Drohende U-Haft, Arrest

vorläufige Festnahme

Grundsätzlich dürfen nur Staatsanwaltschaft und Polizei einen Tatverdächtigen festnehmen. Das ist Ausfluss der staatlichen Gewaltsmonopols. Allerdings gibt es hierzu eine wichtige Ausnahme: Nach Paragraf 127 StPO darf auch die Steuerfahndung einen Tatverdächtigen vorläufigen festnehmen. Paragraf 127 StPO ist ein Jedermannsrecht. Jedermann darf einen Tatverdächtigen vorläufig festnehmen. Fraglich ist, welche Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale „auf frischer Tat betroffen“ zu stellen sind? Gilt das nur für den Bankräuber, der gerade mit der Pistole das Geld kassiert: darf man nur dem folgen und nur diesen festnehmen (was man tunlichst bei einem bewaffneten Täter vielleicht lassen sollte)? Oder wie sicher muss die Tatbegehung feststehen? Genügt auch ein Anfangsverdacht? Oder muss es ein hinreichender Tatverdacht sein? Der BGH verlangt zwar nicht das gesicherte Wissen um das vorliegen der Tat relativ konkrete sichere Umstände.

Das kann beim Steuerstrafrecht, bei dem es darauf ankommt dass jemand mit Wissen und wollen eine falsche Steuererklärung abgegeben hat, schon sehr problematisch sein.

Denn woher weiß man – selbst wenn objektiv der Fehler in der Erklärung vorliegt, dass dies auch von dem betreffenden Täter mit Wissen und Wollen gemacht wurde? Vielleicht war der Täter gutgläubig und ein anderer hat die Zahlen zusammengestellt ohne dass der Steuerpflichtige den Fehler entdeckte …? Genügt das dann für eine vorläufige Festnahme, selbst wenn es um einen Millionenschaden geht? Das könnte dann vielleicht schon eng mit einer vorläufigen Festnahme werden. Paragraf 127 StPO lautet jedenfalls wie folgt wörtlich:

  • Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. 2Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163 b Abs.
  • Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.
  • 1Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. 2Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.
  • Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.“
Bild Betriebsprüfung drburkhard

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29.07.2009 (BGBl. I S. 2274), in Kraft getreten am 01.01.2010

Zunächst einmal deckt das Festnahmerecht nach § 127 AO das Recht einen Tatverdächtigen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit festzuhalten. Da der Tatverdächtige sich meist zu wehren versucht, sind auch leichte Körperverletzungen und Sachbeschädigungen von dem Recht gedeckt. Dem flüchtenden hinterher laufen komme ihm ein Bein stellen und in dann etwa mit Kabelbindern festbinden, bis die Polizei kommt ist also auch der Steuerfahndung erlaubt.

Eine wilde Verfolgungsjagd hinter dem flüchtigen Steuerhinterzieher mit dem Auto her über die Autobahnen und dann etwa durch das halbe Ruhrgebiet ist allerdings dann nicht mehr erlaubt und von § 127 StPO nicht mehr gedeckt.

Im Regelfall wird die Steuerfahndung, wenn sich während der Durchsuchung etwa die Vorwürfe deutlich erweitern und immer mehr belastendes Material gefunden wird und die Summen sich deutlich erhöhen, etwa der Hinterziehungsschaden die Millionengrenze übersteigt, und damit auch eine Fluchtgefahr wahrscheinlicher wird, die Polizei hinzuziehen und um Festnahme bitten. Parallel dazu wird man natürlich den zuständigen Staatsanwalt informieren und in ersuchen, die Polizeibeamte zu bitten, den Beschuldigten festzunehmen. Weiter wird man dann über den Staatsanwalt diesen ersuchen, einen Haftbefehl zu beantragen. Während also dann während der Durchsuchung auf einmal die Polizei erscheint und dann den Beschuldigten vorläufig festnehmen wird, wird dieser zum Revier bzw. Zum Ermittlungsrichter gebracht, dem schon dann der Antrag auf Erlass des Haftbefehls vorliegt. In dem Haftbefehlsantrag sind dann die neuesten Erkenntnisse verbunden mit den bisherigen Erkenntnissen zusammengefasst und der Haftgrund zum Beispiel der Fluchtgefahr dann dargestellt.

Über Paragraf 127 Abs. 1 StPO hinaus sind die Steuerfahnder zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen des Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzug besteht, Paragraf 127 Abs. 2 StPO.

Drohende Untersuchungshaft

Nach Paragraf 128 Absatz ein Satz 1 StPO Muster festgenommene unverzüglich, spätestens am Tag nach der Festnahme im zuständigen Haftrichter vorgeführt werden. Paragraf 128 StPO lautet wie folgt wörtlich:
§ 128 StPO Vorführung bei vorläufiger Festnahme

  • Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten gemäß § 115 Abs. 3.
  • Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar ist, von Amts wegen einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl. § 115 Abs. 4 gilt entsprechend.“
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Nach der Vorführung vor den zuständigen Richter gemäß Paragraf 115 Abs. 1 StPO findet eine richterliche Beschuldigtenvernehmung statt. Ein zuvor beauftragter Verteidiger hat insoweit ein Anwesenheitsrecht. Nach der Vernehmung hat der Richter zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorliegen. Er entscheidet nicht, ob die vorläufige Festnahme gerechtfertigt war, sondern nur, ob im Augenblick der Vorführung die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen.

Hier gibt es 3 Entscheidungsmöglichkeiten:

  1. Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Haftbefehls mangels dringenden Tatverdachts und/oder wegen Fehlens von Haftgründen -oder-
  2. Erlass eines Haftbefehls unter gleichzeitiger Verschonung, d. h. Außervollzugsetzung gemäß Paragraf 116 StPO. Hier ergeht also ein Haftbefehl unter Außervollzugsetzung. Hier werden dann in der Regel Sicherheiten (Kautionen) gestellt, Meldeauflagen (1 mal täglich, wöchentlich bei der am Wohnsitz gelegen Polizeidienststelle) usw. -oder-
  3. Erlass eines Haftbefehls und Anordnung der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft ist eine verfahrenssichernde Ermittlungsmaßnahme im Rahmen der Ermittlung einer Straftat, damit sich der Täter nicht entzieht. Gesetzliche Regelungen zur Untersuchungshaft befinden sich in den § 112 ff. StPO. Dort sind die Haftgründe genannt.

Die Untersuchungshaft darf nur durch einen Richter durch Haftbefehl und einem Ersuchen um Aufnahme zum Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet werden. Ihr geht in aller Regel eine Festnahme durch die Polizei, Staatsanwaltschaft oder Steuerfahndung voraus. Der Beschuldigte muss einem Haftrichter vorgeführt werden und dieser entscheidet dann.

Dabei ist für den Erlass eines Haftbefehls dringender Tatverdacht erforderlich. Das bedeutet, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass der Beschuldigte Täter (oder Teilnehmer) einer rechtswidrig und schuldhaft begangenen Tat ist. Zu beachten ist dabei, dass ein Haftbefehl meist zu einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen ergeht und sich die Schwere des Tatverdachts im Laufe des Verfahrens abschwächen kann.

Neben dem dringenden Tatverdacht ist weiterhin das Vorliegen eines Haftgrundes erforderlich. Als Haftgründe kommen Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Schwere der Tat und Wiederholungsgefahr in Betracht.

Abschließend muss die Untersuchungshaft auch verhältnismäßig sein. Die Untersuchungshaft darf also beispielsweise nicht die Dauer der zu erwartenden Strafe übersteigen (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Bei Bagatelldelikten ist die Untersuchungshaft nur eingeschränkt zulässig (§ 113 StPO).

Haftgründe

Die Haftgründe sind in § 112 StPO genannt. § 112 StPO lautet wie folgt wörtlich:

Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

1. it is established that the accused is fleeting or hiding,
2. the circumstances of the individual case give rise to the risk that the accused person will withdraw from the criminal proceedings (risk of absconding), or
3. the conduct of the accused constitutes an urgent suspicion that he would
a) destroy, alter, put aside, oppress or falsify evidence or
b)  act unfairly on co-accused persons, witnesses or experts or
c)  induce others to do so , and if there is a danger that the determination of the truth difficult (dimming).

Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.“

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Der Haftgrund der Flucht liegt dann vor, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO).

Fluchtgefahr liegt vor, wenn nach einer Würdigung aller Umstände die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Verfahren entziehen wird (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Dies ist der in der Praxis am häufigsten angenommene Haftgrund. Häuser, Konten, Verwandte im Ausland oder häufige Besuche Konten oder Firmenkontakte im Ausland können die Fluchtgefahr begründen. Je leichter sich der Beschuldigte in einem fremden Staat ansässig fühlen könnte oder sich dort niederlassen könnte, umso höher schätzen Staatsanwälte und Richter die Fluchtgefahr ein. Je weniger spiegelbildlich dem Beschuldigten hier in Deutschland hält und die Höhe der Strafvorwurf und die zu erwartende Strafe bei jetzt unterstellten Vorwurfsvolumen wäre, umso eher wird der Fluchtanreiz angenommen („den hält hier doch eh nichts mehr“).

Nach einem Beschluss des OLG Naumburg entzieht sich der Täter dem Verfahren nicht, wenn er unter einer den Strafverfolgungsbehörden bekannten Adresse im Ausland lebt und dort schlicht verbleibt und sich dort zur Verfügung hält. In den Gründen hat das OLG Naumburg (Beschluss vom 10.10.1996, wistra 1997, 80) ausgeführt: „Jedenfalls liegt ein Haftgrund nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen des allein in Betracht kommenden Haftgrunds der Fluchtgefahr gemäß Paragraf 112 Abs. 2 Nummer 2 StPO sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Gesamtstrafe zu rechnen (…). In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte seinen Wohnsitz in Österreich hat, wo auch seine Familie lebt, sodass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprechen mag, dass er nach Österreich zurückkehren und damit die Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens nicht erleichtern wird. Diese Umstände allein rechtfertigen jedoch nicht die Annahme einer Fluchtgefahr, denn diese setzt voraus, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzieht. (…)

Entziehen ist ein vom Beschuldigten vorgenommenes Verhalten, das den zumindest beabsichtigten Erfolg hat, den Fortgang des Verfahrens dauernd oder vorübergehend durch aufgeben der Bereitschaft zu verhindern, für Ladungen, Vollzugs-oder Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Der Täter entzieht sich dem Verfahren indessen nicht, wenn er unter einer den Strafverfolgungsbehörden bekannten Adresse im Ausland lschlicht verbleibt und sich dort zur Verfügung hält (…). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte sich unter dem Druck der relativierten Straferwartung unter Trennung von seiner Ehefrau den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung halten und an einen unbekannten Ort absetzen wird, sind hingegen nicht erkennbar, zumal der Beschuldigte in der Vergangenheit aus Hafturlauben offenbar stets zurückgekehrt ist (…). Unter diesen Umständen und mangels weiterer für eine Fluchtgefahr sprechender Anhaltspunkte vermag die Straferwartung allein die Annahme einer Fluchtgefahr nicht zu begründen (…)“

Quelle: OLG Naumburg, Beschluss vom 10.10.1996, wistra 1997, 80

Verdunkelungsgefahr ist gegeben, wenn der dringende Verdacht besteht, dass der Beschuldigte auf Beweismittel einwirkt und so die Wahrheitsermittlung erschwert oder verhindert (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Kontakte zu mit Beschuldigten oder Zeugen oder gar Besprechungen mit denen über den Sachverhalt wie es war oder gewesen sein soll, begründen die Verdunkelungsgefahr. Auch Bedrohungen oder scheinbare Bedrohungen gegenüber Zeugen begründen sehr rasch die Verdunkelungsgefahr. Daher oberster Grundsatz: keinen Kontakt zu Zeugen oder mit Beschuldigten. Wenn nötig, dann kann ihr Anwalt mit dem Anwalt des anderen Beschuldigten oder das Zeugenbeistandes kommunizieren.

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist gegenüber den anderen Haftgründen subsidiär (§ 112a StPO).