Der Haftgrund der Flucht liegt dann vor, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO).
Fluchtgefahr liegt vor, wenn nach einer Würdigung aller Umstände die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Verfahren entziehen wird (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Dies ist der in der Praxis am häufigsten angenommene Haftgrund. Häuser, Konten, Verwandte im Ausland oder häufige Besuche Konten oder Firmenkontakte im Ausland können die Fluchtgefahr begründen. Je leichter sich der Beschuldigte in einem fremden Staat ansässig fühlen könnte oder sich dort niederlassen könnte, umso höher schätzen Staatsanwälte und Richter die Fluchtgefahr ein. Je weniger spiegelbildlich dem Beschuldigten hier in Deutschland hält und die Höhe der Strafvorwurf und die zu erwartende Strafe bei jetzt unterstellten Vorwurfsvolumen wäre, umso eher wird der Fluchtanreiz angenommen („den hält hier doch eh nichts mehr“).
Nach einem Beschluss des OLG Naumburg entzieht sich der Täter dem Verfahren nicht, wenn er unter einer den Strafverfolgungsbehörden bekannten Adresse im Ausland lebt und dort schlicht verbleibt und sich dort zur Verfügung hält. In den Gründen hat das OLG Naumburg (Beschluss vom 10.10.1996, wistra 1997, 80) ausgeführt: „Jedenfalls liegt ein Haftgrund nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen des allein in Betracht kommenden Haftgrunds der Fluchtgefahr gemäß Paragraf 112 Abs. 2 Nummer 2 StPO sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Gesamtstrafe zu rechnen (…). In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte seinen Wohnsitz in Österreich hat, wo auch seine Familie lebt, sodass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprechen mag, dass er nach Österreich zurückkehren und damit die Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens nicht erleichtern wird. Diese Umstände allein rechtfertigen jedoch nicht die Annahme einer Fluchtgefahr, denn diese setzt voraus, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzieht. (…)
Entziehen ist ein vom Beschuldigten vorgenommenes Verhalten, das den zumindest beabsichtigten Erfolg hat, den Fortgang des Verfahrens dauernd oder vorübergehend durch aufgeben der Bereitschaft zu verhindern, für Ladungen, Vollzugs-oder Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Der Täter entzieht sich dem Verfahren indessen nicht, wenn er unter einer den Strafverfolgungsbehörden bekannten Adresse im Ausland lschlicht verbleibt und sich dort zur Verfügung hält (…). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte sich unter dem Druck der relativierten Straferwartung unter Trennung von seiner Ehefrau den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Verfügung halten und an einen unbekannten Ort absetzen wird, sind hingegen nicht erkennbar, zumal der Beschuldigte in der Vergangenheit aus Hafturlauben offenbar stets zurückgekehrt ist (…). Unter diesen Umständen und mangels weiterer für eine Fluchtgefahr sprechender Anhaltspunkte vermag die Straferwartung allein die Annahme einer Fluchtgefahr nicht zu begründen (…)“
Quelle: OLG Naumburg, Beschluss vom 10.10.1996, wistra 1997, 80
Verdunkelungsgefahr ist gegeben, wenn der dringende Verdacht besteht, dass der Beschuldigte auf Beweismittel einwirkt und so die Wahrheitsermittlung erschwert oder verhindert (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO). Kontakte zu mit Beschuldigten oder Zeugen oder gar Besprechungen mit denen über den Sachverhalt wie es war oder gewesen sein soll, begründen die Verdunkelungsgefahr. Auch Bedrohungen oder scheinbare Bedrohungen gegenüber Zeugen begründen sehr rasch die Verdunkelungsgefahr. Daher oberster Grundsatz: keinen Kontakt zu Zeugen oder mit Beschuldigten. Wenn nötig, dann kann ihr Anwalt mit dem Anwalt des anderen Beschuldigten oder das Zeugenbeistandes kommunizieren.
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist gegenüber den anderen Haftgründen subsidiär (§ 112a StPO).