Peter ist der Feinkosthändler mit Partyservice in einer Großstadt.
Sein Geschäft liegt an einer belebten Straße in der Fußgängerzone. Schon früh am Morgen sind zahlreiche Tische belegt. Zeitungen liegen aus. Es riecht nach leckerem, frisch aufgebrühten Kaffee, frisch gepressten Grapefruit- und Apfelsinensäften, frisch gebackenen Hörnchen und cross gebratenem Speck und Frühstückseiern . Einige Gäste frühstücken draußen, andere drinnen.
Die großen Glasschiebetüren zur Straße sind aufgeschoben.
Frische Luft durchströmt das Lokal und nimmt den herrlichen Duft mit hinaus in die Fußgängerzone. Zwischen 10 und 11 kommt so mancher zu einem zweiten Frühstück, oder auf einen Sekt mit ein paar selbstgemachten Pralinen und dann ab 12, so zur frühen Mittagszeit füllen sich dann restlos alle Tische auch die vor dem Lokal.
Wer hier mehr als 2 Plätze braucht, bestellt sinnvollerweise vor. Blaue ausladende Marktschirme schützen die Gäste vor dem Lokal vor der warmen Spätsommersonne. Selbst bei schlechterem Wetter sind in der Fußgängerzone fast alle Tische vor dem Lokal belegt. Peters Laden ist bekannt und beliebt. Immer gut besucht. Häufig werden Schnittchen, Canapees, fingerfood, Desserts, Kuchen, Früchte und Schokoladenbrunnen bei ihm auch für events bestellt. Sei es für Hochzeiten, festliche Anlässe, oder einfach zum Mittagessen im Club oder zum Geschäftsessen im Büro oder im stilvollen Ambiente im Park, im Schloss, im Museum oder anderen Räumlichkeiten.
Die Speisekarte ist voller Köstlichkeiten.
Der Mittagstisch bietet Mediterrane Hähnchenpfanne im gedünsteten Paprikabett mit Risotto, Schwarzer Heilbutt mit Radiccio & Pinienkernen und Erdbeer-Riesling Balsamico auf Basmati-Reis, Fein mariniertes Schweinekotelette mit grünen Bohnen im Speckmantel und Bratkartoffeln an Gänsefett gebraten, Berliner Leber mit Kroketten und gemischtem Salat, Canneloni mit Ricotta und Spinat, hausgemachte Kartoffelpuffer mit hausgemachtem Apfelmus und Zimt und andere Köstlichkeiten.
Aber auch die Desserts haben es in sich: Tiramisu, Creme Caramel, Panna cotta mit echter Vanille, Orangencreme mit Camparisauce, Mousse au Chocolat mit Schokoraspeln und Birnenscheibchen, Obstsalat mit frischen Beeren und Vanilleeis, Mangosorbet mit Ingwer und Rosmarin, Erbeersouflee mit rotem Pfeffer und Aftereight-Minze auf frischer selbstgebackener Waffel, Rhabarber-Erdbeer-Mousse an Vanille-Burbon-Eis, selbstgemachte Pralinen usw.
Viele der Leckereien variieren täglich, einige sind nicht auf der Tageskarte, sondern nur auf Tafeln als besondere Köstlichkeiten angepriesen.
Die Betriebsprüferin steht vor dem Restaurant und überlegt, ob sie sich eine Kleinigkeit gönnt. Nächste Woche beginnt die Prüfung. Noch kennt Peter sie nicht. Sie steht als Passantin in der Fußgängerzone und schaut sich die Tische im Lokal und vor dem Lokal an. 28 Tische innen, 16 außen, zählt sie. Das geht bei ihr ganz automatisch.
Immer ist sie mit dem Betriebsprüferauge und dem Prüferinstinkt unterwegs.
Ihr Freund lästert schon – halb im Spaß und doch mit einem leicht genervten Unterton, dass sie die Prüfmanie habe und nie abschalten könne. Immer schaue sie sich Kassenbons an, wenn sie mal zusammen essen gehen. Immer fallen ihr Fehler und Merkwürdigkeiten auf. Nie könne sie entspannt mal privat sein. Immer sammle sie dann solche Belege ein, die ihr auffielen und schreibe interne Prüfungsvorschläge.
Letztens, als sie Samstagabend nur eine Pizza essen waren, hatten sie fast Krach gekriegt. Ihr Freund sie „Sherlock“ nannte, als sie feststellte, dass sie keinen ordnungsgemäßen Kassenausdruck, sondern nur eine Zwischenrechnung als angeblich korrekten Kassenbon erhalten hatten.
Ob sie das noch lange miteinander aushalten würden?
Er war ja eigentlich ganz nett, sah umwerfend aus und war sehr zärtlich. Aber er kam aus einer anderen beruflichen Welt. Er war Geiger am Staatstheater. Hatte kein wirkliches Verständnis für ihren Beruf und ihren Spürsinn, ihre Aufdeckungs- und Ermittlungsambitionen. Sie wollte mal zur Steufa. Sie nutzt die Betriebsprüfung als Sprungbrett für den Weg in die Steuerfandung.
BP ist besser als der langweilige Innendienst.
Da kommt man immer raus. Das ist schon ganz gut. Aber Steufa findet sie noch viel prickelnder: Observationen, Vorfeldermittlungen, Fahndungseinsätze, Beschlagnahmungen, Festnahmen….. Noch eins, zwei Jahre, dann würde sie versuchen in die Steuerfahndung versetzt zu werden. Das war noch spannender als die Betriebsprüfung – zumindest aus ihrer Sicht.
Sie verdrängte die Gedanken an ihn. Was wollte sie … ach ja, sie schaute sich die volle Theke an, die tollen Leckereien hinter der Glasscheibe … überlegte, ob sie sich eins, zwei belegte Brötchen leisten konnte oder wollte und lies es dann. Sicher bekäme sie das eine oder andere angeboten, wenn sie als Prüferin hier wäre. Aber sie durfte nur Wasser, Kaffee und eine trockene Scheibe Brot annehmen.
Drei Wochen später …
Die Prüferin brütet über Peters Buchführung. Erwartungsgemäß sind ihr Köstlichkeiten angeboten worden, die sie stets ablehnte. Nur Kaffee und Wasser nahm sie an. Ansonsten isst sie ihre selbstgeschmierte Stulle oder Obst, das sie sich von zu Hause mitbringt. Sie prüft schon seit ein paar Tagen Peters Bestelllisten. Die sind offenbar nur zum Teil gebucht.
Offenbar macht Peter hier einiges schwarz. Sie sieht Durchschläge von Bestellungen, die bei der Erlöserfassung sich nicht finden. Peter, Peter, denkt sie. Sie hat den Fall gestern schon mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung durchgesprochen. Sie soll die Bestelllisten kopieren, Beweismittel sichern. Sie lässt sich in Peters Betrieb zahlreiche Bestelldurchschriften kopieren, 10 oder 12, das genügt, denkt sie. Das ist genug Beweismaterial. In ein paar Wochen, wenn sie mit der Steufa wiederkommt, wird sie den Rest beschlagnahmen.
Es vergehen so noch 3 Wochen.
Immer wieder kommt sie eins, zwei Mal pro Woche und prüft weiter. Dann prüft sie wieder im Amt oder bei anderen Firmen. Sie hat 7 Prüfungen gleichzeitig. Mal muss sie in der einen auf Unterlagen warten oder es geht aus sonstigen Gründen nicht voran. Dann wieder hat sie eine Prüfung, da prüft ein Prüferkollege parallel einen Geschäftspartner.
Es sieht so aus, als seien da Scheinrechnungen gelaufen.
Deswegen werden in den beiden betroffenen Betrieben parallel Prüfungen durchgeführt um festzustellen, wer beschissen hat. Hier muss sie gerade auf die nächsten Informationen von ihrem Kollegen warten, deswegen geht es da nicht weiter. Dann prüft sie wieder bei Peter. Sie befragt ihn zu den Bestelllisten. Befragt auch die Restaurantsleiterin, die das System auch kennen muss. Aber sie verrät sich und ihren Verdacht nicht. Sie protokolliert aber jede Aussage der Befragten fein säuberlich…
Nachdem sie heute noch mal die Kasse auf Auffälligkeiten sich angesehen hat, fällt ihr auf, dass nach Chi² die Zahlen auffällig gut verteilt sind. Keine Lieblingszahl? Keine Managerstornos? Ob hier die Zahlen zu gut aussehen? Ob hier eine faustdicke Manipulation vorliegt? Sie wird jedenfalls die Kollegen von der Steufa bei der Einsatzbesprechung darauf hinweisen, dass die nach einer Manipulationsdiskette bzw. einer Zappersoftware oder einem Stick unbedingt suchen müssen.
Sie wird gleich heute bei der Steufa vorbeigehen und das mit den Kollegen besprechen… Sie verabschiedet sich dann nachmittags von Peter mit der Erklärung, dass sie jetzt erst mal Weiterbildung mache und dann in Urlaub ginge und sich danach wegen eines neuen Termins bei ihm wieder zur Fortsetzung der Prüfung melden würde …
9 Wochen später:
Einsatzbesprechung im Finanzamt: der SGL der Steuerfahndung, 8 Fahnder, der SGL der BuStra, ihr Chef und sie und zwei weitere Betriebsprüfer im Besprechungszimmer des FA. Die Fälle der Kollegen sind schon besprochen. Dort werden morgen und am Mittwoch die Fahndungen jeweils zuschlagen. Die Durchsuchungsbeschlüsse sind bereits unterschrieben da.
Jetzt ist ihr Fall dran. Peter. Bei ihm soll am Donnerstag die Fahndung zuschlagen. Am besten um 7 Uhr. 8 Fahnder und sie. Das Wiedersehen wird sich Peter anders vorgestellt haben… Sie besprechen noch einmal die Örtlichkeiten. Pläne und Bilder liegen vor ihnen auf dem Tisch.
Die Anfrage beim Bauamt mit den Plänen und vom Gewerbeamt die Konzession mit den Bestuhlungen bzw. beantragten und genehmigten Tischzahlen. Sie beschreibt, dass Peter meist Mittwochs in der Großmarkthalle einkauft. Donnerstags ist er normal da. Spätestens um 6:30 Uhr. Sie beschreibt, wo sie die Sticks oder Disketten vermutet: in seinem großen Schreibtisch oder am Schlüsselbund: da hing so eine Figur.
Das könnte ein Stick sein. Naja, sie werden auf alle Fälle alles mitnehmen, was Aufschluss über Peters Hinterziehungspraktiken geben kann. Sie werden mit ihrem roten Ford Transit und einigen Umzugskartons anrücken und alles beschlagnahmen, was steuerlich relevant ist. In einem zweiten Schritt werden sie den Restaurantleiter und die Buchführungskraft von Peter vernehmen. Die meisten haben so viel Angst, dass sie alles problemlos gestehen bzw. aussagen. Kaum einer will einen Anwalt. Kaum einer murrt oder mauert. Die meisten wollen es hinter sich kriegen … und gestehen voreilig viel und bereuen es hinterher.
Donnerstag:
die Fahndung läuft plangemäß. Sie beschlagnahmen 98 Stehordner, zahlreiche lose Unterlagen. Peter guckte etwas irritiert, als er sie erkannte. Er fragte, was das sollte und warum sich ein Verdacht der Steuerhinterziehung gegen ihn ergeben sollte … sie erklärte ihm die unverbuchten Bestellungen. Er widersprach ihr mehrfach.
Der dazugerufene Anwalt wollte offensichtlich, dass Peter schweigt, doch der kam immer wieder mit der Aussage, dass das ein Missverständnis sei – und zwar eines der Prüferin. Warum sie ihn nie gefragt habe, Sie habe den Ablauf der Bestellzettel nicht verstanden. Das was sie als hinterzogen ansehe, sei alles verbucht. Diese von ihr gefundenen Laufzettel hätten nichts mit weiteren Aufträgen, nicht versteuerten Bestellungen zu tun, sondern es wären interne Arbeitsanweisungen für natürlich gebuchte Bestellungen. Schwarze Umsätze gäbe es bei ihm nicht, betonte Peter. Die Prüferin war zwar nachdenklich geworden, aber es gab kein Zurück mehr.
Sie hatte das kurz mit dem Fahndungsleiter durchgesprochen – aber jetzt lief die Fahndung nur noch weiter. Jetzt wurde wie üblich gesucht und beschlagnahmt. Der Fahndungsleiter sagte zu ihr leise: „Mädchen, jetzt nur nicht nervös werden. Lass Dich nicht verunsichern. Wir ziehen das jetzt durch. Irgendwas wird sich doch finden lassen und wenn nicht, hat der halt Glück gehabt. Entschuldigen werden wir uns sowieso nicht. Dann war er nur besser vorbereitet als wir und hat diesmal echt Glück gehabt. Dann musst Du nur weitersuchen, bis Du was findest. Die hinterziehen doch sowieso alle.“
5 Tage später:
Eine Bestellung des Anwalts mit dem Antrag auf Akteneinsicht geht bei der BuStra ein. Parallel dazu geht ein Schreiben bei dem Amtsgericht mit dem Inhalt einer Beschwerde ein: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung sei nicht oder nicht korrekt vorgenommen worden.
Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig, weil die Besteuerungsgrundlagen leichter und schneller auch ohne Durchsuchung und Beschlagnahme hätten ermittelt werden können und müssen.
Die Befragung des Inhabers hätte – wenn die Prüferin nur mal gefragt hätte – ergeben, dass es keine zusätzlichen, schwarz vereinnahmten Bestellungen gäbe. Diese weiteren Bestellzettel seien nur Arbeitsanweisungen und innerbetriebliche, organisatorisch notwendige Aufträge gewesen. Dies sei notwendig, wenn der Betrieb auf Volllast arbeite, und nicht alle in die Küche passten.
Dann würden sie auf die alte Küche im ersten Stock neben den Aufzügen ausweichen. Der Originalauftrag bleibe bei den Vertragsunterlagen bzw. in der neuen Küche, die die Gesamtkontrolle über die Speisenerstellung habe. Von hier aus würden dann die kleineren Teilaufträge für die alte Küche im ersten OG herausgeschrieben, ohne dass es sich um neue Aufträge von Kunden drehte.
Es kommt zu internen Besprechungen im Besprechungszimmer der Betriebsprüfung: 2 Fahnder, darunter der Fahndungsleiter mit seinem sein SGL, die BuStra mit 2 Mann, auch der Leiter der Betriebsprüfung und die Prüferin . Stimmt das, was der Anwalt vorträgt? Kann das sein? Das Amtsgericht hat die 19-seitige Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss zur Stellungnahme der BuStra zugeleitet.
Die Prüferin ist verunsichert.
„Kann schon sein“, sagt sie etwas kleinlaut. „Ich kann das nicht ausschließen. Sah für mich nach schwarzen Umsätzen aus. Ich wollte nicht, dass er etwas merkt und dann vielleicht Beweise vernichtet … Was machen wir jetzt?“ „Dagegen halten“, sagt der SGL der BP und der der Steufa nickt zustimmend. „Nur jetzt nicht nachgeben. Irgendwas wird doch schon dran sein.“
Die Prüferin muss nur noch suchen, bis sie was findet.
Das gibt’s doch gar nicht, dass bei dem nichts zu finden ist…. . Was ist mit dem Stick oder einer Zappersoftware? fragt der SGl der BP die Steuerfahnder. „Negativ, nichts gefunden ..“, sagt der eine Fahnder. „Wollt ihr noch mal nachschauen..? fragt die Prüferin. „Nein, antwortet der Fahnder, wir haben keinen Ansatzpunkt …“ „Dann schau Dir halt noch mal das Fahrtenbuch oder den Eigenverbrauch mal genauer an.
Vielleicht findest Du da was, wenn an den zusätzlichen Bestellungen nichts dran ist …“, sagt ihr Chef zu ihr. „Geh das ganze Programm durch … schau Dir auch noch mal die Kennzeichen der betrieblichen Fahrzeuge an:
- Gibt ein Nummernschild die Initialen oder Geburtstage der Ehefrau oder der Kinder wieder?
- Sind das Wunschkennzeichen, die ggf. die Fahrzeuge als Privatfahrzeuge enttarnen, die nur zum Schein als Betriebsfahrzeuge deklariert sind?
- Haben diese Fahrzeuge Firmenaufschriften, Ladeflächen usw.?“
- Was wenn der Durchsuchungsbeschluss nun wirklich aufgehoben wird, wie der RA fordert?
Der argumentiert, dass nur eine oder ein paar Fragen das Missverständnis der Prüferin aufgeklärt hätten und es immerhin Aufgabe der BP sei, den Sachverhalt zu erforschen und zu hinterfragen. Sie hätte hier nicht einfach eine Hinterziehung vermuten dürfen, sondern die Betriebsabläufe erfragen müssen.
Bei Überlastung der Küche sei es sogar für sie naheliegend gewesen, dass man intern ausweiche und die alte Küche habe sie doch schließlich bei der Betriebsbesichtigung gesehen und ihr sei erklärt worden, dass man hierhin im Bedarfsfall ausweiche.
- Müssen Sie nun alles zurückgeben?
- Wie sollen sie dann ermitteln?
- War dann alles umsonst?
Schlusssatz: natürlich ist die Geschichte frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.
Ähnliche Probleme? Fragen hierzu? Fragen im Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitgeberstrafrecht, Betriebsprüfungen, Zoll- und Steuerfahndungsverfahren? Dann rufen Sie jetzt an: 069 87005100