brauche ich überhaupt eine Kasse?

Ob Sie eine Kasse führen müssen, hängt von der Art und Weise der Einrichtung Ihres Geschäftsbetriebes ab, also wieviele Barumsätze Sie täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich haben, wie hoch die sind, welche Relation zu den unbaren Einnahmen besteht. Eine feste Umsatzgröße oder eine feste Relation von baren und unbaren Einnahmen oder bestimmte Höchstbeträge oder eine Höchstzahl von Barumsätzen pro Woche oder pro Monat oder Jahr gibt es nicht. Dann tauchen auch gleich Sonderfragen auf: was ist mit Saisonbetrieben? Wenn man den Betrachtungszeitraum „Jahr“ für richtig hält, und die Aussage trifft, 5 Barumsatz im Monat, mithin 60 im Jahr sind kein Grund, um eine offene Ladenkasse oder elektronische Kasse führen zu müssen, es würde genügen diese Umsätze in einer Kladde oder in einem monatlichen Kassenbericht o.ä. handschriftlich festzuhalten, was ist dann mit einem Saisonbetrieb, der nur im Juni und Juli besteht: darf der dann auch bis zu 60 Barumsätze haben, ohne eine Kasse führen zu müssen? Oder darf der auch nur 5 Barumsätze pro Monat, dann also bei 2 Monate Öffnungszeiten nur bis zu 10 Umsätze insgesamt pro Jahr haben? Und was ist mit der Höhe der Umsätze: spielt es eine Rolle, ob die einzelnen Bareinnahmen hoch oder niedrig sind? Ein Nobel-Gebrauchtwagenhändler verkauft nur 3 Autos im Jahr bar, jedes aber für 220.000 € und teurer … Oder verhalten sich Anzahl der Bar-Geschäftsvorfälle und die Höhe der Einnahmen wie sich zwei überlappende Kreise zueinander, und wenn ein Parameter zu hoch wird, löst dies eine Kassenführungspflicht aus? Wohl eher nicht. Wenige auch hohe Einnahmen benötigen keine Kasse. Es wird wohl auf die Vielzahl der Umsätze ankommen, gleichgültig ob der Höhe des einzelnen Umsatzes. Denn nur bei einer kaum mehr einzeln fassbaren Vielzahl von Umsätzen bedarf es einer ordnungsgemäßen Kasse, um die Umsätze ordnungsgemäß erfassen und abbilden zu können.

Man wird es allgemein so formulieren können: Nur wenige Bareinnahmen pro Monat (z.B. 3 oder 4 Bareinnahmen pro Monat), nur 3, 4, 5 oder bis 10 % aller Einnahmen in bar, der Rest unbar, sprechen dafür, dass Sie keine Kasse brauchen. Wenn man auch ohne ordnungsgemäße Kasse in dem Betrieb die paar Einnahmen erfassen kann und den Überblick bewahren kann, dann benötigt der Geschäftsbetrieb nach seiner Art und Weise seiner Führung keine Kasse. Da die Kasse täglich abgerechnet werden muss, müssen die Bareinnahmen so selten sein, dass kein vernünftiger Mensch bei den paar Barumsätzen eine Kasse einrichten würde oder meint, eine müsse eingerichtet werden. Wer will schon einen Kassenabschluss machen, wenn er nur den gleichen Endbestand wie den morgendlichen Anfangsbestand zählen kann oder nur ein paar Kosten aus der Kasse bezahlt hat, aber keine Einnahmen hatte. Wenn Sie dann etwa ein Wirtschaftsgut im Monat verkaufen, selbst wenn das vielleicht 2.000 oder 5.000 € Umsatz bringt, führt das nicht zu einer Verpflichtung, eine Kasse einzurichten. Selbst wenn Sie einen Lamborghini oder ein sonstiges Nobelauto für 300.000 € oder auch 3 Mio. € in bar verkaufen, brauchen Sie deswegen keine Kasse – weder eine elektronische, noch eine offene Ladenkasse. Trotz der summenmäßig hohen Barumsätze sind es nur so wenige – nur einer im Monat in dem Beispiel – dass dafür der Betrieb keine Kasse erfordert.

Dann gibt es ganz andere Grenzfragen: ein zweifellos keine Kasse benötigender Betrieb bekommt immer mehr Barumsätze oder bei einem eine Kasse benötigendem Betrieb gehen die Barumsätze deutlich zurück … kann unterjährig die Kassenführungspflicht entstehen oder entfallen?

Oder weitere Grenzfragen: in den ersten 5 Monaten kein einziger Barumsatz, dann 80 Barumsätze im Juni durch ein Seminar, bei dem von 80 Teilnehmern bar die Teilnahmegebühr kassiert wird … oder ist das Seminar etwa nur ein Geschäftsvorfall über eine offene Ladenkasse, die extra nur für diesen Tag eingerichtet wird?

Und nun wird es noch verrückter: derselbe Steuerpflichtige wiederholt das Seminar wegen des Erfolges im September: 90 Anmeldungen: 90 Barumsätze oder nur einer über die offene Ladenkasse? Bedenken Sie die Einzelaufzeichnungspflicht: jeder Teilnehmer ist namentlich bekannt, da er sich vor Seminarbeginn anmeldete. Aber ist nun bei 2 punktuellen Seminarveranstaltungen für den ganzen Betrieb entstanden, weil immerhin (80+90=) 170 Bareinnahmen vorhanden sind? Und der Rest der Einnahmen unbar. Sagen wir 300.000 unbare Einnahmen. Eine Seminargebühr a) 10 Euro, b) 200 €, c) 450 € …? Wenn wir von einer Einzelaufzeichnungsverpflichtung ausgehen, sind dann im Fall a) bis zur Jahresmitte nur 80 Bareinnahmen mit einem Gesamtvolumen von 800 € in Relation zu 300.800 € Gesamteinnahme und bei nur ca. 7 Barumsätzen durchschnittlich monatlich wohl nicht ausreichend, um eine Kasse zu verlangen, zumal letztlich die Bareinnahmen nur an einem Tag erfolgten. Wie schaut es im Fall b) aus? 2 Tage Bareinnahmen mit dann schon 16.800 € Einnahmen in Relation zu 316.800 € Gesamteinnahme …? c) 170 * 450 € = 76.500 € bare Seminareinnahme zu 300.000 unbaren Umsätzen? Kommt es überhaupt auf die Relation an oder sind 170 Umsätze schon ausreichend um eine Kasse als der Art und Weise des Betriebes geschuldet anzusehen? Oder braucht der Betrieb nur für seinen Teilbetrieb Seminare eine Kasse? Wo liegen die Grenzen… variieren Sie die Fälle, bauen Sie Fälle d) und e) … wann glauben Sie bzw. alle Kaufleute, dass man jetzt aber nach dem Geschäftsbetrieb eine Kasse braucht, die man dann auch täglich zählen und abrechnen muss … vielleicht beiden Fällen a bis c)  noch nicht .. aber bei d), e) oder f) …? Es kommt darauf an, was die billig und gerecht denkenden Kaufleute hier fr erforderlich halten würden: eine Einrichtung einer Kasse oder eben nicht. Recht ist fließend, nicht immer statisch. So sehr ich verstehe, dass Sie eine klare, verlässliche Vorgabe wünschen, muss Recht (GoB, HGB, AO usw.) doch auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen passen und lässt daher eine schubladenmäßige, starre Festlegung nicht oder nur schwer zu …

Wer freiwillig ein Kassenbuch führt, muss es richtig führen. In diese Richtung scheint die Rechtsprechung zu tendieren. So ganz logisch ist das aber nicht: wenn jemand freiwillig ein Kassenbuch führt, ohne dazu verpflichtet zu sein und dann Fehler dabei macht, warum soll dies dann einen Verwerfungsgrund für die Buchführung geben, wenn es erhebliche Fehler beinhaltet, wenn doch die Buchführung nicht verworfen werden könnte, wenn er gar keines geführt hätte?

Aber im Prinzip sollen Aufzeichnungen, wenn sie geführt werden, natürlich richtig geführt werden. Erleichterungen bei der Kasse gibt es jedenfalls für EÜR nicht, auch nicht für Kleinunternehmer. Eigentlich ist die Kasse bei dem Bilanzieren auch als Bedstandskonto verpflichtend. Ob aber bei einem freiwillig Bilanzieren, der dann auch eine Kasse zwingend führen muss, obwohl er eigentlich keine oder nur ganz wenige Umsätze (etwa 5 bis höchstens 10 pro Monat) hat und dann deswegen auch eine Kasse (offene Ladenkasse mit täglichen Kassenberichten oder elektronische, fiskalisierte Kasse mit täglichem Kassenbuch) führt, erscheint mehr als fraglich. Da dürfte dennoch darauf abzustellen sein, ob der Betrieb eine Einrichtung einer Kasse erfordert, auch wenn der Betrieb bilanziert. Eine Kasse bei einem Bilanzierer zu verlangen, auch wenn er nur einen oder gar keinen Barumsatz pro Jahr hat, erscheint abwegig und praxisfern. Maus dieser Unternehmer wirklich jeden Tag die Kasse zählen, auch wenn er keine Barumsätze hat?  Aber Vorsicht: da es hier keine festen Betragsgrenzen oder Umsatzrelationen oder Einnahmehöchstgrenzen und Geschäftsvorfallgrenzen pro Monat vom BFH gibt, sondern es immer auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb ankommt, kann man hier natürlich (fast) immer streiten. Eine Freizeichnung kann ich Ihnen hier natürlich nicht geben und diese Zeilen ersetzen natürlich auch nie die konkrete Prüfung des Einzelfalls vor Ort. Aber selbst bei einer Prüfung eine Einigung erzielt wird, ob eine Kassenführungspflicht besteht oder nicht, kann wohl in einigen Grenzbereichen kein „Testat“ gegeben werden …. ein gewisses Restrisiko bleibt vielleicht bei einem Teil der Fälle immer, da natürlich das Gesetz bzw. die GoB stets auf den Einzelfall angewendet werden müssen und ein gewisse Auslegungs- und Bewertungsspielraum immer bleibt …

Wer freiwillig eine Kasse führt, ohne nach der Art und Einrichtung seines Geschäftsbetriebs dazu verpflichtet zu sein, ist genauso zu behandeln, als wenn er die Kasse führen müsste. Dies bedeutet, dass all die Steuerpflichtigen, die freiwillig eine Kasse führen, dieselben Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit ihrer Kassenbuchführung zu stellen haben, wie diejenigen, die pflichtgemäß eine Kasse führen müssen. Derjenige, der freiwillig also eine Kasse führt  und bei der Kassenführung Fehler macht, kann sich also nicht damit entlasten, dass er hätte keine Kasse führen müssen und daher die Fehler umbeachtlich sind. Wenn er eine Kasse geführt hat, ohne dazu verpflichtet zu sein, muss er eben alle Grundsätze, die eine eine ordnungsmäßige Kassenführung gestellt werden, auch gegen sich gelten lassen. Machte hierbei Fehler, droht die Verwerfung, zumindest dann, wenn auf der Einnahmenreihe formelle Fehler von erheblichem Gewicht vorhanden sind, sodass die Kasse bzw. die Vollständigkeit der Einnahmen nicht mehr prüfbar ist.

Quelle: Abschnitt 111 AEAO.