Auswahl der Prüfungsmethoden

Bislang konnte und durfte die Finanzverwaltung mit eigenen Prüfungsmethoden prüfen wie und was sie wollte. Der BFH hat sich hier komplett zurückgehalten und weder die Prüfungsmethoden noch die Prüfungsdauer nochden Prüfungsumfang noch die Pingeligkeiten oder die Kleinlichkeiten der Prüfer trotz  der bestehenden Prüfungsgrundsätze beanstandet.

In den älteren Urteilen wie etwa BFH v. 03.09.1998,- XI B 209/95- klingt das noch (im Hinblick auf Art 19 Abs.

4 und Art 20 Abs. 3 GG recht bedenklich) wie folgt:

„Gemäß § 162 Abs. 1 AO 1977 hat die Finanzbehörde unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Besteuerungsgrundlagen, die sie nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 162 AO 1977 gibt dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis. Dabei ist es grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1962 I 150/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 60; vom 24. November 1988 IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416).

Es steht auch im pflichtgemäßen Ermessen des FG, sich der vom FA angewendeten Schätzungsmethode anzuschließen oder eine andere Schätzungsart zu wählen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 IV 448/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 217, Rechtsspruch 61).

Der Steuerpflichtige selbst hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (vgl. Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Anm. 44 a). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß das Finanzamt und das FG grundsätzlich nicht verpflichtet sind, das aufgrund der von ihnen gewählten Schätzungsmethode erzielte Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern.“

Quelle: BFH, Beschl. v. 03.09.1998, Az.: XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290-291.

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Mit dem Urteil vom 25.03.2015 hat der BFH

sich allerdings erstmals in die Auswahl der Prüfungsmethoden eingemischt und eine Nomenklatur der Methoden dogmatisch aufgebaut und beispielsweise die statistischen Prüfungsmethoden zu Recht völlig entwertet.

So ist die Ausbeutekalkulation die zwar schwierigste und anstrengendste aber auch die genaueste Methode. Genau genommen muss sie für jede Ware oder jedenfalls für jede Warengruppe vorgenommen werden.

Möglicherweise muss auch unterjährig bei starken Preisschwankungen das einzelne Produkt neu kalkuliert werden. Wenn sie richtig gemacht ist, ist sie also das stärkste Verprobungsmedium. Eine Nachkalkulation vollzieht anhand der Kalkulationsunterlagen des Stpfl. insbesondere dessen Wareneinkaufs (abzüglich Schwund, Verderb, Bruch, Eigenverbrauch, Rücklieferungen, Geschenke usw. multipliziert mit den zum Verprobungszeitpunkt geltenden Verkaufspreisen) nach, welche Umsätze theoretisch rechnerisch erzielt worden sein könnten oder müssten, und ermöglicht damit die Errechnung des Rohgewinnaufschlagsatzes für dieses Produkt.

Das sagt natürlich noch lange nicht über den Gewinn.

Denn dann müsste ich erst für jedes Produkt den möglichen erzielbaren Umsatz aus dem tatsächlichen Wareneinsatz (das ist nicht der Einkauf, s.o.) berechnen und dann alle tatsächlichen Kosten (Betriebsausgaben der Betrachtungsperiode) abziehen (BFH, Urteil v. 31.07.1974, I R 216/72, BStBl 1975 II, 96; BFH, Urteil v. 17.11.1981, VIII R 174/77, BStBl 1982 II, 430).

Die Finanzverwaltung die kann sich dabei bei der Nachkalkulation auf die Angaben des Steuerpflichtigen (dessen Wareneinkauf, dessen Buchführung, dessen Kochrezepte) stützen oder eigene Ermittlungen anstellen  (BFH, Urteil v. 17.11.1981, VIII R 174/77, BStBl 1982 II, 430). Was aber nicht zulässig ist, ist die Ermittlung teilweise eigener Rohgewinnaufschlagsätze für einzelene Produkte und die Auffüllung anderer Rohgewinnaufschlagsätze für andere Produkte von anderen Unternehmen.

Zulässig ist es auch Warengruppen zu bilden.

Nur dann muss natürlich ermittelt werden, ob die richtigen Produkter zu einer passenden Gruppe zusammengefasst wurden. Da die Rückschlüsse auf den Gewinn nur durch Einbeziehung der Aufschlagsätze auf die einzelnen Warengruppen gewonnen werden können, muss das FA bei ihrer Anwendung sorgfältig verfahren (BFH, Urteil v. 26.04.1983, VIII R 38/82, BStBl 1983 II, 618).

Die Nachkalkulation ist aber schwierig und vor allem für jede einzelne Ware bzw. Warengruppe durchzuführen. Würde man nur eine Ware nachkalkulieren, lässt sich damit nicht der gesamte Umsatz eines Lokals oder eines Betriebes nachkalkulieren.

Denn natürlich könnte man, wenn man ein Produkt nachkalkuliert, den Umsatz aus diesem Produkt errechnen. Damit kann aber weder der Gesamtumsatz noch der Gewinn des Betriebs hochgerechnet werden.

Jede Ware ihren eigenen Rohgewinnsaufschlagsatz und je nach Häufigkeit der Bestellung beziehungsweise des Verkaufs der einzelnen Produkte schlägt sich dann natürlich dies im Umsatz und auch im durchschnittlichen, gewichteten Rohgewinnsaufschlagsatz nieder.

Erst wenn aus allen Waren die Ausbeutekalkulation gemacht ist, also von dem gesamten Warenbestand bzw. Wareneinsatz der Betrachtungsperiode, kann daraus der theoretisch möglich Umsatz aus dem Wareneinsatz für diese Periode errechnet werden.

Das größte Problem ist,

dass erst mal der Anfangsbestand hinzugezählt und der Endbestand abgezogen werden muss, damit der Einsatz des Jahres (der Periode) korrekt ermittelt und nicht etwa Anfangsbestände aus dem Vorjahr oder Restbestände am Jahresende, die erst im Folgejahr verbraucht wurden, der Ermittlungsperiode zugerechnet werden.

Das zweite Problem

liegt in dem Unterschied zwischen theoretisch möglichem und tatsächlichem Verkauf: Im Handelsbetrieb können Kundendiebstähle oder Mitarbeiterdiebstähle die tatsächliche Verkaufsmenge beeinflussen. Dieser Schwund steht also für den Umsatz nicht zur Verfügung. Bruch und Verderb tun ein Übriges.

Zu den Mindestvoraussetzungen der Ausbeutekalkulation gehört es, dass eine solche Nachkalkulation in ihren Einzelheiten nachvollziehbar ist; danach sind eine weitgehende Aufgliederung des Wareneinsatzes und ein genauer Überblick über das Preisgefüge erforderlich (BFH, Urteil v. 26.10.1982, VIII R 151/79 m. w. N.). Die Aufschlagssätze für einzelne Warenposten waren seit jeher uneinheitlich. Für ihre Höhe ist unter anderem von Bedeutung, welcher Artikel verkauft werden soll, wer die Abnehmer sein sollen, wann verkauft wird usw.; dies muss bei der Nachkalkulation berücksichtigt werden (BFH Urteil v. 31.07.1974, I R 216/72, BStBl 1975 II, 96 m. w. N.).

Grundsätzlich müsste der Wareneinsatz in so viele Warengruppen aufgeteilt werden, wie unterschiedliche Aufschlagsätze im Betrieb vorkommen.

Eine Zusammenfassung zu Gruppen mit gleichartigen Waren ist jedoch zulässig, wenn in etwa gleichhohe Aufschlagsätze angewandt werden. Ist der Wareneinsatz nicht bereits im Wareneingangsbuch (Warenkonto) aufgegliedert, muss sich der Betriebsprüfer dieser Arbeit selbst unterziehen.

Er hat die Aufgliederung in seinen Arbeitsunterlagen betragsmäßig festzuhalten und auf Verlangen offenzulegen. Besonders sorgfältig sind die Aufschlagsätze für die einzelnen Warengruppen zu ermitteln. Besteht die Gruppe aus mehreren Artikeln mit unterschiedlichen, aber beieinander liegenden Aufschlagsätzen, ist anhand des Mengenumsatzes und der einzelnen Aufschlagsätze ein gewogener mittlerer Aufschlagsatz zu bilden.

Auch Preisänderungen innerhalb eines Jahres sind bei der Bildung des mittleren Aufschlagsatzes zu berücksichtigen. Sind solche Preisänderungen erheblich, kann Anlass bestehen, einzelne oder sogar alle Warengruppen zeitlich aufzuteilen und für die einzelnen Zeitabschnitte unterschiedliche Aufschlagsätze zu bilden. Sofern der Betriebsprüfer nicht auf Angaben des Steuerpflichtigen zurückgreifen kann, muss er die Ermittlung der Aufschlagsätze belegbar festhalten und ggf. offenlegen (BFH, Urteil v. 17.11.1981, VIII R 174/77, BStBl 1982 II, 430 m.w.N.).

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Danach kommen in dieser Nomenklatur der Wertigkeiten der Prüfungsmethoden nach dem BFH-Urteil vom 25.03.15 die Vermögenszuwachsrechnung und die Bargeldverkehrsrechnung, die ganz einfach dem Gedanken folgen, dass ein hinzukommendes sich aus den Einkünften bzw. Aus etwaigen Schenkungen und Erbschaften erklären muss, das Geld aber nicht im Keller wächst. Die Mittelherkunft muss sich also stets erklären lassen und bei dem selbstständigen für schwarze Einnahmen, wenn er das Geld nicht geklaut oder im Keller gedruckt hat. Letztere beide Alternativen wären aber ebenfalls strafbar. Kurzum: im Geldkreislauf muss ich eben die Herkunft unter Zuwachs erklären lassen. Daraus folgen natürlich Waren-und Bargeldunterdeckungsrechnungen: wird weniger eingekauft als verkauft, spricht das für einen schwarzen Zukauf. Wird mehr Geld (bar) ausgegeben, als beispielsweise erwirtschaftet oder abgehoben, spricht auch dies für schwarze Einnahmen. Am schwächsten sind dann aber die statistischen Methoden wie Chiquadrat, Benfords Law,  Hillverprobung, Quantillschätzung, Zeitreihenvergleich, und andere. Beim BFH klingt aus dem Urteil vom 25. 03.15 (X R 20/13) Rn 59-61, insbes. RN 60 wie folgt wörtlich:

„59 b) Sofern der Zeitreihenvergleich dem Grunde nach eine geeignete Verprobungsmethode darstellt, kann er gleichwohl gegenüber anderen Methoden nachrangig sein bzw. können seine Ergebnisse nur unter Beachtung der nachfolgend (unter aa bis cc) dargestellten Abstufungen der Schätzung zugrunde gelegt werden.

60 Rechtliche Grundlage dieser Einschränkungen ist die Vorschrift des § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Wahlfreiheit des FA bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, unter 1.c). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FA bzw. FG (vgl. BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig.

61 Darin liegt keine Abweichung von der —vom FA angeführten— Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a, und vom 27. Januar 2009 X B 28/08, BFH/NV 2009, 717, unter 3.b). Denn dies lässt die Geltung der Grundsätze für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unberührt. Im Übrigen betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen der Steuerpflichtige begehrte, das Ergebnis einer ordnungsgemäß angewendeten Schätzungsmethode durch Anwendung einer anderen, jedoch nicht vorrangigen oder besser geeigneten Methode zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 290, unter II.2.b, und in BFH/NV 2009, 717, unter 3.b: keine Überprüfung einer Aufschlagkalkulation durch eine Geldverkehrs- bzw. Vermögenszuwachsrechnung erforderlich; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1014, unter 2.a: keine Überprüfung einer Geldverkehrsrechnung durch eine Nachkalkulation erforderlich). Darum geht es vorliegend indes nicht.“

Quelle:  BFH  v. 25.03.2015 – X R 20/13 BStBl 2015 II S. 743, Rn 59-61