Verbotene Mehrfachverteidigung

Nach § 146 StPO darf ein Verteidiger nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat beschuldigte Personen verteidigen. „Dieselbe Tat“ stellt dabei auf den Begriff der prozessualen Tat im Sinne von § 264 StPO ab.

„§ 146 StPO

Verbot der Mehrfachverteidigung

1Ein Verteidiger kann nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. 2In einem Verfahren kann er auch nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen.“

Zulässig ist jedenfalls nach § 146 StPO die sogenannte sukzessive Mehrfachverteidigung, also die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter in aufeinander folgenden Verfahren. Dies folgt daraus, dass § 146 StPO nur die gleichzeitige Verteidigung verbietet. Auch bei der sukzessiven Mehrfachverteidigung wird aber in der Regel „dieselbe Rechtssache“ vorliegen, so dass der Verteidiger sich nach § 356 StGB wegen Parteiverrats strafbar machen kann oder nach § 43a BRAO berufswidrig handelt, wenn er bei einer sukzessiven Mehrfachverteidigung widerstreitende Interessen vertritt.

Das OLG Hamm in dem Beschluss vom 10.10.05 (2 Ws 257/05)

hierzu wörtlich:

„Gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung verstößt aber nur die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter. Die sukzessive Mehrfachverteidigung, d.h. die Übernahme oder Fortführung der Verteidigung des Angeklagten J., nachdem diejenige der Mitangeklagten M. erledigt ist, verbietet die Vorschrift nicht. Es kann somit dahinstehen, ob zwischen Rechtsanwalt A. und der Angeklagten M. ein Mandatsverhältnis bestanden hat, denn ein solches wäre jedenfalls nunmehr aufgrund der Niederlegung des Mandats rechtlich beendet (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 18 f. zu § 146).“

 Quelle: https://www.burhoff.de/rspr/texte/bx_00035.htm

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Es ist daher nicht möglich und nicht zulässig, durch ein und denselben Anwalt etwa die beiden Ehegatten gleichzeitig durch einen Verteidiger zu verteidigen, die derselben Steuerhinterziehung (dieselbe Steuerart und derselbe Veranlagungszeitraum) beschuldigt werden.

Entsprechendes gilt, wenn 2 oder mehr Geschäftsführer oder Vorstände derselben Tat beschuldigt werden. Da braucht jeder einen eigenen Verteidiger, da die Möglichkeit einer Interessenkollission schon genügt. Es ist dabei immer rein theoretisch möglich, dass jeder Beschuldigte andere Interessen hat: auch bei (scheinbarem) Interessengleichklang ist eine theoretische Interessenkollission nie ganz auszuschließen, so dass der Verteidiger eben nur einen aus diesem Täterkreis verteidigen kann… und eben nicht beide Ehegatten, alle Geschäftsführer, alle Vorstände usw.

Mehrere in Sozietät und erst Recht in Bürogemeinschaft verbundene Anwälte könnten aber wohl die beiden Ehegatten  oder Vorstände (getrennt) vertreten.

Das OLG Hamm in dem Beschluss vom 10.10.05 (2 Ws 257/05)

hierzu wörtlich:

Vor diesem Hintergrund kann zwar bei der Verteidigung zweier derselben Taten beschuldigter Angeklagter durch Anwälte, die einer Sozietät angehören, grundsätzlich die Möglichkeit eines Interessenkonfliktes bestehen.

Das Gericht ist aber nicht allein deshalb gehalten, die Bestellung von Sozietätsmitgliedern zu Pflichtverteidigern zu unterlassen, weil § 3 Abs. 1, 2 BORA die gleichzeitige Verteidigung von derselben Tat beschuldigten Angeklagten durch Sozietätsmitglieder als Interessenkonflikt wertet. Die Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten ist zunächst allein dem Anwalt und damit auch dem Pflichtverteidiger überantwortet, der als selbständiges Organ der Rechtspflege an dem Ablauf des Strafverfahrens mitwirkt (vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1999, S. 1415).

Denn der Fürsorgepflicht des Gerichtsvorsitzenden, die über die bei der Wahlverteidigung gegebenen Eingriffsmöglichkeiten hinausreicht, steht das verfassungsrechtlich verankerte Gebot, dem Beschuldigten nach Möglichkeit einen Anwalt seines Vertrauens beizuordnen, gegenüber.

Aufgrund dieses Spannungsverhältnisses kann ein wichtiger Grund im Sinne des

142 Abs. 1 S. 3 StPO, nicht den von dem Beschuldigten bezeichneten Verteidiger zu bestellen, nur dann angenommen werden, wenn konkret hervorgetretene Umstände ergeben, dass ein Interessenkonflikt besteht, der es dem Verteidiger nicht erlaubt, die Verteidigung mit vollem Einsatz zu führen ( vgl. BGH a.a.O.).

Folglich stellt die allgemeine Möglichkeit eines Interessenkonfliktes bei als Mittäter verfolgten Angeklagten, die derselben Taten beschuldigt werden, noch keine ausreichende Grundlage dar, von dem Grundsatz abzugehen, wonach dem Beschuldigten der Anwalt seines Vertrauens beizuordnen ist.“

Quelle: https://www.burhoff.de/rspr/texte/bx_00035.htm