Keine Akteneinsicht in das Fallheft der Betriebsprüfung (BP) oder der Steufa?
Immer wieder mal behaupten Betriebsprüfer oder Steuerfahnder, deren Falle sei ein persönliches Fallheft oder eine persönliche Akte oder sie sei gleich der Handakte des Staatsanwalts, in das kein Akteneinsichtsrecht bestehen soll. Das ist natürlich weit gefehlt. Denn das Fall Heft der Betriebsprüfung oder der Steuerfahndung sind natürlich die eigentlichen Ermittlungsakten. Das sind nämlich die steuerlichen Ermittlungsakten oder die steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten. Mit einer privaten Aufzeichnung oder einer privaten Akte hat dies natürlich gar nichts zu tun, weil sie im Rahmen der Dienstzeit entsteht und natürlich die maßgebenden Arbeitsschritte zeigt.
Entscheidend ist also nicht, als was der Fahnder oder Betriebsprüfer die Akte hinterher bezeichnet oder ob er sie dem Gericht vorlegen möchte oder nicht, sondern welche materiellrechtlichen Vorgänge darin enthalten sind und welche materiellrechtlichen Vorgänge dem Gericht vorzulegen sind. Zweifellos sind die steuerlichen Berechnungen und Ermittlungen genauso wie die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen dem Gericht vorzulegen und letztendlich auch dem Verteidiger sie rein uneingeschränkt Akteneinsicht zu gewähren.
Natürlich enthalten diese Akten keine innerdienstlichen Vorgänge, die geheimhaltungsbedürftig sind oder die unzugängliche interner Verwaltung interner beinhalten würden. Dort sind auch keine innerdienstlichen Vorgänge abgelegt, die geheim zu halten wären. Dort sind Telefonate und Ermittlungsergebnisse sowie etwa auch die Planung und Durchführung der Durchsuchung und andere maßgebende Ermittlungen und Verprobungen und Berechnungen enthalten. Das sind allesamt dienstliche Vorgänge angefangen bei dem Anfangsverdacht über die Zusammenstellung der Steuererklärung der Steuerpflichtigen bis hin zu einer steuerstrafrechtlichen Vorprüfung und der Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses, Haftbefehls usw.
Auch zusammenfassende Inhaltsangabe, Aktenvermerke, Kurzübersetzungen abgehörter Telefongespräche sind natürlich keine internen Hilfs-oder Arbeitsmittel der Finanzbehörden oder das FKS, sondern Teil der Ermittlungsakte und damit natürlich dem Gericht vorzulegen.
Auch namentliche oder anonyme Strafanzeigen
Auch namentliche oder anonyme Strafanzeigen sind dem Gericht gemäß Paragraf 199 Abs. 2 vorzulegende Aktenbestandteile, die daher auch Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach Paragraf 147 Abs. 1 StPO sind (BGH, Urteil vom 18.06.2009, StraFo 2009, 338). Die Vorenthaltung von Vorgängen, deren Bedeutung auch nur möglich ist, bedeutet nicht nur eine strafbare Urkundenunterdrückung, sondern auch eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in Steuerstrafverfahren und damit einen absoluten Revisionsgrund nach § 38 Nummer 8 StPO, sowie einen Verstoß gegen das fair trial Prinzip nach Art 20 III GG, gegen das Rechtsstaatsgebot, Art 20 III GG und gegen die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung das Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in Besteuerungsverfahren ist die Vorenthaltung von Akten oder Akten teilen zudem auch noch ein (versuchter) Prozess betrug, da solche Akten oder Aktenteile natürlich zurückbehalten werden, um prozessuale Vorteile und Beweisvorteile zu erlangen. In der Akteneinsicht darf keine aktenkundige Tatsachen entzogen werden, die für eine Entscheidung gegen wurde für den Beschuldigten verwertet werden soll bzw. Verwertet werden könnte (BVerfG v 09.03.1965, BVerfGE 18, 405; Eisenberg NJW 1991, 1257, 1259).
Daher gehören auch Arbeitsunterlagen wie das Fall Heft von außen prüfen zu den der Akteneinsicht unterliegenden Akten (Burkhard StV 2000, 526; a.A. jemand aus der Finanzverwaltung – wen wundert es? Viertelhausenwistra 2003, 409). Bestehen insoweit Zweifel, müssen auch diese Akten dem Gericht vorgelegt werden (BVerfG v 12.01.1983, BVerfGE 63, 45). Der sogenannte rote und der grüne Bogen (in Hessen der blaue Bogen) – das sind Vermerke des Betriebsprüfers über aus seiner Sicht steuerstrafrechtlich relevante Tatsachen und Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen – sind natürlich ebenso Bestandteil der Ermittlungsakte (Burkhard StV 2000m 526) und dürfen nicht entfernt werden, wie überhaupt keine Unterlagen oder Aktenbestandteile für die Akteneinsicht entfernt werden dürfen.
Der „Trost“ bei manipulierten Akten dahingehend, dass verheimlichter, vorenthaltener Tatsachenstoff gegen den Beschuldigten nicht verwertet werden darf, taugt nichts.
Der Hinweis darauf, dass verheimlichter, vorenthaltener Tatsachenstoff gegen den Beschuldigten nicht verwandt werden darf, der also seinem Verteidiger im Rahmen der Akteneinsicht nicht zugänglich gemacht worden ist (RG v 15.07.1938, RGSt 72, 268) hilft deswegen nicht wirklich weiter, da Belastendes im Regelfall aus einer Eigenmotivation der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung und Betriebsprüfung stets vorgelegt werden wird, also im Zweifelsfall nur Entlastendes oder die belastenden Positionen oder deren Materialerlangung in Frage stellendes zurückgehalten werden wird.
In diesem Zusammenhang mag daran erinnert werden, dass die Art und Weise der Ankäufe der CDs extrem dubios in den entsprechenden Ermittlungsakten dargestellt wurden. Da gab es Aktenvermerke über die angeblichen Ankaufsvorgänge, die zwischen lustig bis völlig albern einzustufen waren, keinesfalls aber den tatsächlichen Sachverhalt abbildeten. Sinngemäß saßen da 3 Beamte in einem Café am Tisch und aus dem Nichts tauchte eine Person auf, die so durchschnittlich aussah, dass nahezu jeder bundesweit dazu gepasst hätte. Weder Akzent noch Haarfarbe, noch irgendwelche anderen ihn kennzeichnenden Merkmale konnten beschrieben werden. Mittelgroß, mittlerer Haarfarbe, Trenchcoat, Hose, Schuhe, Hemd und große, das ganze Gesicht verdeckende dunkle Sonnenbrille, so wird der Anbieter beschrieben.
Heino? Nein – der hatte blonde Haare. Aber wer dann?
Schreiben Sie mal den Typen bei XY ungelöst aus. Entweder lachen alle, weil auf so eine Beschreibung niemand passt oder es gehen 5 Millionen Hinweise ein, weil auf die langweilige und nichtssagenden Beschreibung jeder passt. Gleichwohl verhandelte man mit dieser 0815-Figur über den Kauf einer Daten CD. Kaufpreisverhandlungen schien es aber nicht wirklich zu geben. Überliefert ist jedenfalls nicht, dass die Beamten etwa nur 1 Million oder nur 2 Millionen € angeboten haben und dann ein harter Verhandlungs-Poker über den Preis der Daten-CD entbrannte. Irgendwie muss der Anbieter 4,5 Millionen in den Raum geraunt haben und die 3 von der Verwaltung müssen dann einfach nur genickt haben. Stellen Sie sich mal vor, mit solch einem Text kommt ein Beamter zum Vorsteher eines Finanzamts und erklärt, er diesen Fall so mit der Bemerkung, er bräuchte jetzt mal kurz 4,5 Mio. Euro, um die CD zu kaufen … Was macht in solchen Fällen für gewöhnlich? Er nickt, holt 4,5 Mio. € aus der Kleingeldkasse des Finanzamts und sagt zu seinen Mitarbeitern: „na gut, Jungs, das machen wir. Hier ist die Kohle und nun geht mal schöne Daten kaufen!“ Glauben Sie, das lief so? Jedenfalls muss die CD dann ohne nähere Prüfung bereitwillig zu dem Wunschpreis des Verkäufers gekauft worden sein, wenn man dem Aktenvermerk glauben möchte.
Der dubiose märchenhaft klingende Aktenvermerk über den Ankauf klingt dann etwa so: Man verabredete sich auf bald und der Datenanbieter verschwand. Niemand folgte ihm. Niemand beobachtete, mit welchem Fahrzeug er weg fuhr und wohin er ging. Niemand stallte danach Ermittlungen über die Identität und die Seriosität des Anbieters an. Bei den angeblichen Scheinfirmen bzw. Domizilgesellschaften verlangt die Verwaltung peinlich genaue Überprüfungen des Geschäftspartners und das Festhalten und Dokumentieren eines echten wirtschaftlichen Betriebs beim Vertragspartner im Ausland .. hier vergas man wohl alles zu dokumentieren und zu prüfen. Es heißt dann sinngemäß weiter: Genauso plötzlich tauchte der Anbieter, ohne dass dies verarbeitet war, 14 Tage später wieder auf. Man mag sich wundern, dass diese 3 Beamten wieder zufällig in dem selben Café saßen, gemütlich in den blauen Himmel blickten und dann stand der unbekannte Dritte wieder bei Ihnen – na klar – mit dunkler Sonnenbrille und den in der Sonne glitzernden CD-Scheiben. Na logo – was machen Finanzbeamte auch sonst -außer in Cafés zu sitzen und auf unverhofft daherkommende CD-Anbieter zu warten. Jeder Strafrichter würde grölend unter dem Tisch liegen vor Lachen, wenn ein Angeklagter ihm eine solche Story auftischen würde, wie er einen Vertrag über 4,5 Millionen € schloss und wie die Übergabe der Ware zustande kam. Wohl jeder Staatsanwalt würde den Angeklagten anbrüllen, ob er ihn denn wirklich verarschen wolle … Nun gut. Wir sind nicht im Gerichtssaal – wir sind bei Staatsdieners Beamten und den üblichen Cafehaussitzungen und den dabei zufällig sich ergebenden natürlichen CD-Ankäufen. Völlig plausible Geschichte, der Beamten, finden Sie nicht? Und der unbekannte Mister Sonnenbrille: Sie erinnern sich? Weder Akzent noch Haarfarbe, noch irgendwelche anderen ihn kennzeichnenden Merkmale konnten beschrieben werden. Mittelgroß, mittlerer Haarfarbe, Trenchcoat, Hose, Schuhe, Hemd und große, das ganze Gesicht verdeckende dunkle Sonnenbrille, so wird der Anbieter beschrieben. Man erkannte sich natürlich gleich wieder. Denn bei einem so markanten Äußeren gibt es natürlich diese Figur nur ein einziges Mal weltweit.
Nicht überliefert wurde, ob Mister Sonnenbrille durch die dunklen Gläser die Finanzbeamten zuerst erkannte oder andersherum die Finanzbeamten Mister Sonnenbrille zuerst erkannten. Mister Sonnenbrille übergab dann jedenfalls die CD und bekam das Geld und verschwand wieder genauso, wie er gekommen war. Ob er am Tisch mit der dunklen Sonnenbrille die Summe nachgezählt oder die Scheine auf Echtheit geprüft oder den Koffer auf Wanzen untersucht hat und ob die dunklen Gläser überhaupt zugelassen hätten, dass er bunt bedrucktes Papier von Geldscheinen auseinanderhalten kann, ist ebenfalls nicht überliefert. Niemand folgte ihm. Jedenfalls ist in dem Aktenvermerk hierzu nichts mitgeteilt. Aber vielleicht folgte man ihm auch und verlor ihn bald aus den Augen … und um diese Panne zu verheimlichen, verschwieg man lieber, dass die Jagd nach Mister Sonnenbrille auch aufgenommen wurde. Es sieht so aus, dass niemand versuchte, die Identität von Mr. Sonnenbrille herauszubekommen.
Und ob die Beamten völlig frustriert nach der Übergabe des Koffers feststellten, dass sie die beiden Minisender im Fahrzeug ihres Chefs hatten liegen lassen und versehentlich nicht in den Koffer gelegt hatten, und wegen dieser und anderer Pannen später befördert wurden, ist ebenfalls nicht überliefert worden.
Niemand würde so einen schlechten Krimi glauben und niemand, der die Finanzverwaltung kennt, kann annehmen, dass irgend einem Beamten mal so kurz 4,5 Millionen € aus der Staatskasse zum Erwerb irgendwelcher ungeprüften CDs übergeben werden.
Allein dass die Finanzverwaltung keine Bargeldkasse hat und daher die Beschaffung von 4,5 Millionen € nicht mal so kurz durch einen Gang zur hauseigenen Barkasse zu erhalten sind und zudem kein Vorsteher über einen so hohen Betrag würde verfügen dürfen und können, wo doch schon 40.000 € für die Finanzverwaltung Großbeträge sind, lässt einen bei dieser Geschichte ungläubig staunen.
Und dass der Bundesnachrichtendienst nicht eingeschaltet wird und die Identität von Mister Sonnenbrille nicht überprüft wird, glaubt wohl auch niemand ernsthaft. Sind solche gefakten Aktenvermerke zur Verdeckung des Anbieters der CD eine zulässige kriminalistische List? Sind solche Fälschungen von Aktenvermerken und Sachverhalten in einem Rechtsstaat zulässig? Kann man hier einfach Märchen in die Akte hängen und wenn man das darf, was stimmt ansonsten in den Akten? Welche anderen Märchen werden sonst noch so erfunden, wenn es dem Zweck und dem Wohle des Rechtsstaats dient?
Und was für ein (Rechts-)Staat ist das, der so vorgeht? Und die Moral von der Geschicht? Traue dem Inhalt von behördlichen Aktenvermerken nicht …?
Aber vielleicht irre ich mich auch und es ist tatsächlich so gelaufen, wie in dem Aktenvermerk geschrieben? Was meinen Sie?