Nahe Angehörige und deren Rechtsposition

Nahe Angehörige im Sinn des § 15 AO sind Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder. § 15 AO lautet wie folgt:

 

  • §15 Angehörige

(1) Angehörige sind:

1. der Verlobte,
2. der Ehegatte oder Lebenspartner,
3. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4. Geschwister,
5. Kinder der Geschwister,
6. Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7. Geschwister der Eltern,
8. Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).

 

(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn

1. in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2. in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3. im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.

 

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639), in Kraft getreten am 22.12.2018.

 

Ein Großteil der nahen Angehörigen -das ist ein steuerlicher Fachbegriff- haben strafrechtlich Zeugnisverweigerungsrechte nach § 52 StPO. Dort wird nur von Angehörigen gesprochen. § 52 StPO lautet wir folgt wörtlich:

 

  • §52

Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1. der Verlobte des Beschuldigten;
2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

 

(2) 1Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. 2Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) 1Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. 2Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

 

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639), in Kraft getreten am 22.12.2018.

 

Angehörige im Sinn des § 52 StPO sind:

 

– Verlobte oder Personen, mit denen der Beschuldigte das Versprechen zur Gründung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eingegangen ist,

  • 52 I Nr. 1 StPO;

– Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, § 52 I Nr. 2 StPO

– Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, § 52 I Nr. 2a StPO

– Personen, die mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren, § 52 I Nr. 3 StPO;

 

Nicht zeugnisverweigerungsberechtigt ist die Geliebte bzw. der Geliebte, oder enge Freunde, wenn auch die Zwangslage aufgrund der Nähebeziehung hier ähnlich groß oder vielleicht größer ist, als bei den Zeugnisverweigerungsberechtigten.

 

Aus Sicht mancher Staatsanwaltschaften und Gerichte ist, ob man den Zeugen das Verlöbnis glauben kann oder will, da keine überprüfbaren formellen Erfordernisse für das Eingehen eines Verlöbnisses bestehen, sodass hohe Missbrauchsgefahr besteht. Und wer hat schon eine Verlobungsanzeige in der Zeitung geschaltet und die s aufgehoben. Und wie sieht ein Beweiskräftiger Verlobungsring aus? Und was, wenn beide keinen Verlobungsring tragen wollen?

 

Grenzprobleme entstehen, wenn Paare „seit Ewigkeiten“ zusammenleben und sich „als verlobt“ oder „quasi verheiratet“ fühlen … anders formuliert: ist ein dauerhaftes, nicht-eheliches Zusammenleben im Sinne einer Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft dem Verlöbnis oder gar der Ehe gleich zu stellen und wo sind die Unterschiede zu mancher Ehe … ? Natürlich im fehlenden Trauschein. Aber der ist es nicht, der das Aussageverweigerungsrecht gibt, Sonden die psychische Zwangslage, der Interessenkonflikt, den Liebsten nciht belasten zu wollen und dennoch die Wahrheit sagen zu müssen und aussagen zu müssen. Diese Konfliktlage ist es, die dem betroffenen Zeugen dessen mögliche Pflichten- und Interessenkollision in die Flucht des vollständigen Schweigens statt für seinen Geliebten lügen zu müssen und sich damit starfbar zu machen, ersparen will. Diese Konfliktlage besteht aber nciht nur bei den in § 52 StPO genannten Beziehungen. Angesichts der vielleicht abnehmenden allgemienen Bedeutung und der abnehmenden Üblichkeit eines formalen Verlöbnisses bzw. der Institution der Ehe im Allgemeinen und der Veränderung der Gesellschaft zu Patschworkfamilien, zu langem Zusammenleben ohne Trauschein und Verlöbnis (den sog. Wilden Ehen), sollte das Zeugnisverweigerungsrecht auch langjähirg Zusammenlebenden (Partnern aus sog. wilden Ehen) gewährt werden, da die psychische Zwangslage in Form eines Aussagenotstandes des ansonsten zur Wahrheit verpflichteten Zeugen (Nähebeziehung, Wahrheitspflicht als Zeuge, ggf. Belastung des geliebten Menschen, psychische Konfliktlage) hier dieselbe ist (sehr str.; a.A. insbesondere BVerfG NJW 1999, 1622). Diese Ansicht führt aber zu der nächsten Abgrenzungsproblematik: was ist ein langjähriges Zusammenleben? Ab wann haben diese Zusammenlebenden ein Recht zur Zeugnisverweigerung: ab 4 Wochen Zusammenleben, ab 4 Jahren oder irgendeinem Zeitraum dazwischen und wann ja – ab wann?

 

  1. b) Probleme gibt es auch bei mehreren Beschuldigten, wenn das Angehörigenverhältnis des Zeugen nur zu einem Beschuldigten/Angeklagten besteht: Hier muss immer die Zielrichtung des § 52 StPO im Auge behalten werden, der Zwangslage des Zeugen und der Wahrung des Familienfriedens Rechnung zu tragen. Daher gilt zunächst auch bei mehreren Mitbeschuldigten ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht bzgl. sämtlicher Beteiligter, auch wenn das Angehörigenverhältnis nur zu einem der Beschuldigten besteht, sofern der Sachverhalt auch den beschuldigten Angehörigen betrifft und isolierbare Teile, die nur den anderen betreffen, nicht ohne jegliche Belastung des Angehörigen darstellbar sind. Fraglich ist, ob sich hiern etwas ändert, wenn das Verfahren betreffend des Angehörigen abgetrennt wird und/oder das Verfahren gegen den beschuldigten Angehörigen eingestellt oder dieser bereits verurteilt wurde. Nach teilweise vertretender Ansicht soll auch hier im Hinblick auf die Intention und den Sinn und Zweck des 52 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht bestehen bleiben (str.) – a.A. zutreffend BGHSt 38, 96 (Erlöschen des Zeugnisverweigerungsrechts bei rechtskräftiger Verurteilung des mitbeschuldigten Angehörigen) und zutreffend BGHSt 54, 1 (Erlöschen des Zeugnisverweigerungsrechts bei Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO gegen mitbeschuldigten Angehörigen). Dass der mitbeschuldigte Angehörige mit dem Mittäter oder Teilnehmer befreundet ist, lässt kein Zeugnisverweigerungsrecht des fremden Dritten, mit diesem Mitbeschuldigten Dritten und ihm gegenüber nicht verwandten entstehen. Das Gleiche muss für den Tod des Angehörigen gelten. Eine Zwangslage oder negative Auswirkungen für das familiäre Verhältnis des Zeugen sind in diesen Fällen nicht mehr zu erwarten, so dass hier das Virliegen einer Konfliktlage nicht zu erkennen ist und es dann bei den herkömlichen Zeugenpflichten verbleibt.