Typisch für die Bau- und Reinigungsbranche sind derzeit Vorwürfe, Scheinrechnungen (=Abdeckrechnungen) wären eingekauft worden und von dem so freigewordenen Geld wären Mitarbeiter schwarz oder teilweise schwarz entlohnt worden.
Häufig sind die Ermittlungen oberflächlich und beinhalten lediglich die Feststellung, dass die Fremdleistungsfirmen entweder nicht mehr am Markt auffindbar sind oder selbst ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die dort verantwortlichen Geschäftsführer bzw. Unternehmer läuft. Dann werden in der Betriebsprüfung bzw. Fahndungsprüfung einfach die Eingangsrechnungen der Fremdleister addiert und der Betriebsausgabenabzug bzw. der Vorsteuerabzug versagt.
Denn aus einer Scheinrechnung ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht zulässig. Bei einer Scheinrechnung ist die Leistungserbringung nicht erfolgt, sodass Betriebsausgaben und Vorsteuer aus dieser Scheinrechnung nicht anerkannt werden. Der Unternehmer trägt die Beweislast, dass die Leistung erbracht wurde und der Rechnungsaussteller existent ist und die Leistung erbracht hat.
Aber woher weiß man nun eigentlich, was eine Scheinrechnung ist? Das steht doch nicht drauf!
Der Beweis der Leistungserbringung ist normalerweise mit der Original-Eingangsrechnung und der Bezahlung derselben erbracht. Das ist ein Indizienbeweis, der aber erschüttert werden kann. Da es nicht erforderlich ist, schriftliche Verträge oder umfangreiche Korrespondenz zu Vertragsausführungen zu fertigen, genügt zwischen fremden Dritten in der Regel ein mündlicher Vertrag, die tatsächliche Vertragserfüllung und die ordnungsgemäße Abrechnung hierüber.
Wenn dann auch noch die Rechnung bezahlt ist, und eine Quittung oder eine Banküberweisung vorhanden sind, die die Zahlung nachweist, ist der Vorsteuerabzug berechtigt vorgenommen, unterstellt, dass die Eingangsrechnungen eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG ist. Das alles soll aber erschüttert werden, bloß weil ein Ermittlungsverfahren mittlerweile gegen den damaligen Rechnungsaussteller läuft, was zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung und der Bezahlung vielleicht noch gar nicht bekannt war.
Auch dass der Fremdleister einige Jahre später vielleicht in Insolvenz fiel oder seinen Betrieb aufgab, wegzog umbenannte oder den Betrieb veräußerte oder der Inhaber verstarb, war natürlich im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht erkennbar und nicht vorhersehbar. Gleichwohl sehen FKS (Finanzkontrolle Schwarzarbeit ) und Steuerfahndung sowie Betriebsprüfung in dem Umstand, dass Ermittlungsverfahren gegen die betreffenden Verantwortlichen der Unternehmen geführt werden oder dass diese nicht mehr am Markt sind, so erhebliche Indizien, dass die bis dahin bestehende Beweislage angeblich erschüttert sein soll.
Dem ist natürlich nicht zu folgen. Unternehmen können geschlossen werden, Unternehmer können sterben oder Ihr Unternehmen veräußern oder in Insolvenz fallen.
Jährlich werden ca. 150.000 Unternehmen geschlossen. Ca. 130.000 Unternehmen kommen jährlich neu auf den Markt. Wir haben also eine leicht sinkende Anzahl der Unternehmen … bei 8 Millionen Unternehmen in der Bundesrepublik ein jährlicher Rückgang von ca. 0,25 % … so ist der Trend jedenfalls in den letzten 10 Jahren (seit 2008).
Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang hinsichtlich verschwundener Unternehmen die Normalität dieses Verschwindens, dieses gigantischen Umwälzungsprozesses aufzuzeigen.
Dass ein Unternehmen heute nicht mehr existiert, ist also etwas Normales und nichts, was gegen den Unternehmer spricht, der die Eingangsrechnung von diesem Unternehmen damals zum Vorsteuerabzug und Betriebsausgabenabzug verwandte.
Der Rechnungsempfänger hat doch nicht dafür einzustehen, dass der Rechnungsaussteller auch die nächsten Jahre hin noch besteht oder seinerseits steuerlich seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Eine solche Haftung in der Leistungskette wäre fatal … und steht jedenfalls derzeit noch nicht im Gesetz.
Es ist also eine riesige Fluktuation von Unternehmen und letztendlich ist nicht jeder zum Unternehmer geboren und nicht jeder wirtschaftet vernünftig und nicht jeder hat das notwendige Glück, mit richtigen Mitarbeitern und wichtigen ertragsstarken Aufträgen erfolgreich zu wirtschaften.
Macht man sich einmal klar, dass wir ca. 8 Millionen Betriebe in der Bundesrepublik haben und 150.000 Betriebe jährlich vom Markt verschwinden, und fast gleich viel (mit etwas rückläufiger Tendenz in den letzten 10 Jahren (2007-2017), findet also eine Umwälzung alle Betriebe statistisch gesehen komplett in 20-30 Jahren statt.
Anders formuliert: alle Unternehmen, die heute am Markt sind, sind statistisch gesehen in 30 Jahren nicht mehr am Markt. Eine komplette Umwälzung aller Unternehmen in 30 Jahren. Das klingt unglaublich. Und das sind natürlich nicht alles Insolvenzen, sondern teilweise werden Unternehmen verschmolzen, teilweise liquidiert, teilweise verkauft.
Vor diesem Hintergrund ist es schon bemerkenswert, dass die Steuerfahndung oder die FKS (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) aus dem Verschwinden von irgendwelchen Unternehmern versucht ein Argument dergestalt hervorzuzaubern, dass dies eine Scheinrechnungserstellerin gewesen sein muss, die nun abgetaucht ist.
Dass eine Firma heute nicht mehr existiert, ist alles andere als ein nachvollziehbares Argument dafür, dass das eine Scheinrechnungsausstellerin gewesen sein soll und weder schlüssig noch entspricht das den Realitäten.
Kennen Sie noch die Dresdner Bank AG? Wer hätte geglaubt, dass die in der Commerzbank AG letztendlich aufgeht? Und heute die eine oder andere Bank nicht mehr. Heute sprechen Deutsche Bank AG und Commerzbank AG über Fusionen und möglicherweise gibt es dann in ein paar Jahren, die eine oder andere AG nicht mehr?
Kennen Sie noch NSU oder Horch oder DKW? Oder Bremer Vulkan? Oder die Firma Philipp Holzmann AG?
Dann gab es auch mal IG Farben…. Tausende von Unternehmen verschwinden vom Markt. Ob Groß ob Klein. Woolworth gab es auch einmal. Walmart auch. Walmart gibt es in den USA zwar immer noch – der Lebensmittelriese hat sich jedoch komplett aus Europa zurückgezogen.
Oder erinnern Sie sich noch an Horten, an Praktiker, Borgward, Saba, Telefunken oder Commodore?
Und dann gibt es Unternehmen, die haben es offenbar wieder geschafft: Junghans, Märklin, Maybach, Opel … oder sind das nur vorübergehende Verhinderungen der sowieso irgendwann kommenden Pleiten, Fusionen und Umwälzungen?
Und warum ist eigentlich LVMH entstanden? Aus Angst vor feindlichen Übernahmen …!
Kurzum: es ist völlig normal, dass Unternehmen aufgeben, verkauft werden, fusionieren, Standorte aufgeben in Insolvenz fallen oder liquidiert werden.
Erinnern Sie sich daran, das früher einmal in fast jedem Ort eine Bankfiliale war? Tausende von Bankfilialen sind längst geschlossen worden. Sind die ganzen verschwundenen Unternehmen nun deswegen alles Scheinunternehmen? Nur, weil sie heute nicht mehr am Markt sind? Sicher nicht! Aus dem Umstand, dass also ein Unternehmen nicht mehr unter der angegebenen Adresse aufzufinden ist und auch sonst nicht mehr existiert, ist also rein gar nichts zu schließen. Schließungen, Fusionen, Insolvenzen, Liquidationen sind normal.
Es ist ein riesiger Umwälzungsprozess. Erst recht ist also das Verschwinden einer Firma vom Markt kein Beweis dafür, dass dies eine Scheinrechnungsausstellerin war.