Eigene Ermittlungen des Verteidigers Beweisantrag, Beweisermittlungsantrag

Akteneinsicht Verteidiger

Das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht und Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke (Buchführungen, Scheinrechnungen, elektronische Buchführungen, Kassendaten usw.) ist grundlegend für eine effektive, wirksame Verteidigung. Dabei geht es nicht an, dass die Finanzverwaltung oder die Staatsanwaltschaft die Akten vor sortiert oder bestimmte Teile aussortiert. Auch wenn es nett gemeint aussieht, wenn die Steuerfahndung vorbereitete Ordner für die Akteneinsicht in Form von Fall-Laschen zusammenstellt und so die aus ihrer Sicht wesentlichen Punkte schon einmal vorbereitet, muss der Verteidiger die vollständige Akte in ihrer chronologischen Abfolge lesen und durcharbeiten. Hier sind häufig zahlreiche Blätter doppelt, manche Irrwege zu erkennen, und die vielen Aktennotizen und Telefonvermerke und Bearbeiternotizen zeigen, ob diese Akte lebt oder ob nur ein manipuliertes Feigenblatt zur Akteneinsicht vorgelegt wurde. Der Beginn der Akte muss sich genauso logisch verstehen lassen, wie die Abläufe. Nach § 147 StPO hat der Verteidiger einen Rechtsanspruch auf eine vollständige, unmanipulierte Akte.

§ 147 StPO lautet wie folgt wörtlich:

㤠147 StPO

Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten

Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

1Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. 2Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

1Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. 2Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

1Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. 2Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. 3Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. 4Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

1Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. 2Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.“

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208), in Kraft getreten am 01.01.2018

Zu den Akten gehören alle Unterlagen

Zu den Akten gehören alle Unterlagen einschließlich der bei Akten und der Nebenakten, gleichgültig welchen Namen sie tragen und der als Beweismittel (zum Beispiel Buchführung, elektronische Dateien) verwahrten Gegenstände.

Das Akteneinsichtsrecht umfasst nicht nur die Akten, die dem Gericht vorgelegt worden sind (dann wäre es ein leichtes für die Verwaltung und die Staatsanwaltschaft das Akteneinsichtsrecht zu frisieren, wenn man nur einen Teil der Akte dem Gericht vorlegen würde und den anderen Teil der Wahrheitsfindung und Beurteilung des Sachverhalts entziehen könnte) bzw. vorzulegen wären, § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO (Burkhard wistra 1996, 171; Burkhard StV 2000, 526), sondern ebenso alle sonstigen verfahrensbezogenen Unterlagen, die zu den Akten genommen wurden (und dann gegebenenfalls wieder herausgenommen wurden, wie etwa Strafanzeigen und unliebsame Gutachten oder unliebsame Urteile) (vgl. BVerfGE v 07.12.1982, NStZ 1983, 131, 132; LG Nürnberg-Fürth v 12.01.2011 Strafo 2011, 225). Soweit keine Sperrerklärung nach § 96 abgegeben wird, sind behördliche Vertraulichkeitsbitten steuerstrafrechtlich völlig unbeachtlich (NStZ 1997,43). Aber auch in einem reinen Steuerstreit (ohne steuerstrafrechtliche Unterlegung), wäre eine behördliche Vertraulichkeitsbitte umbeachtlich.

Die Strafverfolgungsbehörde darf kein be- und entlastendes Material zurückbehalten (Burkhard wistra 1996, 171). Dazu gehören auch die Steuerakten der Finanzbehörde. So kann es auch sein, dass auch Akten Dritter beigezogen werden müssen, etwa wenn die Frage einer Scheinfirma oder einer Scheinrechnung zur Diskussion steht, müssen natürlich auch die Steuerakten und eventuellen Steuerstrafakten gegen den angeblichen Scheinrechnungsaussteller beigezogen werden können, um zu prüfen, ob er eine wirtschaftlich existente Firma war. Sind dort zahlreiche Anmeldungen oder Steuererklärungen mit namhaften Umsätzen enthalten, vielleicht sogar Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen, sind dann etwa bei den Krankenkassen bzw. bei der Deutschen Rentenversicherung auch noch Mitarbeiter gemeldet, müssen auch diese Akten (gegebenenfalls auf Antrag des Verteidigers) beigezogen werden können und trotz des Steuergeheimnisses Akteneinsicht hierein gewährt werden, da die Offenbarung insoweit befugt ist und zur steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Aufklärung eines Sachverhaltes notwendig ist.

Auch Computerausdrucke sind Bestandteil der Akten.

Denn der Zweck des § 147 StPO ist es, dem Verteidiger auch die für dieses Verfahren erteilten Akten und Programme zur Verfügung zu stellen, damit so die Waffengleichheit zu den hoheitlichen staatlichen Befugnissen der Behörden hergestellt wird und der Verteidiger die volle Überprüfungsmöglichkeit der behördlichen Gedankengänge und Berechnungen hat (vergleiche Meier/Böhm wistra 1992, 166, 170 mit weiteren Nachweisen).

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Das Gericht ist aus rechtsstaatlichen Gründen verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob begründeter Anlass zu Zweifeln darin besteht, dass ihm alle zur Beurteilung des Falles bedeutsamen Akten vorliegen (Randt in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, Kommentar, 8 Auflage, § 392, RN 85; KK-StPO/Pfeiffer/Hannich, Einl 72). Die Frage ist, was passiert, wenn das Gericht feststellt, dass nicht alle zur Beurteilung des Falles bedeutsamen Akten oder Aktenteile vorliegen. Manchmal genügt dem Gericht das vorliegende Material zur Verurteilung. Was aber, wenn der Verteidiger behauptet, weiteres Material läge nicht vor, würde aber den Angeklagten entlastend, etwa die Verbuchung der als Scheinrechnungen behaupteten Eingangsrechnungen als steuerpflichtige Umsätze bei der Rechnungsaussteller.

Was ist, wenn dann das Gericht behauptet, das wären Vermutungen ins Blaue hinein, unsubstantiierte, unechte Beweisanträge, allenfalls Beweisermittlungsanträge oder Beweisanregungen, denen das Gericht nicht nachzugehen gedenkt, weil aus seiner Sicht die Akten vollständig sind und die weiteren Ermittlungen nur das Verfahren verzögern und die Anträge der Verteidigung das Verfahren nur verschleppen und einer raschen Verurteilung des Angeklagten entgegenstehen? Und faires Verfahren? Verstoß gegen das fair trial prinzip und die gebotene Sachaufklärungsverpflichtung? Willkür und Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und Verweigerung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG?

Nach Randt steht das Steuergeheimnis nach Paragraf 30 AO

Nach Randt steht das Steuergeheimnis nach Paragraf 30 AO der Akteneinsicht selbst insoweit nicht entgegen, als Steuerakten 3. Personen beigezogen werden. Denn soweit für die Beurteilung der Tat des Beschuldigten die Kenntnisse der Verhältnisse Dritter erforderlich sind, ist auch die Einsicht in diese Unterlagen ohne Einwilligung der Betroffenen und ohne deren vorherige Anhörung durch den Zweck des Strafverfahrens gerechtfertigt und geboten (OLG Hamburg, Urteil vom 27.06.1995, NStZ 1996, 43; Franzen DStR 1964, 310, 313; Schäfer NStZ 1984, 203, 208; Randt in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, Kommentar, 8. Auflage, § 392 RN 86).

Handakten sollen angeblich von der Akteneinsicht ausgeschlossen sein. Das ist natürlich Unsinn. unter dem Deckmäntelchen von Handakten wird hier Schindluder getrieben und die Verwaltung versucht hier unliebsame Vorgänge, die der Verteidigung und dem Gericht vorenthalten werden sollen, mit dem Hinweis, dass die Handakten angeblich nicht dem Gericht vorzulegen wären und von der Akteneinsicht ausgeschlossen wären. Die Verwaltung versucht hier häufig auf Nummer 35 Abs. 3 AStBV sowie Nummer 186 Abs. 3 Satz 1 RiStBV zu verweisen. Die Akten der Finanzverwaltung sind aber keine Handakten. Mit den Handakten sind nur die staatsanwaltschaftlichen Handakten gemeint, die lediglich ein Doppel der Anklageschrift beinhalten und die Mitschriften des Sitzungsstaatsanwalts aus der Hauptverhandlung sowie gegebenenfalls dessen Vorbereitung eines Plädoyers. Solche Akten führt aber nicht die Finanzverwaltung, sodass diese schon dogmatisch niemals Handakten in diesem Sinne haben kann.

Keine Akteneinsicht in das Fallheft der Betriebsprüfung (BP) oder der Steufa?

Immer wieder mal behaupten Betriebsprüfer oder Steuerfahnder, deren Falle sei ein persönliches Fallheft oder eine persönliche Akte oder sie sei gleich der Handakte des Staatsanwalts, in das kein Akteneinsichtsrecht bestehen soll. Das ist natürlich weit gefehlt. Denn das Fall Heft der Betriebsprüfung oder der Steuerfahndung sind natürlich die eigentlichen Ermittlungsakten. Das sind nämlich die steuerlichen Ermittlungsakten oder die steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten. Mit einer privaten Aufzeichnung oder einer privaten Akte hat dies natürlich gar nichts zu tun, weil sie im Rahmen der Dienstzeit entsteht und natürlich die maßgebenden Arbeitsschritte zeigt.

Entscheidend ist also nicht, als was der Fahnder oder Betriebsprüfer die Akte hinterher bezeichnet oder ob er sie dem Gericht vorlegen möchte oder nicht, sondern welche materiellrechtlichen Vorgänge darin enthalten sind und welche materiellrechtlichen Vorgänge dem Gericht vorzulegen sind. Zweifellos sind die steuerlichen Berechnungen und Ermittlungen genauso wie die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen dem Gericht vorzulegen und letztendlich auch dem Verteidiger sie rein uneingeschränkt Akteneinsicht zu gewähren.

Natürlich enthalten diese Akten keine innerdienstlichen Vorgänge, die geheimhaltungsbedürftig sind oder die unzugängliche interner Verwaltung interner beinhalten würden. Dort sind auch keine innerdienstlichen Vorgänge abgelegt, die geheim zu halten wären. Dort sind Telefonate und Ermittlungsergebnisse sowie etwa auch die Planung und Durchführung der Durchsuchung und andere maßgebende Ermittlungen und Verprobungen und Berechnungen enthalten. Das sind allesamt dienstliche Vorgänge angefangen bei dem Anfangsverdacht über die Zusammenstellung der Steuererklärung der Steuerpflichtigen bis hin zu einer steuerstrafrechtlichen Vorprüfung und der Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses, Haftbefehls usw.

Auch zusammenfassende Inhaltsangabe, Aktenvermerke, Kurzübersetzungen abgehörter Telefongespräche sind natürlich keine internen Hilfs-oder Arbeitsmittel der Finanzbehörden oder das FKS, sondern Teil der Ermittlungsakte und damit natürlich dem Gericht vorzulegen.

Auch namentliche oder anonyme Strafanzeigen

Auch namentliche oder anonyme Strafanzeigen sind dem Gericht gemäß Paragraf 199 Abs. 2 vorzulegende Aktenbestandteile, die daher auch Gegenstand des Akteneinsichtsrechts nach Paragraf 147 Abs. 1 StPO sind (BGH, Urteil vom 18.06.2009, StraFo 2009, 338). Die Vorenthaltung von Vorgängen, deren Bedeutung auch nur möglich ist, bedeutet nicht nur eine strafbare Urkundenunterdrückung, sondern auch eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung in Steuerstrafverfahren und damit einen absoluten Revisionsgrund nach § 38 Nummer 8 StPO, sowie einen Verstoß gegen das fair trial Prinzip nach Art 20 III GG, gegen das Rechtsstaatsgebot, Art 20 III GG und gegen die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG sowie eine Verletzung das Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG in Besteuerungsverfahren ist die Vorenthaltung von Akten oder Akten teilen zudem auch noch ein (versuchter) Prozess betrug, da solche Akten oder Aktenteile natürlich zurückbehalten werden, um prozessuale Vorteile und Beweisvorteile zu erlangen. In der Akteneinsicht darf keine aktenkundige Tatsachen entzogen werden, die für eine Entscheidung gegen wurde für den Beschuldigten verwertet werden soll bzw. Verwertet werden könnte (BVerfG v 09.03.1965, BVerfGE 18, 405; Eisenberg NJW 1991, 1257, 1259).

Daher gehören auch Arbeitsunterlagen wie das Fall Heft von außen prüfen zu den der Akteneinsicht unterliegenden Akten (Burkhard StV 2000, 526; a.A. jemand aus der Finanzverwaltung – wen wundert es? Viertelhausenwistra 2003, 409). Bestehen insoweit Zweifel, müssen auch diese Akten dem Gericht vorgelegt werden (BVerfG v 12.01.1983, BVerfGE 63, 45). Der sogenannte rote und der grüne Bogen (in Hessen der blaue Bogen) – das sind Vermerke des Betriebsprüfers über aus seiner Sicht steuerstrafrechtlich relevante Tatsachen und Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen – sind natürlich ebenso Bestandteil der Ermittlungsakte (Burkhard StV 2000m 526) und dürfen nicht entfernt werden, wie überhaupt keine Unterlagen oder Aktenbestandteile für die Akteneinsicht entfernt werden dürfen.

Der „Trost“ bei manipulierten Akten dahingehend, dass verheimlichter, vorenthaltener Tatsachenstoff gegen den Beschuldigten nicht verwertet werden darf, taugt nichts.

Der Hinweis darauf, dass verheimlichter, vorenthaltener Tatsachenstoff gegen den Beschuldigten nicht verwandt werden darf, der also seinem Verteidiger im Rahmen der Akteneinsicht nicht zugänglich gemacht worden ist (RG v 15.07.1938, RGSt 72, 268) hilft deswegen nicht wirklich weiter, da Belastendes im Regelfall aus einer Eigenmotivation der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung und Betriebsprüfung stets vorgelegt werden wird, also im Zweifelsfall nur Entlastendes oder die belastenden Positionen oder deren Materialerlangung in Frage stellendes zurückgehalten werden wird.

In diesem Zusammenhang mag daran erinnert werden, dass die Art und Weise der Ankäufe der CDs extrem dubios in den entsprechenden Ermittlungsakten dargestellt wurden. Da gab es Aktenvermerke über die angeblichen Ankaufsvorgänge, die zwischen lustig bis völlig albern einzustufen waren, keinesfalls aber den tatsächlichen Sachverhalt abbildeten. Sinngemäß saßen da 3 Beamte in einem Café am Tisch und aus dem Nichts tauchte eine Person auf, die so durchschnittlich aussah, dass nahezu jeder bundesweit dazu gepasst hätte. Weder Akzent noch Haarfarbe, noch irgendwelche anderen ihn kennzeichnenden Merkmale konnten beschrieben werden. Mittelgroß, mittlerer Haarfarbe, Trenchcoat, Hose, Schuhe, Hemd und große, das ganze Gesicht verdeckende dunkle Sonnenbrille, so wird der Anbieter beschrieben.

Heino? Nein – der hatte blonde Haare. Aber wer dann?

Schreiben Sie mal den Typen bei XY ungelöst aus. Entweder lachen alle, weil auf so eine Beschreibung niemand passt oder es gehen 5 Millionen Hinweise ein, weil auf die langweilige und nichtssagenden Beschreibung jeder passt. Gleichwohl verhandelte man mit dieser 0815-Figur über den Kauf einer Daten CD. Kaufpreisverhandlungen schien es aber nicht wirklich zu geben. Überliefert ist jedenfalls nicht, dass die Beamten etwa nur 1 Million oder nur 2 Millionen € angeboten haben und dann ein harter Verhandlungs-Poker über den Preis der Daten-CD entbrannte. Irgendwie muss der Anbieter 4,5 Millionen in den Raum geraunt haben und die 3 von der Verwaltung müssen dann einfach nur genickt haben. Stellen Sie sich mal vor, mit solch einem Text kommt ein Beamter zum Vorsteher eines Finanzamts und erklärt, er diesen Fall so mit der Bemerkung, er bräuchte jetzt mal kurz 4,5 Mio. Euro, um die CD zu kaufen … Was macht in solchen Fällen für gewöhnlich? Er nickt, holt 4,5 Mio. € aus der Kleingeldkasse des Finanzamts und sagt zu seinen Mitarbeitern: „na gut, Jungs, das machen wir. Hier ist die Kohle und nun geht mal schöne Daten kaufen!“ Glauben Sie, das lief so? Jedenfalls muss die CD dann ohne nähere Prüfung bereitwillig zu dem Wunschpreis des Verkäufers gekauft worden sein, wenn man dem Aktenvermerk glauben möchte.

Der dubiose märchenhaft klingende Aktenvermerk über den Ankauf klingt dann etwa so: Man verabredete sich auf bald und der Datenanbieter verschwand. Niemand folgte ihm. Niemand beobachtete, mit welchem Fahrzeug er weg fuhr und wohin er ging. Niemand stallte danach Ermittlungen über die Identität und die Seriosität des Anbieters an. Bei den angeblichen Scheinfirmen bzw. Domizilgesellschaften verlangt die Verwaltung peinlich genaue Überprüfungen des Geschäftspartners und das Festhalten und Dokumentieren eines echten wirtschaftlichen Betriebs beim Vertragspartner im Ausland .. hier vergas man wohl alles zu dokumentieren und zu prüfen. Es heißt dann sinngemäß weiter: Genauso plötzlich tauchte der Anbieter, ohne dass dies verarbeitet war, 14 Tage später wieder auf. Man mag sich wundern, dass diese 3 Beamten wieder zufällig in dem selben Café saßen, gemütlich in den blauen Himmel blickten und dann stand der unbekannte Dritte wieder bei Ihnen – na klar – mit dunkler Sonnenbrille und den in der Sonne glitzernden CD-Scheiben. Na logo – was machen Finanzbeamte auch sonst -außer in Cafés zu sitzen und auf unverhofft daherkommende CD-Anbieter zu warten. Jeder Strafrichter würde grölend unter dem Tisch liegen vor Lachen, wenn ein Angeklagter ihm eine solche Story auftischen würde, wie er einen Vertrag über 4,5 Millionen € schloss und wie die Übergabe der Ware zustande kam. Wohl jeder Staatsanwalt würde den Angeklagten anbrüllen, ob er ihn denn wirklich verarschen wolle … Nun gut. Wir sind nicht im Gerichtssaal – wir sind bei Staatsdieners Beamten und den üblichen Cafehaussitzungen und den dabei zufällig sich ergebenden natürlichen CD-Ankäufen. Völlig plausible Geschichte, der Beamten, finden Sie nicht? Und der unbekannte Mister Sonnenbrille: Sie erinnern sich? Weder Akzent noch Haarfarbe, noch irgendwelche anderen ihn kennzeichnenden Merkmale konnten beschrieben werden. Mittelgroß, mittlerer Haarfarbe, Trenchcoat, Hose, Schuhe, Hemd und große, das ganze Gesicht verdeckende dunkle Sonnenbrille, so wird der Anbieter beschrieben. Man erkannte sich natürlich gleich wieder. Denn bei einem so markanten Äußeren gibt es natürlich diese Figur nur ein einziges Mal weltweit.

Nicht überliefert wurde, ob Mister Sonnenbrille durch die dunklen Gläser die Finanzbeamten zuerst erkannte oder andersherum die Finanzbeamten Mister Sonnenbrille zuerst erkannten. Mister Sonnenbrille übergab dann jedenfalls die CD und bekam das Geld und verschwand wieder genauso, wie er gekommen war. Ob er am Tisch mit der dunklen Sonnenbrille die Summe nachgezählt oder die Scheine auf Echtheit geprüft oder den Koffer auf Wanzen untersucht hat und ob die dunklen Gläser überhaupt zugelassen hätten, dass er bunt bedrucktes Papier von Geldscheinen auseinanderhalten kann, ist ebenfalls nicht überliefert. Niemand folgte ihm. Jedenfalls ist in dem Aktenvermerk hierzu nichts mitgeteilt. Aber vielleicht folgte man ihm auch und verlor ihn bald aus den Augen … und um diese Panne zu verheimlichen, verschwieg man lieber, dass die Jagd nach Mister Sonnenbrille auch aufgenommen wurde. Es sieht so aus, dass niemand versuchte, die Identität von Mr. Sonnenbrille herauszubekommen.

Und ob die Beamten völlig frustriert nach der Übergabe des Koffers feststellten, dass sie die beiden Minisender im Fahrzeug ihres Chefs hatten liegen lassen und versehentlich nicht in den Koffer gelegt hatten, und wegen dieser und anderer Pannen später befördert wurden, ist ebenfalls nicht überliefert worden.

Niemand würde so einen schlechten Krimi glauben und niemand, der die Finanzverwaltung kennt, kann annehmen, dass irgend einem Beamten mal so kurz 4,5 Millionen € aus der Staatskasse zum Erwerb irgendwelcher ungeprüften CDs übergeben werden.

Allein dass die Finanzverwaltung keine Bargeldkasse hat und daher die Beschaffung von 4,5 Millionen € nicht mal so kurz durch einen Gang zur hauseigenen Barkasse zu erhalten sind und zudem kein Vorsteher über einen so hohen Betrag würde verfügen dürfen und können, wo doch schon 40.000 € für die Finanzverwaltung Großbeträge sind, lässt einen bei dieser Geschichte ungläubig staunen.

Und dass der Bundesnachrichtendienst nicht eingeschaltet wird und die Identität von Mister Sonnenbrille nicht überprüft wird, glaubt wohl auch niemand ernsthaft. Sind solche gefakten Aktenvermerke zur Verdeckung des Anbieters der CD eine zulässige kriminalistische List? Sind solche Fälschungen von Aktenvermerken und Sachverhalten in einem Rechtsstaat zulässig? Kann man hier einfach Märchen in die Akte hängen und wenn man das darf, was stimmt ansonsten in den Akten? Welche anderen Märchen werden sonst noch so erfunden, wenn es dem Zweck und dem Wohle des Rechtsstaats dient?

Und was für ein (Rechts-)Staat ist das, der so vorgeht? Und die Moral von der Geschicht? Traue dem Inhalt von behördlichen Aktenvermerken nicht …?

Aber vielleicht irre ich mich auch und es ist tatsächlich so gelaufen, wie in dem Aktenvermerk geschrieben? Was meinen Sie?

Opening statement der Verteidigung

Nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO erhält der Verteidiger nach der Verlesung der Anklage und vor der Vernehmung des Angeklagten in besonders umfangreichen Verfahren zur Sache auf Antrag Gelegenheit, für den Angeklagten eine Erklärung abzugeben.

§ 243 Abs. 5 Satz 3 StPO lautet wie folgt wörtlich:

„(5) 1Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen.

3Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf.

4Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. 5Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 6Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.“

Die zunächst für alle Verfahren vorgesehene Änderung wurde im Regierungsentwurf noch einmal deutlich eingeschränkt und soll nunmehr nur noch für besonders umfangreiche erstinstanzliche Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, gelten.

Manche mögen sich bei der neuen Regelung fragen, was der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt überhaupt sinnvoll vortragen kann, das nicht an anderer Stelle eher angebracht wäre bzw. prozessual auch so vorgesehen ist: So sollte er bei rechtlichen Hindernissen (etwa Verfolgungsverjährung, wirksame Selbstanzeige, Strafklageverbrauch etc.) bereits im Ermittlungsverfahren, spätestens aber nach Zustellung der Anklageschrift durch das Gericht im Rahmen der hier vorgesehenen Stellungnahmemöglichkeiten auf die Einstellung bzw. die Nichteröffnung des Hauptverfahrens hinwirken.

Ob es sinnvoll ist Beweisanträge gleich zu stellen

Ob es sinnvoll ist Beweisanträge gleich nach Verlesung der Anklage zu stellen, oder nicht,  einmal den Angeklagten schweigen zu lassen und die Belastungszeugen sich erst einmal anzuhören, lässt sich kaum pauschal entscheiden. Ein Gegengewicht zur Anklage erscheint aber sinnvoll. Das kann also eine persönliche Erklärung des Angeklagten sein, etwa die Verlesung einer vorbereiteten Erklärung, wenn sonst am ersten Verhandlungstag nichts ansteht. Wenn allerdings zahlreiche unaufschiebbare Anträge, Aussetzungsanträge und Besetzungsrügen zu stellen und damit zu verlesen sind, gehen Erklärungen des Angeklagten oder ein Opening Statements zumindest in einer etwas angeheizten Stimmung möglicherweise etwas unter.

Wenn aber keine unaufschiebbaren Anträge zu stellen gibt und keine Zeugenvernehmungen anstehen und lediglich die Anklage verlesen wird, macht es Sinn, über einen Gegenpol nachzudenken. Dieser könnte in einer Verlesung einer vorbereiteten schriftlichen Erklärung durch den Angeklagten liegen, die dann von diesem dem Gericht übergeben und als Anlage zum Hauptverhandungsprotokoll genommen wird – oder in der Verlesung eines vom Angeklagten und dem Verteidiger vorbereiteten Opening Statements liegen, das schriftlich abgefasst und dann vom Verteidiger verlesen und dem Gericht übergeben wird, das dann zum Protokoll als Anlage genommen wird.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen nehmen das die Richter nicht so genau mit der Anforderung, dass die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als 10 Hauptverhandlungstage dauern wird und lassen im Zweifelsfall auch ein Opening Statement zu, wenn erst mal nur 5 bis 6 Hauptverhandlungstage angesetzt sind.

Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass der Schlussvortrag nicht vorweggenommen werden darf. Aber wie lässt sich auch vorhersehen, was das Plädoyer vorwegnimmt? Wohin werden sich die rechtlichen und thematischen sachlichen Schwerpunkte entwickeln? Wie kann am Anfang vorhergesehen werden, was später im Plädoyer gesagt werden wird, zumal das Plädoyer sich natürlich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme auseinandersetzen wird und muss – und die Beweisaufnahme noch gar nicht stattgefunden hat? Und was soll gesagt werden dürfen, wenn das Plädoyer nicht vorweggenommen werden darf? Nur Unwesentliches oder nur Nebelkerzen und Langweiliges?

Der Verteidiger darf sowieso jederzeit eine Einlassung für den Angeklagten abgeben. Und er darf nach jeder Beweiserhebung eine Erklärung nach § 257 II StPO abgeben. Was sollte er also nicht im Openening Statement sagen dürfen?

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Die Eröffnungserklärung ist sinnvollerweise keine Kriegsöffnung oder Kriegserklärung

Die Eröffnungserklärung ist sinnvollerweise keine Kriegsöffnung oder Kriegserklärung, sondern eine zielführende Schwerpunktsetzung, was aus Sicht der Verteidigung problematisch ist und einer Verurteilung entgegensteht. So kann der Verteidiger als Gegengewicht zu der Anklage gleich auf die neuralgischen Punkte hinweisen und für das Gericht zielführend dann auf die maßgebenden Probleme hinweisen. Dass dies möglicherweise im Zwischenverfahren schon einmal getan wurde, macht eine solche Erklärung nicht unsinnig, da die schriftliche Stellungnahme auf die Anklageschrift nicht in der mündlichen Hauptverhandlung verlesen wird, also möglicherweise von dem 2. Beisitzer und jedenfalls aber den Schöffen noch nicht so wahrgenommen wurde und natürlich eine solche Wirkung nach einer Anklageverlesung als Gegengewicht nicht zu unterschätzen ist. Ich halte daher den tatsächliche Nutzen der „Eröffnungserklärung“ für relativ hoch und für alle Prozessbeteiligten für sehr hilfreich zur Einstimmung auf die Sichtweise der Verteidigung und die zu erwartenden Verteidigungsargumente.

Eine gute Verteidigung in einem vernünftigen einerseits Kooperativen, andererseits contra diktatorisch geführten offenen Verteidigungsstil. Alle die glauben, Überraschungseffekte und Effekthascherei und Überraschungen seien besser, mag zweifelnd entgegengesetzt werden, das letztendlich alle Prozessbeteiligten dasselbe Handwerkszeug – nämlich die Gesetze – haben und ein herausarbeiten der neuralgischen Problempunkte natürlich das Gericht vor Fehlurteilen schützt und die Staatsanwaltschaft vor einem Verrennen und einem Hineinsteigern in vielleicht unrealistische Strafmaßvorstellungen bewahrt und daher insgesamt begrüßenswert ist. Der gemeinsame Dialog, der teilweise ja auch in Rechtsgesprächen ein offenlegen der Rechtspositionen verlangt, ist letztendlich eine erstrebenswerte, offene Verhandlungsführung, die auf die Fehler hinweist. Was sollte oder könnte da geeigneter sein, als ein Opening Statement?

Interessant ist, dass es für dieses Opening Statement keine festen Regeln gibt. So gesehen können auch Beamer-Vorträge oder Flipchartbilder oder Charts oder Verprobungen unterstützend (nach vorheriger Besprechung mit dem Vorsitzenden) gezeigt werden.

Die Ausführungen im Opening Statement

Die Ausführungen im Opening Statement sind nicht zeitlich begrenzt. Es gibt wohl keine Regelung, wenn eine solche Erklärung aus Sicht der StA oder des Gerichts zu ausufernd wird, diese zu begrenzen. Unterbrechungen wie etwa Toilettenpausen können natürlich erbeten und gewährt werden. Aber ein Entzug des Rederechts im Opening Statement dürfte ein absoluter Revisionsgrund sein, wie ebenfalls ein Ablehnungsgrund des Angeklagten gegenüber dem Vorsitzenden, wenn seinem Verteidiger grundlos das Wort entzogen wird. Auch eine besonders ausufernde Erklärung des Verteidigers ist mit dem Gesetz nicht wirksam zu bekämpfen.

Wo die Missbrauchsgrenzen zu ziehen sind, ob also dann, wenn der Verteidiger grundlos seitenweise Telefonbücher vorliest, ihm dann das Wort entzogen werden kann, ohne dass es auf den Inhalt ankäme, zeigen, wie weitreichend die Befugnis zum Opening Statement ist. Die in § 243 Abs. 5 Satz 4 StPO vorgesehene Möglichkeit, den Verteidiger auf eine schriftliche Erklärung zu verweisen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde, hilft hier nur bedingt, zumal natürlich durch ein Opening Statement das Verfahren stets verlängert und somit stets verzögert wird. Aber: Verteidigung braucht nun mal Zeit: die Verlesung jedes Beweisantrages, jeder Erklärung nach § 257 II StPO, jede Zeugenbefragung des Verteidigers, jedes Plädoyer des Verteidigers braucht Zeit und verzögert so gesehen das Verfahren.

Ein gutes Opening Statement hilft und stört eben nicht. Wie allgemein eine gute Verteidigung immer nur hilft und nie stört.

Erklärungen der Verteidigung, Erklärung nach § 257 II StPO

Erklärungen des Verteidigers in der Hauptverhandlung sind nach jeder Zeugenbefragung bzw. Jeder Beweiserhebung zulässig, § 257 II StPO. Sie können mündlich erfolgen oder besser schriftlich abgefasst und dann verlesen und dann zur Akte gereicht werden. So können wichtige Gesichtspunkte noch einmal herausgestrichen oder festgehalten werden. Sie helfen allen Verfahrensbeteiligten die wesentlichen Punkte noch einmal festzuhalten. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft andere Aspekte oder Details für wesentlich hält, können Sie auf den so schriftlich verfassten Erklärungen Anmerkungen für sich selbst anbringen oder Kommentare zur Erinnerung festhalten.

Auch die Staatsanwaltschaft darf Erklärungen nach Paragraf 257 Abs. 2 StPO abgeben – macht dies aber so gut wie nie. Auch viel zu viele Verteidiger vergessen diese zwar arbeitsintensive aber durchaus wichtige pointierte Aufarbeitung von Zeugenaussagen oder Beweiserhebungen. Dabei braucht bei der Erklärung nach Paragraf 257 Abs. 2 StPO nicht lediglich stur nur auf die letzte Beweiserhebung abgestellt zu werden, sondern natürlich kann diese auch in den Kontext zu früheren Beweiserhebungen in derselben Sache gestellt werden oder Zusammenhänge oder im Steuerstrafrecht steuerliche und wirtschaftliche Zusammenhänge dabei für alle Beteiligten sinnvoll erläutert werden. Nach meinen Beobachtungen sind die Gerichte sehr dankbar für vernünftige Erklärungen, die den Blick fokussieren und Fehler helfen zu vermeiden.

Die Abgabe einer Erklärung nach Paragraf 257 Abs. 2 StPO ist in der Sitzungsniederschrift zu beurkunden (Burkhard StV 2004,397).

Anträge der Verteidigung: Beweisantrag, Beweisermittlungsantrag, Beweisanregung

Den wichtigsten Teil der Hauptverhandlung bildet die Beweisaufnahme. Nach § 244 II StPO hat das Gericht die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind (Untersuchungsgrundsatz).

Damit ist der Beweisantrag das zentrale Arbeitsmittel der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft das Augenmerk des Gerichts auf einen wesentlichen Punkt zu lenken. Mit dem Beweisantrag wird eine Beweistatsache behauptet und weiter behauptet, welches konkrete Beweismittel die Beweisbehauptung zur Überzeugung des Gerichts erbringen soll. Es ist also ein förmlicher Antrag erforderlich, der eine Beweistatsache (Beweisthema) behauptet und ein Beweismittel dazu benennt, dass dieses Beweisthema beweisen soll. Die klassische Formulierung lautet:

„Zum Beweis der Tatsache, dass die inländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Einkommensteuererklärung 2018 vollständig erklärt sind, beantrage ich einerseits die richterliche Inaugenscheinnahme und Verlesung der Zeilen 7-26 in der Anlage KAP und andererseits die richterliche Inaugenscheinnahme und Verlesung der Erträgnisbescheinigungen der Volksbank eG und der Commerzbank AG für inländische Kapitaleinkünfte für das Jahr 2018. Zum Beis der Tatsache, dass die Erträge aus beiden Bankbescheinigungen in der Anlage KAP vollständig enthalten sind, beantrage ich die Einzelwerte in den Erträgnisbescheinigungen beider Banken zu addieren, wobei sich aus dem Additionsergebnis dann die eingesetzten Zahlen in der Anlage KAP ergeben.“

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Dem Beweisantrag kann eine Begründung oder Lichtbilder, Diagramme, Tabellen usw. vorangestellt werden oder aber danach angefügt werden, damit das Gericht den Sinn und Zweck des Beweisantrages versteht und diesen sachgerecht auslegen kann, falls Unklarheiten bestehen. Manchmal ist es sinnvoll, gerade in Steuerstrafsachen, Anknüpfungstatsachen zu nennen, damit das Gericht verstehen und beurteilen kann, warum es gerade diesen Beweis erheben soll und warum dieser Beweisantrag wichtig im Sinne von Entschcidungserheblich ist. Immerhin muss das Gericht von der Entscheidungserheblichkeit des Beweisantrages überzeugt sein und die Beweiserhebung als notwendig und zielführend ansehen. Ansonsten kann es die Erhebung nach § 244 III-VI StPO ablehnen.

§ 244 StPO lautet wie folgt wörtlich:

㤠244 StPO

Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) 1Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. 2Im übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) 1Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. 2Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) 1Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. 2Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. 3Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) 1Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. 2Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. 3Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. 4Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.“

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 (BGBl. I S. 2208), in Kraft getreten am 01.01.2018

Erfahrungsgemäß stellen Staatsanwälte selten Beweisanträge – Verteidiger häufiger aber meist auch noch viel zu selten.

Das Gericht kann man eben nicht allein es richten lassen … jedenfalls muss man als Verteidiger mit dafür sorgen, dass in der Beweisaufnahme die aus Sicht der Verteidigung wesentlichen Aspekte fach- und sachgerecht und deutlich eingeführt und von den übrigen Verfahrensbeteiligten klar wahrgenommen werden, damit sie von diesen im Plädoyer bzw. in der Urteilsbegründung bzw. zum Teil auch schon vorher für Rechtsgespräche wahrgenommen und bedacht werden.

Die Verfahrensbeteiligten (Verteidiger, Angeklagter, Staatsanwaltschaften, Nebenkläger, Privatkläger) können also zur Aufklärung des Sachverhalts -nicht zu Rechtsfragen- Beweisanträge stellen oder sonstige Anregungen (Beweisermittlungsanträge) geben. Keine Anträge können Zeugen, Sachverständige und Zuschauer stellen, das sie keine Verfahrensbeteiligten sind.

Zu unterscheiden sind: der Beweisantrag, der Beweisermittlungsantrag und die Beweisanregung. Diese können auch mit einer Erklärung nach § 257 II StPO kombiniert werden. Mehrere Anträge können in einem Schriftsatz nacheinander formuliert und dann verlesen und somit gestellt werden und der dann so gestellte schriftliche Beweisantrag bzw. Erklärung, Beweisanregung und oder Beweisermittlungsantrag zu den Akten Gericht werden.

Beweisantrag und Aufklärungspflicht des Gerichts

Aus der Aufklärungspflicht des Gerichts aber auch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör des Angeklagten und der Staatsanwaltsschaft folgt ein entsprechender Anspruch der Prozessbeteiligten, dass sämtliche tauglichen, erlaubten und für die Entscheidung bedeutsamen Beweismittel berücksichtigt werden und jeder Prozessbeteiligte den Gang des Verfahrens steuern kann, indem er auf die aus seiner Sicht wichtigen Beweismittel hinweist. Neben der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts dürfen auch die Prozessbeteiligten an der Beweisführung mitwirken.

Wer also in den Gerichtssaal geht und gedanklich die füße hochlegt und glaubt, das Gericht werde das schon neutral ermitteln, ist nicht nur naiv, sondern das Gericht nach der Aktenlektüre eine bestimmte Vorkenntnisse und vor Prägung hat, darüber hinaus eine eigene Lebenserfahrung und vielleicht eigene Klischees und Vorurteile hat, was einerseits menschlich ist, andererseits aber dagegen spricht, dass Gericht einfach mal machen zu lassen und zu glauben, dass du schon zu einem guten Ende kommen wird. Immerhin muss man bedenken, dass der Richter jeden Tag Straftäter vor sich sitzen hat und möglicherweise das Bild hat, dass das wieder so einer ist. In dieser Situation den Richter einfach mal machen zu lassen und nicht gesondert auf die entlastenden Momente hinzuweisen, ist mehr als fahrlässig und für den professionellen Verteidiger niemals vorstellbar. Ein guter Verteidiger wird daher stets freundlich und höflich aber bestimmt durch Beweisanträge das Gericht auf die aus Sicht der Verteidigung wichtigen Aspekte und Fragezeichen in den bisherigen Ermittlungen hinweisen und den „Finger in die Wunde legen“, indem er auf Widersprüche, Unklarheiten, falsche Berechnungen, Unplausibilitäten, abweichende Rechtsprechung und Fehler hinweist.

Insoweit ist der gute Verteidiger sicher eine wertvolle Hilfe für das Gericht bei dem durchaus schwierigen Weg durch das Steuerstrafrecht, Fehler zu vermeiden und zu einem sachgerechten zutreffenden Ergebnis zu kommen. Mancherorts wird den Anträgen eines Verteidigers oder dessen Erklärungen und Beweisanträgen kritisch bis ablehnend entgegengetreten, weil der Verteidiger einfach nur einer scheinbar schnellen Verurteilung entgegentritt. Dabei ist das Ziel einer strafrechtlichen Hauptverhandlung natürlich nicht die Verurteilung, sondern die Ermittlung der Wahrheit und die Findung auf diesem Weg ist der aktive Verteidiger sicher die beste Hilfe für das Gericht um peinliche Fehler und Aufhebungen in der nächsten Instanz zu vermeiden. Insoweit ist eine offene, kommunikative und engagierte Verteidigung mit zahlreichen Anträgen stets nur die gerichtliche Arbeit unterstützend und fördernd. Auch die Nutzung von Erklärungsrechten nach Paragraf 257 Abs. 2 StPO gehört genauso dazu wie die Stellung von Beweisanträgen und Beweisermittlungsanträge.

Der Antrag muss zwar nicht unbedingt schriftlich gestellt werden

Der Antrag muss zwar nicht unbedingt schriftlich gestellt werden – er könnte auch ins Protokoll diktiert werden und müsste dann als wesentliche Förmlichkeit protokolliert werden. Aber der vorab abgefasste schriftliche Antrag des Verteidigers ist sachgerecht vorbereitet und gründlich ausformuliert, vermutlich gründlich und besser als dies in der Hauptverhandlung geschehen könnte bzw. von der Protokollführerin dann erfasst wird. Als Zwischenergebnis ist also festzuhalten, dass auch ein Beweisantrag usw. In das Protokoll der Protokollführerin diktiert werden kann. Wesentlich besser ist es jedoch, diesen entsprechend vorzubereiten und dann in der mündlichen Verhandlung zu verlesen und den geschriebenen und unterschriebenas Beweisantrag im Kleid eines Schriftsatzes, also den schriftsatzmäßig vorbereiteten Beweisantrag dann zu der Akte zu reichen, der dann bei Gericht als Anlage zum Protokoll in den Protokollband genommmmen wird.

Werde nfü einzelne Beweisanträge oder zusammen gestellte Beweisanträge (Erklärungen, Beweisanregungen, Beweisermitlungsanräge etc.) an diesem Verhandlungstag gestellt, werden sie in der Reihenfolge der Verlesung (=Stellung) durchnummeriert und als Anlage zum Protokoll genommen. Damit ist stets klar und eindeutig nachvollziehbar wann welche Beweisanträge gestellt wurden und welchen genauen Wortlaut sie hatten. Da der Verteidiger auch Abschriften von seinen Anträgen hat, – anders als Kopien vom noch nicht fertig gestellten Protokoll –, weiß er also stets, welche Beweisanträge er schon gestellt hat und welche eher noch stellen muss. Aus diesem Gesichtspunkt ist die schriftliche Stellung von schriftsätzlichen Beweisanträgen absolut empfehlenswert und wesentlich für eine sachgerechte, geordnete Prozessführung.

Der Beweisantrag ist das Verlangen des Antragstellers, über eine bestimmte Tatsachenbehauptungen (nicht bloß Vermutungen) etwa die Täterschaft oder Teilnahme, die Rechtwidrigkeit, die Schuld oder Rechtsfolgen der Tat betreffende Tatsachenbehauptung mit einem gesetzlich bestimmten Beweismittel Beweis zu erheben.

Der Beweisantrag hat daher 4 Voraussetzungen:

1. Antrag: es darf sich nicht nur um eine bloße Anregung handeln.

2. Bestimmte Tatsache (Beweisthema): es muss eine konkrete, genau bestimmte Tatsache benannt werden, über welche Beweis erhoben werden soll (also z.B. nicht bloß allgemein „die Unschuld“ des Angeklagten); ebenso scheiden Werturteile als Gegenstand des Beweisantrages aus (also z.b. Beweis darüber, dass der „Zeuge unglaubwürdig“ ist).

3. Bestimmtes Beweismittel: es kommen nur Beweismittel des Strengbeweises in Betracht. Das Beweismittel muss genau zeichnet sein, bei Zeugen müssen Name und möglichst ladungsfähige Anschrift angegeben werden oder sich die Anschrift aus der Akte ergeben.

4. Konnexität: Die Rechtsprechung fordert darüber hinaus eine Konnexität zwischen Beweisziel und Beweismittel: der Antrag muss erkennen lassen, weshalb gerade dieses Beweismittel zum Beweis der benannten Tatsache tauglich ist, warum also z.B. der benannte Zeuge etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH NStZ-Rückruf 2001, 43). Insoweit ist es nicht ohne weiteres ersichtlich, warum im obigen Beispiel hinsichtlich der inländischen Kapitaleinkünfte der Zeuge Hubert Müller etwas sagen können soll. Wird aber vor oder unmittelbar nach dem Beweisantrag vorgetragen, dass das aber der Steuerfachangestellte ist, der die Bankbelege addierte und die Erträge in die entsprechenden Zeilen in der Steuererklärung einsetzte, und wird er als Zeuge dafür benannt, dass er die Unterlagen vollständig vorliegen hatte und die eingetragenen Summen selbst errechnete mit dem Auftrag, eine korrekte Steuererklärung zu fertigen und er nach bestem Wissen und Gewissen die Zahlen so addierte, wie er letztendlich die Zahlen in der Steuererklärung eintrug, kann das Gericht verstehen, dass der sachverständige Zeuge hier mit dem Ziel beauftragt war, die richtigen Zahlen zu ermitteln und einzutragen. Soweit also Rechenfehler oder Übertragungsfehler erfolgt sein sollten, war dies jedenfalls nicht Gegenstand seines Auftrags und offensichtlich nur ein einfaches Versehen des Steuerfachangestellten, dass dann dem Steuerpflichtigen nicht aufgefallen ist und ihm nicht zuzurechnen ist. Auf das Zeugnis dieses Steuerfachangestellten kann es daher tatsächlich ankommen. Jedenfalls kann das Gericht bei dieser mitgeteilten Konnexität erkennen, was Ziel des Beweisantrages ist und dann entscheiden, ob es den Zeugen hören möchte oder nicht. Lehnt das Gericht die Beweiserhebung durch Beschluss ab, könnte dies dann ein Aufklärungsfehler sein und in der Revision erheblich sein. Natürlich aber hat der Verteidiger nach der Ablehnung einer Beweiserhebung auch Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen oder gegebenenfalls einen weiteren Beweisantrag mit klareren oder anders liegenden Zielrichtungen oder Erläuterungen erneut zu stellen um so das Gericht zu bewegen, seine Bedenken gegen die Erheblichkeit der Beweiserhebung zu überwinden. Manchmal hat man auch den Eindruck, dass das Gericht einfach nicht will. Ob man dann hier für die Revision eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung einfach mal auf sich beruhen lässt, ist eine Frage der Taktik. Ich tendiere dazu, lieber das offene Gespräch zu suchen und ganz offen zu hinterfragen, warum die Beweiserhebung abgelehnt wurde. Viielleicht hat das Gericht auch noch gar nicht verstanden, was es eigentlich genau machen soll und weiß vielleicht gar nicht, wie es technisch bei beantragten Verprobungen den Beweisantrag abarbeiten soll, sodass vielleicht auch das Anerbieten einer Hilfestellung manche Vorbehalte lösen kann.

Fragetechnik im Gerichtssaal gegenüber Zeugen und Sachverständigen.

Die Fragetechnik ist auch so ein Ding, dass der Anwalt nicht auf der Uni lernt. Die richtige Fragetechnik ist wichtig um die maßgebenden antworten von dem Zeugen zu erhalten. Je mehr man sich in die Situation hineindenkt und in die Position des Zeugen versetzt, um so eher kann man die Situation gedanklich nachstellen und mit dem Zeugen nacherleben und ihn seine Perspektive der Wahrnehmung darstellen lassen. In der Beweisaufnahme fragt das Gericht zuerst. Zunächst der Vorsitzende, dann etwaige Beisitzer oder Schöffen, dann der Staatsanwalt zum Schluss der Verteidiger. Da bleiben keine Fragen mehr übrig? Von wegen! Manchmal sind vom Gericht und der Staatsanwaltschaft die maßgebenden Fragen nicht gestellt: da geht es um Teilschwarzlohn oder Schwarzlohn und der Zeuge als damaliger Mitarbeiter ist nicht gefragt worden, ob er Schwarzlohn bekommen hat oder bei anderen gesehen oder gehört hat, ob diese Schwarzlohn bekommen … also ran an den Speck und die zentrale Frage stellen! Man kann das in einen erläuternden Vorspann einkleiden.

etwa: „Wir sitzen alle hier, weil wir Schwarzlohnzahlungen suchen. Das ist der Vorwurf. Haben Sie Schwarzlohn, also Entgelte außerhalb Ihrer Abrechnung erhalten?“ Und wenn der Zeuge verneint, kann man fragen, ob bei Arbeitskollegen gesehen oder miterlebt hat, dass diese Geld für Überstunden oder Samstagsarbeit neben der Abrechnung erhalten haben oder ob dies Thema untereinander war, etwa: samstags kiregste mehr und gleich schwarz o.ä. Es ist falsch, die maßgebenden Fragen nicht zu stellen. Die Vermutung, dass er an dieser Stelle sowieso nicht die Wahrheit sagen würde um sich nicht selbst zu belasten ist an dieser Stelle albern und letztlich ein unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung. Die Frage, ob man dem Zeugen glaubt, darf doch nicht dazu führen, dass man die maßgebenden Fragen nicht stellt. Erst wenn man seine Reaktion sieht und seien Antwort hört, kann dies Anlass sein weiter zu fragen und erst anschließend hat man ein Bild, das man bewerten kann. Dazu gehört die Glaubwürdigkeit des Zeugen insgesamt und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in den maßgebenden Punkten.

Die höfliche, freundliche und einfühlsame Zeugenbefragung

Die höfliche, freundliche und einfühlsame Zeugenbefragung führt zu besten Ergebnissen. Würden Sie offen und gerne einem Befrager anworten, der aggressiv, unfreundlich und voller Vorwürfe Ihnen gegenüber auftritt? Die Situation ist für die meisten ungewohnt, bedrohlich, ernst und unangenehm: das sitzen lauter Leute mit schwarzen Kutten, der Vorsitzende erklärt einem gleich zu beginn, dass man sich dauend strafbar machen könne und erzählt was von Meineid und falschen Aussagen und auch fahrlässige Falschaussagen seinen strafbar, so dass selbst dann, wenn die Belehrung freundlich erfolgt, viele von dem Schwall an Erläuterungen und der gesamten ungewohnten Situation „geflasht“ sind. Das kann man als Verteidiger, ls Dritter im Bunde der Fragenden nicht ungeschehen machen oder komplett entspannen … aber ein nettes Klima und nett gestellte Fragen sorgen dann wenigstens bei dem Zeugen zu dem Gefühl und der Stimmung, dass der Dritte im Bunde der Fragenden ganz nett ist und kommen dann meist ins Plaudern.

In dieser fast entspannten Atmosphäre können dann doch viele Details erfragt werden, die dann das Bild abrunden, vertiefen oder durch zahlreiche Details das Bild besser und genauer im Kopf aller Verfahrensbeteiligten entstehen lassen. Diese vielen kleinen Puzzlesteine, die vielleicht aus Sicht des Zeugen, der den Prozess und den Prozessverlauf nicht kennt und daher auch nicht weiß, worauf es ankommt oder ankommen kann, herauszuholen und aus seiner Erinnerung hervorzukramen, is das Ziel der Wahrheitserforschung und das Ziel jeder guten Verteidigung. Es gibt viele Bücher über richtige und wichtige Fragetechniken, die das Thema vertiefen … aber das freundliche Klima und das Hineindenken in die Situation eines Zeugen und das Entstehenlassen von Bildern ist die Hohe Kunst der Befragung … das gilt natürlich auch so für den Richter und den Staatsanwalt. Die Fragen sollten zunächst offen sein, also ohne Vorgaben und Vorhalte und dann, nachdem der Zeige fertig ist, durch immer enger werdende Fragen auf den Punkt kommen. Es ist ein bißchen wie beim Bussard, der erst große Kreise zieht und dann die Kreise enger zieht, bis er mit der maßgebenden Frage auf den Punkt kommt.

Manchmal scheint es den Juristen im Gerichtssaal langweilig zu sein und es werden schon gestellte Fragen beanstandet.

Aber warum? Haben die Juristen Angst, der Zeuge könnte auf dieselbe Frage eine andere Antwort geben? Das wäre doch interessant im Hinblick auf die Wahrheitserforschung …! Das ist doch die eigentliche Aufgabe der Beweisaufnahme … oder? Es kann daher durchaus sinnvoll sein, eine Frage noch mal zu stellen. Vielleicht mit anderen Worten oder in einem anderen Kontext oder eben in entspannterer Atmosphäre … Vielleicht versteht sie der Zeuge anders oder er beantwortet sie anders. Dann muss er nicht gelogen haben. Viele sind aufgeregt im Gerichtssaal und eine Frage wird nicht immer von dem aufgeregten Zeugen richtig verstanden … Auf dem Wege zur Wahrheitserforschung muss es auch erlaubt sein, eine Frage zwei mal oder drei mal zu stellen … wie lächerlich sind dann manche Übungen in Gerichtssälen, in denen Richter oder Staatsanwälte die Frage als schon gestellt oder beantwortet beanstanden. Nach der StPO ist jedenfalls auch eine mehrfach gestellte Frage nicht unzulässig.

Mann kann dann nervige Streitigkeiten über Behinderungen der Verteidigung, Beschneidungen des Fragerechts bis hin zu Richterablehnungen wegen Verletzung der Fürsorgepflicht hinsichtlich der ungestörten Ausübung des Fragerechts unter Verletzung von dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, Art 19 IV GG und der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens, 20 III GG führen … aber letztlich alles schrecklich albern … aber wer es braucht, der kriegt von einem guten Verteidiger auch natürlich die passenden Antworten und Anträge und hat dann eben so eine Sitzung mit so einem Sitzungsprotokoll und entsprechenden Angriffsflächen für den Fall der Revision. Der souveräne Richter aber lässt natürlich solche Wiederholungsfragen unbeanstandet zu. Auch für ihn ist es doch interessant, wie der Zeuge auf die Wiederholungsfrage reagiert und was er antwortet…. Und der coole Zeuge verweist darauf, dass er das bereits beantwortet hat und wiederholt die Antwort kurz und freundlich, etwa: „wie ich vorhin schon sagte, ich habe die Rechnung geschrieben, die Leistung hatten wir erbracht und der Angeklagte bzw. dessen Firma hat auf meinen Wunsch hin die Rechnung bar an mich bezahlt. Wir hatten damals, wie bereits erläutert, Kontenpfändungen vom Finanzamt auf unserem Geschäftskonto, daher bat ich ihn um Barzahlung, da ansonsten das Geld weg gewesen wäre und ich meine Mitarbeiter nicht hätte bezahlen können.“