Bargeld.“ – „Gar keins?“, fragt die Zöllnerin. „Doch, natürlich, nur ein paar hundert Euro.“
Sie macht eine kurze Pause und sagt dann: „470 €, wenn Sie es genau wissen wollen…“. In der Zwischenzeit hat der Zöllner im Fond die Käsetüten kurz gecheckt. „Alles in Ordnung“, sagt er, tastet die Jacke von Ulrike ab und fühlt das Couvert in der Innentasche. Nimmt die Jacke, fingert den Umschlag heraus und zeigt ihn Ulrike und fragt: „Bargeld?“ Ulrike bejaht: „JA, aber unter 10.000 €.“ Die Zöllnerin: „Mir haben Sie doch gerade gesagt: kein Geld, dann 470 € und jetzt unter 10.000 €?“ Ulrike schluckt: „Äh ja, habe ich vergessen“, sagt sie mit schwacher, nervöser Stimme. Es kommt ein weiterer Zöllner hinzu. Noch einmal die Frage von der Zöllnerin: „Das hat doch keinen Zweck: Sie müssen bei der Einreise aus einem Drittland mitgebrachtes Geld schriftlich anmelden, sofern Sie Beträge ab 10.000 € einführen. Also, wieviel Bargeld führen Sie bei sich?“ Ulrike sagt: „470 € und die 9.500 €.“ – „Sonst nichts?“, fragt die Zöllnerin. „Und Sie?“, fragt der Zöllner Klaus. Er sagt: „Knapp 300 €, so etwa 280 oder 290 € im Portemonnaie. Sonst nichts.“ Die Zöllner fragen noch einmal und belehren, dass er auf die Frage wahrheitsgemäß antworten muss. Er bleibt bei seinen ca. 280 bis 290 € im Portemonnaie. Die beiden Zöllner durchsuchen den Wagen, blitzschnell den Kofferraum, den Fond, greifen in die Schlitze bei den Sitzen und der Rücksitzbank, heben schnell die Rücksatzbank an, schauen in den Seitentaschen und den Ablagefächern sowie im Handschuhfach nach. Die kennen sich mit dem Wagentyp aber gut aus, unter den Fußmatten, ein Griff von hinten unter die Sitze, von vorne kurz mit der Lampe unter den Sitz geleuchtet und schon hat der Zöllner links am Wagen den zweiten Briefumschlag gefunden, der ebenfalls 9.500 € enthält. „Und wem gehört der?“, fragt der Zöllner, „und wieviel ist da drin? Auch 9.500 €?“
Klaus ärgert sich über sich selbst. Wie konnten sie nur so blöd sein … keine 10 Minuten stehen sie hier und die Zöllner haben schon das ganze Bargeld gefunden. So schnell, ein paar Griffe, so als hätte das Bargeld geschrien. Als hätten sie es gerochen. „Kommen Sie doch bitte mal mit“, sagen die beiden ersten Grünjacken und sie gehen in das grau-weiße Zollhäuschen. Der Mercedesfahrer ist da auch schon drinnen mit zwei Zöllnern – an einem Tisch weiter, ca. 3 m entfernt von dem Tisch, den sie ansteuern. Ulrike und Klaus müssen jeweils ihr Portemonnaies ausleeren. Die Zöllner zählen den Inhalt. Auch die jeweiligen Briefumschläge werden geöffnet und die Zöllner zählen das Geld. „So, wem gehört nun der 2. Umschlag – Sie haben gesagt, nicht Ihnen“, sagt der Zöllner zu Klaus gewandt. „Also Ihnen“, meint er, nun Ulrike anguckend. „Nein“, sagt sie, während Klaus zähneknirschend sagt: „Nein, mir.“ – „Warum haben sie dann erst verneint?“, fragt der Zöllner, den Überraschten spielend. So geht das noch eine Weile, immer wieder die Belehrungen, dass sie auf die Frage hätten korrekt antworten müssen, dass das mit dem Kurzurlaub wohl auch nicht stimme und sie endlich zugeben sollten, bei welcher Bank sie waren. „Kann ja nur Zürich oder Basel oder beides sein“, sagt der Zöllner. „Haben Sie Bankunterlagen dabei?“, fragt die Zöllnerin.
Klaus und Ulrike verneinen und sehen raus zu ihrem Wagen. Sie sehen, dass der dort verbliebene Zöllner in ihrem Wagen noch einmal alles abtastet. Ein zweiter Zöllner steht mit dabei bzw. sucht ebenfalls dort weiter. Klaus ist darüber entsetzt, genervt. „Jetzt aber nur nicht aufregen, keinen Stress machen, sie haben eh keine Chance und finden können sie sowieso nichts – da wo nichts ist, können die auch nichts finden, die haben ja eh schon alles gefunden“, denkt Klaus. Nur mauern. Die Frage nach Banken und Bankunterlagen immer wieder verneinen. Ulrike ist da schwächer, hat nicht so gute Nerven. Die Zöllnerin ist ganz freundlich zu ihr, sagt, dass es der Zoll sowieso herausbekommt, Ulrike könne es ihr doch sagen. Und Ulrike denkt: „Bevor wir hier noch Stunden festgehalten werden, ist es besser, alles zuzugeben.“ Sie schwankt aber noch. Der Zöllner fragt Klaus etwas barscher: „Also, welche Bank? Wie heißt die? UBS? Credit Suisse?“ Klaus verneint. Der Zöllner: „Züricher Kantonalbank?“ Klaus schüttelt nur den Kopf. Die Zöllnerin fragt Ulrike, ob sie ein Glas Wasser möchte und sagt: „Sagen Sie es mir, dann können Sie gleich weiterfahren. Wir wissen es doch sowie so gut wie …“ Ulrike will fast alles sagen, zögert aber noch. Die Zöllnerin setzt nach: „Wenn sie nicht kooperieren, eröffnen wir ein Bußgeldverfahren gegen Sie, weil Ihr Mann mehrfach sagte, dass die 9.500 € unter dem Sitz nicht ihm gehören würden, also folglich Ihnen gehören, Sie also mit mehr als 19.000 € ohne schriftliche Anmeldung hier die Grenze passieren wollten und zudem auf unsere Fragen das Mitführen von Bargeld mehrfach fälschlicherweise verneinten.“ Ulrike ist sehr verunsichert. Sie will nur weg. Endlich Schluss mit dieser inquisitorischen Fragerei. Sie ist das auch nicht gewohnt. Sie hat Angst. Und eigentlich scheint die Zöllnerin ganz nett zu sein. Und hat sie nicht angeboten, dass sie nun weiterfahren könnten, wenn sie kooperiere? Und dass sie sowieso schon alles wissen? Und dass sie kein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen sie durchführen würden? „Also gut“, sagt Ulrike. „UBS AG in Zürich. Wir brauchen das Geld für den Umbau, die Dachgaube.“ Klaus schnaubt vor Wut.