Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen – GDPdU – (BMF-Schreiben vom 16. Juli 2001 – IV D 2 – S 0316 – 136/01 -)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der Regelungen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (§ 146 Abs. 5, §147 Abs. 2, 5, 6, § 200 Abs. 1 AO und § 14 Abs. 4 UStG) Folgen- des:
I. Datenzugriff
Nach § 147 Abs. 6 AO ist der Finanzbehörde das Recht eingeräumt, die mit Hilfe eines Da- tenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Steuerpflichtigen durch Datenzugriff zu prüfen. Diese neue Prüfungsmethode tritt neben die Möglichkeit der herkömmlichen Prüfung.
Das Recht auf Datenzugriff steht der Finanzbehörde nur im Rahmen steuer licher Außenprüfungen zu. Durch die Regelungen zum Datenzugriff wird der sachliche Umfang der Außen- prüfung (§ 194 AO) nicht erweitert; er wird durch die Prüfungsanordnung (§ 196 AO, § 5 BpO) bestimmt. Gegenstand der Prüfung sind wie bisher nur die nach § 147 Abs.1AO auf- bewahrungspflichtigen Unterlagen.
Es ist jedoch erforderlich, die Prüfungsmethoden den modernen Buchführungstechniken anzupassen. Dies gilt um so mehr, als in zunehmendem Maße der Geschäftsverkehr papierlos abgewickelt wird und ab dem 1. Januar 2002 der Vorsteuerabzug aus elektronischen Abrechnungen mit qualifizierter elektronischer Signatur und Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz möglich ist.
Die Einführung dieser neuen Prüfungsmethode ermöglicht zugleich rationellere und zeitnähere Außenprüfungen.
1. Umfang und Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO
Das Recht auf Datenzugriff beschränkt sich ausschließlich auf Daten, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (steuerlich relevante Daten).
Die Daten der Finanzbuchhaltung, der Anlagenbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung sind danach für den Datenzugriff zur Verfügung zu halten.
Soweit sich auch in anderen Bereichen des Datenverarbeitungssystems steuerlich relevante Daten befinden, sind sie durch den Steuerpflichtigen nach Maßgabe seiner steuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu qualifizieren und für den Datenzugriff in geeig- neter Weise vorzuhalten.
Bei unzutreffender Qualifizierung von Daten kann die Finanzbehörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens verlangen, dass der Steuerpflichtige den Datenzugriff auf diese steuerlich relevanten Daten nachträglich ermöglicht. Das allgemeine Auskunfts recht des Prüfers (§§ 88, 199 Abs.1 AO) und die Mitwirkungspflichten des Steuerpflich tigen (§§ 90, 200 AO) bleiben unberührt.
Bei der Ausübung des Rechts auf Datenzugriff stehen der Finanzbehörde nach dem Gesetz drei Möglichkeiten zur Verfügung. Die Entscheidung, von welcher Möglichkeit des Daten zu- griffs die Finanzbehörde Gebrauch macht, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen; falls er- forderlich, kann sie auch mehrere Möglichkeiten in Anspruch nehmen:
a) Sie hat das Recht, selbst unmittelbar auf das Datenverarbeitungssystem dergestalt zuzugreifen, dass sie in Form des Nur-Lesezugriffs Einsicht in die gespeicherten Da- ten nimmt und die vom Steuerpflichtigen oder von einem beauftragten Dritten einge- setzte Hard- und Software zur Prüfung der gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen (Daten) nutzt (unmittelbarer Datenzugriff). Dabei darf sie nur mit Hilfe dieser Hard- und Software auf die elektronisch gespeicherten Daten zugreifen. Dies schließt eine Fernabfrage (Online-Zugriff) auf das Datenverarbeitungssystem des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde aus.
Der Nur-Lesezugriff umfasst das Lesen, Filtern und Sortieren der Daten gegebenen- falls unter Nutzung der im Datenverarbeitungssystem vorhandenen Auswertungs- möglichkeiten.
b) Sie kann vom Steuerpflichtigen auch verlangen, dass er an ihrer Stelle die Daten nach ihren Vorgaben maschinell auswertet oder von einem beauftragten Dritten ma- schinell auswerten lässt, um den Nur-Lesezugriff durchführen zu können (mittelbarer Datenzugriff). Es kann nur eine maschinelle Auswertung unter Verwendung der im Datenverarbeitungssystem des Steuerpflichtigen oder des beauftragten Dritten vor- handenen Auswertungsmöglichkeiten verlangt werden.
c) Sie kann ferner verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen auf einem maschi- nell verwertbaren Datenträger zur Auswertung überlassen werden (Datenträgerüber- lassung). Der zur Auswertung überlassene Datenträger ist spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Steuer- pflichtigen zurückzugeben oder zu löschen.
2. Umfang der Mitwirkungspflicht nach §§ 147 Abs. 6 und 200 Abs. 1 Satz 2 AO
Der Steuerpflichtige hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Rechts auf Datenzugriff zu unterstützen (§ 200 Abs. 1 AO). Im Einzelnen gilt folgendes:
a) Beim unmittelbaren Datenzugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a) hat der Steuerpflich- tige dem Prüfer die für den Daten zugriff erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und ihn für den Nur-Lesezugriff in das DV-System einzuweisen. Die Zugangs- berechtigung muss so ausgestaltet sein, dass dem Prüfer dieser Zugriff auf alle steu- erlich relevanten Daten eingeräumt wird. Sie um fasst u.a. auch die Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsprogramme. Enthalten elektronisch gespei- cherte Datenbestände andere, z.B. steuerlich nicht relevante personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis (§ 102 AO) unterliegende Daten, so obliegt es dem Steuer- pflichtigen oder dem von ihm beauftragten Dritten, durch geeignete Zugriffsbeschrän- kungen sicherzustellen, dass der Prüfer nur auf steuerlich relevante Daten de s Steu- erpflichtigen zugreifen kann. Die Zugangsberechtigung hat auch die Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsprogramme zu umfassen.
Das Datenverarbeitungssystem muss die Unver änderbarkeit des Datenbestandes ge- währleisten (§ 146 Abs. 4 AO; Abschnitt V des BMF-Schreibens zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) vom 7. November 1995, BStBl I S. 738). Eine Veränderung des Datenbestandes und des Datenverar- beitungssystems durch die Finanzbehörde ist somit aus geschlossen.
b) Beim mittelbaren Datenzugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe b) gehört zur Mithilfe des Steuerpflichtigen beim Nur-Lesezugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a Abs. 2) neben der Zurverfügungstellung von Hard- und Software die Unterstützung durch mit dem Datenverarbeitungssystem vertraute Personen. Der Umfang der zumutbaren Mithilfe richtet sich nach den betrieblichen Begebenheiten des Unternehmens. Hierfür können z.B. seine Größe oder Mitarbeiterzahl Anhaltspunkte sein.
c) Bei der Datenträgerüberlassung (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe c) sind der Finanz behörde mit den gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen (z.B. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne und externe Verknüpfungen) in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei Dritten befinden.
3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die Finanzbehörde hat bei Anwendung der Regelungen zum Datenzugriff den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies bedeutet u.a.:
a) Bei vor dem 1. Januar 2002 archivierten Daten kann sie beim unmittelbaren Daten- zugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a Abs. 1) und beim mittelbaren Datenzugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe b) nicht verlangen, dass diese Daten für Zwecke ihrer ma-schinellen Auswertung (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V. mit § 147 Abs. 6 AO) nochmals in das Datenverarbeitungssystem eingespeist (reaktiviert) werden, wenn dies mit unver- hältnismäßigem Aufwand für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. Dies kommt z.B. in Betracht bei fehlender Speicherkapazität, nochmaliger Erfassung der Daten, Archi- vierung der Daten außerhalb des aktuellen Datenverarbeitungssystems, Wechsel des Hard- oder Software-Systems. Müssen hiernach die Daten nicht reaktiviert werden, braucht der Steuerpflichtige auch nicht die für eine maschinelle Auswertung der betreffenden Daten erforderliche Hard- und Software zur Verfügung zu halten, wenn sienichtmehrimEinsatzist.Diesgiltauch,wenndieAufbewahrungsfrist(§ 147 Abs. 3 AO) noch nicht abgelaufen ist.
Diese für die maschinelle Auswertbarkeit der Daten erforderliche technische, organi- satorische und zeitliche Einschränkung bezieht sich nicht auf die Pflicht des Steuer- pflichtigen zur Lesbarmachung der Daten (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 147 Abs. 5 AO). Die Lesbarmachung muss während der ganzen Aufbewahrungsfrist sichergestellt sein.
b) Bei nach dem 31. Dezember 2001 archivierten Daten ist beim unmittelbaren Daten- zugriff (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a Abs. 1) und beim mittelbaren Datenzugriff (Ab- schnitt I Nr. 1 Buchstabe b) die maschinelle Auswertbarkeit (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 6 AO) in Form des Nur-Lesezugriffs (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a Abs. 2) si- cherzustellen. Im Falle eines Systemwechsels ist es nicht erforderlich, die ursprüngli- che Hard- und Software vorzuhal ten, wenn die maschinelle Auswertbarkeit auch für die nach dem 31. Dezember 2001, aber vor dem Systemwechsel archivierten Daten durch das neue oder ein anderes System gewährleistet ist.
c) Für die Datenträgerüberlassung (Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe c) kann die Finanzbehörde nicht verlangen, vor dem 1. Januar 2002 auf nicht maschinell auswertbaren Datenträgern (z.B. Mikrofilm) archivierte Daten auf maschinell auswertbare Daten träger aufzuzeichnen.