o Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, § 6 a Abs. 4 UStG und erhöhte Sorgfaltspflichten bei diesen Konstellationen
Der Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, § 6a Abs. 4 UStG ist ggf. ein wichtiger Rettungsanker. Durch den Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a Abs. 4 UStG ist die Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 UStG doch noch zu gewähren, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Es handelt sich also hier genau genommen um einen besonderen Vertrauensschutz für deutsche gutgläubige Lieferer zur Vermeidung unbilliger Härten. Scheitert dieser Rettungsanker auch, scheint eine Steuerhinterziehung vorzuliegen, weil Sie dann zu Unrecht die Steuerbefreiung geltend gemacht haben. Die steuerliche Verteidigung ist also auch hier eng mit der steuerstrafrechtlichen Verteidigung verknüpft. Die Anerkennung der Umsatzsteuerfreiheit lässt den Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung entfallen.
Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Gutglaubensschutzes bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6 Abs. 4 UStG ist, dass 1. die unrechtmäßigen Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und 2. die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns durch den inländischen Lieferer nicht hätte erkannt werden können.
Dazu muss der Lieferer in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreifen, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung führt. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten und für seine Gutgläubigkeit liegen beim inländischen Lieferer. Denn dieser beruft sich auf die Vertrauensschutzregelung und muss folglich wohl schon aus dem Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Gutglaubensschutzes bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6 Abs. 4 S. 1 UStG nachweisen.
Aus Sicht des betroffenen Steuerpflichtigen ist das eine schwierige und teilweise anstrengende Position, da das Finanzamt immer nur bestreitet oder die Auffälligkeiten, die ihm hätten auffallen müssen und die das Finanzamt nach monatelanger oder jahrelanger Prüfung herausgeschält hat, ihm damals bei seiner täglichen Arbeit angeblich hätten auffallen können oder müssen. Dabei muss man natürlich sorgsam darauf achten, was realistischerweise einem Unternehmer in der vergleichbaren Lage hätte auffallen können oder müssen. Die Messlatte ist also, was ein ordentlicher Kaufmann in einer vergleichbaren Situation alles beachtet hätte. Die betroffenen Steuerpflichtigen, die vielleicht als etwas weniger ordentlich sind, als der sonst so sorgfältige und gewissenhafte Kaufmann, bekommen hier also eher Schwierigkeiten mit der Anerkennung des Gutglaubensschutzes bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG.
Prüfungsebenen nach BFH
Nach der Rechtsprechung des BFH gibt es drei Möglichkeiten den Nachweis zu führen, dass die Ware tatsächlich zum Erwerber ins EU Ausland verbracht wurde: Auf der 1. Stufe wird geprüft, ob der Beleg- und Buchnachweis gemäß den Regeln der USTDV erbracht ist. Ist dies der Fall, ist kein weiterer Nachweis erforderlich, dass die Ware tatsächlich beim Erwerber angekommen ist. Es reicht dann vielmehr der Anscheinsbeweis aufgrund des Beleg- und Buchnachweises. Ist dieser Nachweis in Form des Anscheinsbeweises nicht erbracht, muss auf der 2. Stufe im Festsetzungsverfahren geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit aufgrund der objektiven Beweislage erfüllt sind. Gelingt auch dieser Beweis nicht, ist auf der 3. Stufe die Steuerfreiheit aufgrund des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG im Festsetzungsverfahren zu prüfen. So gesehen ist der Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ein wichtiger Rettungsanker, wenn die ersten beiden Ebenen versagt haben.
Fälle, indenen durch den Buch- und Belegnachweis die Lieferung zum Erwerber unstreitig nachgewiesen ist, kommen zu mir als Anwalt im streitigen Steuerrecht und Steuerstrafrecht nicht. Zu mir kommen die Fälle der 2. und 3. Stufe. Meist sind es die Rettunsgankerfälle, in denen es um den Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6 a Abs. 4 Satz 1 UStG geht.
Gedanklicher Prüfungsansatz: Durchprüfung der 3 Stufen
Hier bearbeite ich immer wieder Fälle mit innergemeinschaftlichen Lieferungen und der Fragestellung, was der Buch- und Belegnachweis erfordert, ob er nicht vielleicht doch noch erfüllt ist, und falls nein, ob die beiden anderen Stufen die Umsatzsteuerfreiheit gewähren. Kurzum: natürlich prüfe ich als Abwehrspezialist alle 3 Stufen. Vielleichtwar ja das Finanzamt auch auf der ersten Stufe zu streng und hat diese zu Unrecht abgelehnt.
Hier liefert also ein deutscher Unternehmer an andere Unternehmer (Erwerber) in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Diese Fälle sind häufig fehleranfällig. Die Finanzverwaltung beanstandet teilweise kleinste Fehler, Unkenntnisse oder Nachlässigkeiten mit der Versagung der Umsatzsteuerfreiheit. Die Versagung des Vorsteuerabzugs nach § 25 f UStG ist bei Missbrauschfällen ebenfalls möglich. Diese Fälle sind für die Betroffenen meist existenzgefährdend. Die Finanzbeamten eröffnen hier häufig Steuerstrafverfahren. Schlaflose Nächte sind für die Betroffnen die Folge. Hier brauchen Sie mich, Dr. Jörg Burkhard als Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, als Spezialisten im Steuerstrafrecht, gleichgültig ob in Franfurt, Wiesbaden, Rhein-Main oder bundesweit.
Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
„… 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
- der Abnehmer ist
- a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
- b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
- c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
- der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.”
Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.
Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen:
„… 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
- durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
- durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
- in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.”
Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).
Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
„… 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.”
Nachweispflichten des Unternehmers
Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen. Dies bedeutet im Klartext, dass selbst kleine Unklarheiten oder Fehler zur Versagung des Umsatzsteuerfreiheit führen. Dann ist selbst dann, auch wenn der Unternehmer 100 % sicher ist, dass er zwar an anderen Unternehmen im EU Ausland geliefert hat, die Lieferung aus Sicht der Finanzverwaltung umsatzsteuerpflichtig zu behandeln. Allein wenn nur der Nachweis fehlt oder dieser aus Sicht der Verantwortung nicht problemlos anhand der Belege und der Buchführung aus sich heraus verständlich unklar ist, die Lieferung nicht umsatzsteuerfrei. Das klingt schon irgendwie hart und ungerecht, wenn doch tatsächlich alle Voraussetzungen einer umsatzsteuerfreien Lieferung vorliegen, lediglich Formalien fehlen oder bestritten sind. Die Finanzverwaltung ist hier aber sehr hart und pingelig.
Der BFH korrigiert das zum Teil: Trotz derartiger formeller Nachweismängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).
Grundsätzlich hat nach Auffassung der Finanzverwaltung allein der Unternehmer die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu tragen. Die Finanzverwaltung ist nicht an seiner Stelle verpflichtet, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nachzuweisen. Die Finanzverwaltung ermittelt hier auch nicht weiter. Beweisanträgen des Steuerpflichtigen folgt sie nicht. Insbesondere ist die Finanzverwaltung nicht verpflichtet, auf Verlangen des Unternehmers ein Auskunftsersuchen an die Finanzverwaltung im Zuständigkeitsbereich des vermeintlichen Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu stellen (vgl. EuGH-Urteil vom 27.09.2007, C-184/05, Twoh International, BStBl II S. 83).
Buch- und Belegnachweis
Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen, ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 und 2 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn – trotz der Nichterfüllung, der nicht vollständigen oder der nicht zeitnahen Erfüllung des Buchnachweises – auf Grund der vorliegenden Belege und der sich daraus ergebenden tatsächlichen Umstände objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Die Erbringung des Buch- und Belegnachweieses nach §§ 17 a und c UStDV ist nicht mehr materielle Voraussetzung für die Lieferung. Damit kann ein zweifelsfreier Belegnachweis auf andere Weise (etwa durch Zeugenaussagen) Mängel beim Buchnachweis heilen.
Andere Nachweis zählt nach Auffassung der FinVerw nicht, wenn Missbrauchseinbindung besteht
Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG aber dazu, die Identität des Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht auf Grund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Urteile vom 17.02.2011 – V R 30/10, BStBl II S. 769, und vom 11.08.2011 – V R 19/10, BStBl II 2012 S. 156, sowie EuGH-Urteil vom 07.12.2010, C-285/09, R., BStBl II 2011 S. 846). Das Gleiche gilt, wenn sich ein Unternehmer wissentlich an einem „strukturierten Verfahrensablauf“ beteiligt, der darauf abzielt, die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat durch Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung zu verdecken (vgl. BFH-Urteil vom 11.08.2011 – V R 19/10, a. a. O.).
Gelangensbestätigung
Sind also die Nachweispflichten nicht erfüllt oder bestehen an der Beleglage erhebliche Zweifel oder erscheint die Gelangensbestätigung als nicht wirksam oder nicht korrekt oder handelt es sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen des liefernden Unternehmers bei dem Erwerber um einen missing trader, gibt es zwei Fragen zu klären: 1) greift die Gutglaubensregelung nach § 6 a Abs. 4 UstG zugunsten des Liefernden oder 2) ist der Liefernde bösgläubig und haftet er in der Lieferkette nach § 25 f UStG?
Gutglaubensregelung
Hier soll die Gutglaubensregelung im Vordergrund der Betrachtung stehen:
Nach § 6a Abs. 4 UStG (=Gutglaubensregelung) ist eine Lieferung als steuerfrei anzusehen, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, wenn
- die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und
- der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.
Die Inanspruchnahme des Vertrauensschutzes nach § 6 a Abs. 4 UStG kommt nur dann in Betracht, wenn der Unternehmer einen vollständigen Buch- und Belegnachweis vorweisen kann. Fehlt also die Gelangensbestätigung kann er keinen guten Glauben haben. Es ist daher wichtig, für jede Lieferung oder für jeden Abholfall eine Gelangensbestätigung in der Buchführung zu haben. Hier ist also die akribische Buchführung über alle Belege (USt-ID-Abfrage vor Vertragsschluss, Kaufvertrag, Rechnung, Lieferschein bzw. Übergabequittung, Gelangensbestätigung) zu führen und eine vollständige geordnete Ablage pingeligst zu beachten.
Danach ist zu prüfen, ob der Unternehmer wie ein ordentlicher Kaufmann gehandelt hat. Der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ist kein individueller, sondern ein objektiver Sorgfaltsmaßstab. Die Frage ist also, was ein objektiver idealisierter ordentlicher Kaufmann gemacht hätte.
Verschiedene Umstände können den Unternehmer zudem zu einer erhöhten Sorgfalt verpflichten: dies sind beispielsweise:
Hochwertige Liefergegenstände und Barverkäufe
Bei hochwertigen Liefergegenständen verlangt die Finanzverwaltung stets besondere Vorsicht des Kaufmanns.
Barverkauf insbesondere Autoverkäufe (Abschnitt 6a.8 Abs. 7 Satz 1 UStAE).
Der BFH in der Entscheidung vom 14.11.12, XI R 17/12, Rn 37: „Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012 3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt.
Bekämpfung von Umsatzsteuer-Mißbrauch
Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 —Gemeente Leusden und Holin Groep—, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 —R—, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 —Mahagében und Dávid—, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 —Mecsek-Gabona—, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 —Teleos u.a.—, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103).
Unternehmer muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um nicht in eine Hinterziehungskette hineingezogen zu werden
Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).“
Anforderungen bei Abholungen durch einen Vertreter
Abholung durch einen Vertreter (Abschnitt 6a.8 Abs. 7 Satz 3 UStAE): klar und eindeutig und leicht nachvollziehbare und leicht überprüfbare Vollmachtskette.
Vorsicht bei unklaren oder widersprüchlichen Angaben des Erwerbers
Der Abnehmer macht unklare oder in sich widersprüchliche Angaben zu seiner Identität. Aber ab wann sind die Angaben widersprüchlich? Ist ein Verschreiber oder ein Versprecher, der sich eingeschlichen hat, gerade auch bei den Sprachschwierigkeiten wirklich Anlass, an der Identität des Vertragspartners zu zweifeln? Und wie können die Zweifel beeitigt werden? Jahre später behauptet der Fahnder, aufgrund eines Schreibfehlers im Briefbogen oder in der Vollmacht hätten Zweifel an der Ausstelleridentität aufkommen müssen? Dabei ist der Fehler niemandem aufgefallen … ?
Schwierigkeiten mit dem Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG
Hier ist es schwierig mit dem Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6 a Abs. 4 UStG, weil natürlich die Finanzverwaltung hier auf diesen Fehlern und vermeintlichen Auffälligkeiten herumreiten wird. Ein ordentlicher Kaufmann hätte dieser Schreibfehler erkannt, wird die BP oder Steuerfahndung behaupten. Aber stimmt das denn wirklich? Lässt sich nicht genauso gut auch argumentieren, dass dann, wenn der Steuerpflichtige hier Täter gewesen wäre er doch auf richtige Schreibweisen und die Vermeidung von Schreibfehlern im Briefbogen geachtet hätte? Passieren solche Flüchtigkeitsfehler oder Lesefehler nicht nur dem, der arglos ist und dann eben nicht 100-prozentig genau einen Eingangs-Briefbogen oder eine gelangen Bestätigung nicht mit Argusaugen liest? Sind also solche von der BP oder Fahndungsprüfung entdeckten Schreibfehler nicht eher bei dem arglosen und sorglosen Händler zu vermuten?
Wird man hier nicht vielmehr genau entgegengesetzt den Behauptungen des Finanzamtes argumentieren müssen, dass nur der, der völlig arglos gegenüber dem Eingangs- Briefbogen ist, diesen allenfalls überfliegt und eben nicht akribisch penibel genau untersucht? Sprechen dann nicht solche Fehler entgegen den Annahmen das Finanzamtes gerade für eine Gutgläubigkeit das liefernden Unternehmers? Ist der liefernde Unternehmer dann tatsächlich Mittäter, wie die Finanzverwaltung vermutet oder nicht vielmehr Opfer?
überzogene oder beliebig hohe Anforderungen an das Leitbild des ordentlichen Kaufmanns?
Und stimmt das Leitbild, was die Finanzverwaltung aufzeichnet, von dem ordentlichen Kaufmann tatsächlich? Wer von den ordentlichen Kaufleuten überprüft eine Eingangsrechnung akribisch genau auf Schreibfehler? Und wer würde eine Eingangsrechnung beanstanden, bloß weil diese aus dem Ausland kommt und nach deutschen Vorstellungen vielleicht nicht einer DIN Norm für deutsche Briefbögen entspricht. Und wer überprüft schon via Google oder Google Earth die Anschrift seines Geschäftspartners? Woher wissen wir also anders formuliert, was der ordentliche dort deutsche Kaufmann macht? Ist das nicht eine gedachte Kultfigur, die je nach Vorstellungen des Finanzbeamten 100 % akkurat und mehr Verwaltungsbeamter als Kaufmann ist? Können hier nicht bei einer solchen gedachten Kultfigur die Gründlichkeit und die Prüfmöglichkeiten beliebig nach oben gedreht werden?
keine forensischen Erhebungen zum Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns
Statistische oder forensische Erhebungen, die der durchschnittliche Kaufmann einen solchen Fall behandelt, gibt es nicht und werden auch rein vorsorglich gar nicht zugrundegelegt. Es wird vielmehr ein Muster-Kaufmann an Ordentlichkeit mit Heiligenschein und unendlicher Zeit und Akribie gezeichnet, der natürlich solche Fehler gefunden hätte. So gesehen sind vor dieser heroischen Kaufmanns-Kultfigur natürlich alle normal arbeitenden anderen Kaufleute bestenfalls auch nur halb sorgfältig. Die Anforderungen indirekt beliebig nach oben geschraubt werden, der als Vergleichsgröße ihm jener heroische Kaufmanns- Kultfigur immer entgegengehalten wird, die im Zweifel immer besser, gründlicher, sorgfältiger ist als er selbst.
Dann ist das so eine recht schwierige Sache mit dem Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG, wenn hier dem Normalkaufmann diese heroische Kaufmanns- Kultfigur entgegengehalten wird, an der unser Steuerpflichtiger natürlich immer scheitern muss. In diesem Dilemma brauchen Sie unbedingt Rechtsanwalt Dr. Jörg Burkhard, der Ihnen hier weiterhilft und für Ihre Rechte gegenüber der Finanzverwaltung zumindest bei der Geltendmachung des Gutglaubensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 6 a Abs. 4 UStG kämpft.
Auffälligkeiten bei Unterschriften
Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift des Abholers auf der Empfangsbestätigung und dem vorgelegten Pass müssen angeblich Zweifel beim deutschen Unternehmer hervorrufen (BFH vom 14.11.2012, Xl R 17/12, Rz. 26: „Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.)“). Aber wer unterschreibt schon immer gleich? Und ab wann sind die Unterschiede so groß und auffällig, dass dies zu einem Misstrauen hinsichtlich der Ausstelleridentität führen muss?
Achtung bei zwischengeschalteten Dritten
Die Geschäftsanbahnung erfolgt durch einen vom Abnehmer zwischengeschalteten Dritten (BFH v. 14.11.2012, XI R 17/12, Rz. 35, 39).
Schriftliche Bestellungen, Korrespondenz, Pflichtangaben auf den Schreiben, Üblichkeiten: schriftliche Bestellung ab einem bestimmten Warenwert
Fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs (BFH v. 14.11.2012, XI R 17/12, Rz. 39). Häufig verlangen Prüfer umfangreiche Bestellungen, Kostenvoranschläge und andere Korrespondenz. Dass der kaufmännische Rechtsverkehr vielleicht schnell, nicht so formell und bürokratisch abgewickelt und schnell Ware gegen Geld gewechselt wird, ist Gift für die Beleglage, die das Finanzamt dann im Nachhinein für die von ihm in Frage gestellten Fälle wünscht. Daberi übersieht die Finanzverwaltung teilweise, dass gerade wegen der Sprachschwierigkeiten mit Erwerbern in anderen EU-Mitgliedsländern die Kommunikation allein wegen der Sprachbarrieren eingeschränkt ist, keiner sich blamieren will, wenn er wechselweise die Sprache des anderen nicht beherrscht und nur umständlich über den Sprachcomputer oder „mit Händen und Zeichen“ kommuniziert werden kann.
Die Kontaktaufnahme zum Abschluss des Liefergeschäfts erfolgt nicht über den Sitz des angeblichen ausländischen Abnehmers (BFH v. 25.04.2013, V R 28/11, Rz. 31).
Bei Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers
Bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers: BFH v. 14.11.2012, XI R 17/12, Rn 38: Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.
qualifizierte Umsatzsteuer-ID-Abfrage
Die einfache Abfrage hat keinen Beweiswert. Nur die qualifizierte USt-ID-Abfrage begründet einen Gutglaubensschutz. Bei wiederholten Geschäftskontakten oder in einer Dauer-Geschäftsbeziehung genügt die einmalige Abfrage zu Beginn der Geschäftsbeziehung aber auch nicht: Die Nichtabfrage der USt-ldNr. des Leistungsempfängers zeitnah zur ersten innergemeinschaftlichen Lieferung und darauffolgend in regelmäßigen Abständen während der laufenden Lieferbeziehung kann nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen, die den Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG ausschließt (BFH-Urteil v. 11. März 2020, Xl R 38/18). Es muss also vor jeder neuen Vertragsschluss die USt-ID-Nr. abgefragt werden.
Nur bei vier mal „a“ ist die Identität und Existenz des Vertragspartners unter der abgefragten Anschrift bestätigt. Übrigens: Fehleingaben und mehrfaches Probieren erfasst das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Es sieht zumindest komisch oder merkwürdig aus, wenn bei Abfragen 3 oder 4 mal die Anschrift eingegeben wird, bis sie endlich stimmt und in der qualifizierten Abfrage das begehrte 4 mal a erscheint. So mancher Fahndungsprüfer argumentiert dann allerdings, dass die Schreibweise nicht klar war und daher so lange probiert wurde, bis es passt. Daraus zieht mancher Fahnder den Schluss, dass der Käufer (Erwerber) dem Verkäufer nicht oder nicht hinreichend bekannt war.
gültige USt-IDNr. als Nachweis der Lieferung für sein Unternehmen (B2B)
Die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist erfüllt, wenn der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten, im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. auftritt (vgl. BFH-Beschluss vom 05.02.2004 – V B 180/03, n. v.). Denn hiermit gibt der Abnehmer zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei für seinen Betrieb erwerben will (B2B). Er gibt damit zugleich weiter zu erkennen, dass der Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat den dortigen Besteuerungsvorschriften unterliegt. Es ist nicht erforderlich, dass der Erwerb des Gegenstands dort tatsächlich besteuert wird. Insoweit gibt es kein Korrespondenzprinzip ist Steuerrecht.
Häufig allerdings führen gerade diese Fälle der fehlenden Wechselseitigkeit (Korrespondenz) zu dem Aufgriff in Deutschland: Denn wenn im Ausland aufgrund der zusammenfassenden Meldungen die Erwerbsbesteuerung bei dem Erwerber geprüft wird und der bestreitet oder hat nicht die Erwerbsbesteuerung durchgeführt, ist genau die fehlende Wechselseitigkeit Anlass für Ermittungen bei dem deutschen Unternehmer.
Hier können dann auch noch die Anwendung von § 25 f UStG zur Versagung des Vorsteuerabzugs beim deutschen Unternehmer führen.
Hinweis: ab dem 01.01.2020 ist die gültige USt-ldNr. des Abnehmers materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung.
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