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Der Zweck der Buchführung verlangt, daß der Kaufmann auch bei Bargeschäften sowohl sich selbst als auch seinen Mitgesellschaftern und seinen Gläubigern zu jedem Zeitpunkt einen zuverlässigen Einblick in den Ablauf aller Geschäfte und in das Geschäftsgebaren des Unternehmens zu geben vermag. Wenn auch an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung keine überspitzten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil des BFH VI 326/65 vom 18. Februar 1966), so muß es zu einem späteren Zeitpunkt leicht und im Rahmen eines angemessenen Zeitaufwands für einen buchführungsmäßig vorgebildeten Dritten möglich sein, den Inhalt und den Ablauf aller Geschäfte der Vergangenheit zu überprüfen. Als ordnungsmäßig kann daher nur die Buchführung angesehen werden, die geeignet ist, die Erfüllung dieser Grundaufgaben des kaufmännischen Rechnungswesens sicherzustellen. Dabei erfordern nach Auffassung des Senats die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in der Regel die Aufzeichnung jedes einzelnen Handelsgeschäfts in einem Umfang, der eine Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Das bedeutet nicht nur die Aufzeichnung der in Geld bestehenden Gegenleistung, sondern auch des Inhalts des Geschäfts und des Namens des Vertragspartners. Wenn z. B. ein geschäftliche Beratungen von Kunden durchführender Kaufmann oder ein Freiberufler an einem bestimmten Tage mehrere Kunden entgeltlich Rat erteilt und seine damit abgeschlossene Leistung sofort bar bezahlt wird, so hält der Senat die vom BdF vertretene Auffassung, daß dann alle diese gegen bar erbrachten Leistungen ein einziges aufzeichnungspflichtiges Geschäft darstellen und der Steuerpflichtige seiner Aufzeichnungspflicht im Rahmen einer ordnungsmäßigen Buchführung genügt, wenn er am Ende des Tages ohne Benennung der einzelnen Kunden nur den insgesamt vereinnahmten Barbetrag aufzeichnet, nicht für zutreffend. Die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt es nicht, die einzelnen Geschäftsvorfälle, aus denen z. B. später Haftungsansprüche entstehen können, nicht auch einzeln mit Benennung des Kunden, der Art der Tätigkeit und der Bareinnahme aufzuzeichnen.
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Der Senat gelangt aber bei Barverkäufen an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden in offenen Ladengeschäften praktisch zu demselben Ergebnis wie der BdF. Denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verlangen die Einzelaufzeichnungen der Kassenvorgänge nur im Rahmen des nach Art und Umfang des Geschäftes Zumutbaren.
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Es ist technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften gleiche Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen, nämlich zur Identifizierung und zur Bestimmung des Inhalts des Geschäfts Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten. Es kann sich bei dieser Art von Geschäften mit der Person nach im allgemeinen nicht bekannten Käufern nur darum handeln, ob die einzelnen vereinnahmten Barbeträge festgehalten werden müssen. Diese Frage ist zu verneinen. Wollte man die Einzelaufzeichnungspflicht bejahen, so müßten die einzelnen Einnahmen entweder durch handschriftliche Vermerke oder durch technische Hilfsmittel (Registrierkassen) sofort nach Abschluß jedes Geschäfts festgehalten werden. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß es eine große Zahl von Einzelhandelsunternehmen gibt, bei denen auch diese Aufzeichnungen technisch und betriebswirtschaftlich nicht durchgeführt werden könnten oder einen im Verhältnis zu dem sich daraus ergebenden Vorteil ungewöhnlichen Arbeitsaufwand erfordern würden, z. B. bei Stehbierhallen, Straßen- und Marktständen oder Spiel- und Verkaufsautomaten. Es kommt hinzu, daß Einzelhandelsgeschäfte in zunehmendem Maße Registrierkassen verwenden, bei denen lediglich für den Kunden Belege ausgeworfen, im übrigen aber die Einzelbeträge gespeichert werden, so daß zu jeder Zeit nur die Endsumme abgelesen werden kann. Mag auch die Aufzeichnung aller baren Kasseneinnahmen in dem einen oder anderen Fall die innerbetriebliche Kontrolle erleichtern, so erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung von ihr abhängig zu machen.
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Schließlich ist auch auf folgendes hinzuweisen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur eine sehr geringe Anzahl von Einzelhandelsbetrieben, die über den Umfang des Kleingewerbes hinausgewachsen waren. So waren im Jahr 1895 von 635 209 Handelsbetrieben (einschließlich Großhandel) 603 209 Kleinbetriebe mit insgesamt 943 545 Beschäftigten (vgl. Wörterbuch der Volkswirtschaft, herausgegeben von Elster, 4. Aufl., II. Bd., S. 285). Die Vorschrift des § 38 HGB vom 10. Mai 1897 ist daher nicht auf die heutigen Verhältnisse der Einzelhändler abgestellt, die damals ganz überwiegend Minderkaufleute waren und deshalb keine Bücher zu führen brauchten (§ 4 Abs. 2 HGB), sondern auf den Kreis der Vollkaufleute am Ende des vorigen Jahrhunderts, nämlich die Großhändler und Fabrikanten, die ihre Geschäfte im Gegensatz zu den heutigen Einzelhändlern nicht mit einer unbestimmten Vielzahl von Personen abwickelten und bei denen auch die Einzelaufzeichnung der baren Betriebseinnahmen aus betrieblichen Gründen erforderlich war. Auch als die Einzelhändler in immer größerem Umfang Vollkaufleute und damit buchführungspflichtig wurden, blieb zunächst weiterhin, wie der DIHT unter Hinweis auf Ziegler (Grundsätze und Gemeinschafts-Richtlinien für das Rechnungswesen, Ausgabe Handel 1951 S. 121 ff.) ausführt, allgemein die Auffassung bestehen, daß eine Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung nicht bestehe, sondern daß die tägliche Erfassung des Barzahlungsverkehrs in einem Kassenbericht ausreiche (vgl. auch Dietsch-Ziegler in Greifzu, Das neuzeitliche Rechnungswesen, 11. Aufl., S. 217 ff.). Davon gingen auch die bisherige Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats IV 114/60 vom 5. September 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung — HFR — 1964 S. 158) und die Finanzverwaltung aus.
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Der Senat kommt somit zu dem Ergebnis, daß nach dem Sinn und Zweck und nach der Entwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Zumutbarkeit in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet zu werden brauchen. Das gilt im wesentlichen für die in der oben wiedergegebenen Stellungnahme des DIHT bezeichneten Unternehmen und Unternehmensbereiche. Jedoch müssen auch in diesen Fällen grundsätzlich die angefallenen Registrierkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufbewahrt werden, soweit nicht der Aufbewahrungszweck auf andere Weise gesichert und die Gewähr der Vollständigkeit der von Registrierkassenstreifen übertragenen Aufzeichnungen nach den tatsächlichen Verhältnissen gegeben ist (vgl. Urteile des RFH V A 495/29 vom 27. September 1929, RStBl 1929 S. 641, und VI A 1088–1092/31 vom 2. Juni 1932, RStBl 1932 S. 591, und des BFH I 169/55 U vom 6. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 82 auch aus noch Markus und Markus.[83 rechte Spalte Ende erster Absatz], Slg. Bd. 62 S. 220; sowie Abschn. 29 Abs. 4 EStR 1963).
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Der Grundsatz, daß die bezeichneten Betriebe ihre baren Betriebseinnahmen nicht einzeln aufzeichnen müssen, wird durch steuerrechtliche Vorschriften nicht eingeschränkt. Nach § 162 Abs. 2 AO sind die Eintragungen in die Bücher fortlaufend, vollständig und richtig zu machen. Die Vorschrift betrifft nur Eintragungen, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder anderer Vorschriften vorzunehmen sind. Ein Rückschluß auf die Eintragungspflicht selbst kann aus ihr nicht gezogen werden. § 162 Abs. 7 AO bestimmt, daß die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben im geschäftlichen Verkehr mindestens täglich aufgezeichnet werden sollen. Die Einzelaufzeichnungspflicht der Kasseneinnahmen kann auch hieraus nicht hergeleitet werden, wenngleich nicht zu verkennen ist, daß die Erfüllung der mindestens täglichen Aufzeichnungspflicht gerade beim Vorkommen zahlreicher Kassenvorgänge voraussetzt, daß der Steuerpflichtige sie irgendwie festhält. Denn es muß gleichzeitig gewährleistet sein, daß die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig und richtig (§ 162 Abs. 2 AO) aufgezeichnet werden. Die vom Senat für die bezeichneten Betriebe für ausreichend gehaltenen Kassenberichte bieten eine solche Gewähr.
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Die Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ergibt, daß von den Stpfl. weder nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung noch nach steuerrechtlichen Sondervorschriften die Einzelaufzeichnung ihrer baren Betriebseinnahmen verlangt werden konnte. Damit war die Schätzungsbefugnis des FA wegen fehlender Aufzeichnung der einzelnen Einnahmen nicht gegeben.“
Quelle: BFH, Urt. v. 12.05.1966, Az.: IV 472/60, https://www.jurion.de/urteile/bfh/1966-05-12/iv-472_60/