Schweigerechte des Beschuldigten

Der Beschuldigte hat das Recht zu schweigen. Im Strafprozess wird zwischen dem Aussageverweigerungsrecht und dem Zeugnisverweigerungsrecht unterschieden. Ersteres betrifft den Beschuldigten selbst, Letzteres dagegen potentielle Zeugen. Dabei gelten die Grundsätze sowohl bezüglich eines Vorwurfs bei (Steuer-)Straftaten als auch bei (Steuer-)Ordnungswidrigkeiten. Daher ist es wichtig zu klären, welchen Status man hat: ist man aus Sicht der Fahnder Zeuge oder Beschuldigter? Ds muss unbedingt vor jeder Aussage eindeutig geklärt werden, denn davon hängen die Rechte und Pflichten ab.

Schon bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten muss er gemäß § 136 StPO auf sein Schweigerecht und die Möglichkeit einen Verteidiger zu wählen, hingewiesen werden.

§ 136 StPO lautet wie folgt wörtlich:

§ 136 StPO

Erste Vernehmung

Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. 2Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. 3Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. 4Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. 5Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 Absatz 1 und 2 die Bestellung eines Verteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und 3 beanspruchen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. 6In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.“

Fassung aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27.08.2017 (BGBl. I S. 3295), in Kraft getreten am 05.09.2017

Gemäß § 243 Abs. 5 StPO ist auch der Angeklagte (so wird der Beschuldigte nach Erhebung der Anklage genannt) bei Beginn des Strafprozesses auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen.

§ 243 StPO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 243 StPO

Gang der Hauptverhandlung

1Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. 2Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

1Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. 2Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

1Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. 2Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. 3In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. 4In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

1Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. 2Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

1Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. 3Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. 4Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. 5Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 6Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.“

Fassung aufgrund des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.08.2017 (BGBl. I S. 3202), in Kraft getreten am 24.08.2017

Das Auskunftsverweigerungsrecht (Schweigerecht) ist allumfassend und der Beschuldigte braucht sich zu keiner Sachfrage zu äußern. Auch wenn das Schweigen häufig im Volksmund oder laienhaft als Eingeständnis interpretiertet wird, ist rechtlich das Schweigen neutral. Auch der Rat an einen Beschuldigten, zum Vorwurf zu schweigen, ist weder eine Strafvereitelung, noch begründet dies einen Teilnahmeverdacht an dessen Tat.

Das Schweigerecht des Beschuldigten ist auf den „nemo-tenetur se ipsum accussare“-Grundsatz zurückzuführen, nachdem niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Dieses Recht lässt sich nicht nur aus dem deutschen Grundgesetz entnehmen, sondern auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Aufgrund dessen darf und kann die Ausübung des Schweigerechts dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gemacht werden.

Zu dieser Feststellung kam auch das LG Kiel in seinem kürzlich erlassenen Urteil (LG Kiel – 2 Qs 17/15). In diesem Fall hat ein Beschuldigter einem anderen Beschuldigten geraten, bei der Polizei nichts zu sagen. Dies bekam die Polizei mit und durchsuchte kurzerhand die Wohnung des Beschuldigten, welcher den Rat erteilt hatte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass ein Rat, bei der Polizei nichts zu sagen, noch keinen Teilnahmeverdacht begründet und erklärte die Durchsuchung für rechtswidrig. Beschuldigte haben Sie das Recht zu schweigen.

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Mangelnde Vorkenntnisse

Mangelnde Vorkenntnisse, Unsicherheiten, schlampige Belehrungen und auch ein gewisser Obrigkeitsgehorsam, dass von einem Beamten auf dessen Frage noch antworten müsse, führen dazu, dass nicht nur beim fließenden Übergang vom Small Talk zur Befragung oder von der sogenannten rein informativen Befragung oder dem schlichten Zuhören des redenden Täters zur tatsächlichen aktiven Befragung viele Informationen von Tätern und Mittätern vor einer ersten anwaltlichen Kontaktaufnahme von den Beamten aufgenommen werden. Selbst wenn diese nicht gleich mitschreiben und ein Protokoll anfertigen, wird natürlich über alle Äußerungen Aktenvermerke geschrieben. Vielleicht besteht deswegen immer wieder ein Interesse der Fahnder, den Kontakt mit dem Anwal längst möglich hinauszuschieben und Telefonsperren zu verhängen oder den Anruf beim Anwalt und dessen vorbeikommen möglichst lange hinauszuzögern.

Vielleicht lassen sich auch daraus solche Bemerkungen verstehen, dass der Anwalt doch nur stört, viel zu viel Geld kostet, dass man doch einfach jetzt reinen Tisch machen solle und die Sache sei sofort erledigt. Man würde das dann im Rahmen der Strafzumessung entsprechend positiv berücksichtigen. Schneller Erfolgswille, über Belastungen, viel zu viele etliche Jahre dauernde Verfahren, unter Besitzungen und keinen Nerv auf nervige Anwälte die auf die Rechte der Beschuldigten bestehen, sind vielleicht mit dazu beitragen, auf den Aussagewillen und das Aussageverhalten der Beschuldigten zumindest einen gewissen psychologischen Einfluss zu nehmen. Vielleicht ist das auch ein Teil der kriminalistischen Erfolgsstrategie und der noch erlaubten kriminalistischen List….?

Unter bestimmten Umständen macht das aber Sinn

Unter bestimmten Umständen macht das aber Sinn, trotz des zustehenden Schweigerecht mitzuwirken. Stellen Sie sich vor, sie wären Bauunternehmer und hätten ein Schwarzbuch geführt. Ihren Buchhalter haben sie nun gefeuert, weil der die Finger bei der letzten Weihnachtsfeier nicht von ihrer Tochter gelassen hat und extrem zudringlich geworden ist. Während er seine Papiere bei Ihnen bekam und sich beim Jobcenter arbeitssuchend meldete, ginge danach schnurstracks zur Steuerfahndung und legte eine Kopie das von ihm vor 5 Jahren kopierten Schwarzbuchs dem Finanzamt vor. Dieser Sachverhalt um das Schwarzbuch und den vorliegenden Kopien aus dem Schwarzbuch steht so im Durchsuchungsbeschluss. Das Durchsuchungsziel ist klar: das Schwarzbuch soll gesucht und gefunden und beschlagnahmt werden. Darüber hinaus natürlich alle Bauakten und PCs, die Auskunft und Informationen über die schwarz abgewickelten Bauvorhaben geben könnten.

In dieser Konstellation macht es vielleicht Sinn zu überlegen, das Schwarzbuch, sofern es existiert, und gegebenenfalls auf dem Rücksitz ihres Firmenwagens liegt auszuhändigen um das Verfahren abzukürzen und dem sicheren Auffinden zuvorzukommen. Dann könnte vielleicht die Beschlagnahme aller Rechner und die Beschlagnahme aller Bauunterlagen Ihnen erspart bleiben … aber auch nur vielleicht. Vielleicht wäre auch nur die Verkürzung der Durchsuchung und das vermeiden etwaiger Zufallsfunde das Ziel. Aber das sind Besonderheiten, die man mit st standardisiert als richtig oder falsch darstellen kann – die bedürfen einer Einzelfallberatung und Einzelabwägung. Ich will hier nur insoweit darauf hinweisen, dass es Sonderkonstellationen geben kann, in denen eine aktive mit Wirkung sinnvoll sein kann.

Ansonsten gilt natürlich: Schweigen ist Gold, Reden ist Silber (zumndest erst mal – das ändert sich ggf. Im Laufe des Verfahrens) und nichts machen, sich nur passiv zu verhalten, freundlich nett aber schweigend und ohne jegliche Mitwirkung ist im Falle einer Fahndungsdurchsuchung die grundsätzlich richtige Verhaltensweise.

Angaben zu Ihrer Person müssen Sie aber machen: also auch vor Ort bei der Durchsuchung oder Ihrer Verhaftung oder bei dem Versuch, Sie zur Sache zu vernehmen und zwar gegenüber Fahndern, Staatsanwälten, FKS-Beamten (Finanzkontrolle Schewarzarbeit, Zoll), Polizeibeamten.

Die Angaben zur Person beziehen sich aber nur auf:

  • den Namen, Vornamen (ggf. abweichender Geburtsname)
  • das Geburtsdatum und Geburtsort
  • die Staatsangehörigkeit
  • den Familienstand
  • den aktuellen Wohnort
  • und den Beruf – dabei ist schon unklar, ob gelernter oder ausgeübte Beruf und ob arbeitssuchend oder Rentnerberufe sind. Letztendlich geht es hier darum, sie von Person her zu identifizieren und festzustellen, ob sie der betreffende Sinn, den man durchsuchen will oder den man verhaften will oder den man vernehmen will.
  • Weitere Angaben zu Person müssen nicht gemacht werden. Fragen nach ihrem derzeitigen Gehalt, Ihrer Handy-Nr. usw. oder gar zur Tat brauchen Sie natürlich nicht zu beantworten sollten Sie einfach streichen oder ignorieren.
  • Schon die Angabe zum Beruf kann im Einzelfall problematisch und sollte je nach Vorwurf wohl bedacht werden: selbst wenn Sie Zeuge sind oder Beschuldigter sind und die Angaben zur Person machen müssen, könnte die Angabe ihres ausgeübten Berufs sie belasten. Wenn der Vorwurf beispielsweise lautet, sie hätten als Justiziar oder Prokurist Scheinverträge abgeschlossen oder als Buchhalter Scheinrechnungen verbucht, könnte schon die Angabe ihres ausgeübten Berufs als Justiziar, Prokurist oder Buchhalter eine Teilselbstbelastung bewirken. Ganz allgemein formuliert bedeutet das: Schon die Mitteilung einer genauen Position in einem Unternehmen oder den Namen des Unternehmens muss nicht genannt werden, weil dies schon eine Teil-Angabe, also eine Teileinlassung zum Vorwurf sein kann, wenn daraus etwa auf eine steuerstrafrechtliche (Mit-)Verantwortlichkeit geschlossen werden kann.