Zahlungsverjährung, § 228 AO

Die AO unterscheidet zwischen der Festsetzungsverjährung (§en 169-171 AO) und der Zahlungsverjährung, § 228 AO. Für jeden steuerlichen Anspruch läuft eine eigene Zahlungsverjährungsfrist. Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt grundsätzlich 5 Jahre. Anders als die Dauer der Festsetzungsverjährungsfrist hängt die Dauer der Zahlungsverjährungsfrist also nicht davon ab, um welche Steuer es sich handelt.

Bei der Hinterziehung nach § 370 AO oder dem gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373 AO oder der Steuerhehlerei nach § 374 AO gilt eine verlängerte 10-jährige Zahlungsverjährungsrfrist, § 228 S. 2 AO.

Die Voraussetzung der Hinterziehung muss das FA beweisen, wenn es sich auf die 10-jährige Zahliungsverjährungsfrist berufen will. Dabei kann es sich etwa auf eine Geständnis in einem strafgerichtlichen Urteil oder strafgerichtlichen Feststellungen in einem Strafurteil beziehen und zu eigen machen – das bloße Bestreiten des Verurteilten genügt hier nicht, die Urteilsfeststellungen ins Wanken zu bringen. Der StPfl kann hier zwar den Gegenbeweis gegen das Urteil antreten, muss dann aber qualifiziert vortragen.

Auch bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, die zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind, richtet sich die Zahlungsverjährung nach der AO, denn die Steuerforderung verliert mit ihrer Anmeldung und Verstellung zur Tabelle nicht ihre Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Steuerforderung, sondern wird nur hinsichtlich ihrer Durchsetzung einem besonderen Verfahren eingegliedert.

Aus welchem Grund der Anspruch nicht innerhalb der Fünfjahresfrist geltend gemacht worden ist, ist für den Eintritt der Zahlungsverjährung bedeutungslos. Eine Zahlungswährung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige und die Finanzbehörde irrtümlich eine vorherige Steuerfestsetzung für erforderlich gehalten haben oder keine Kenntnis vom Bestehen ihres Zahlungsanspruchs hatten (BFH BStBl 2012 II, 220).

§ 228 AO lautet wie folgt wörtlich;

§ 228 AO

Gegenstand der Verjährung, Verjährungsfrist

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der §§ 370, 373 oder 374 zehn Jahre.

Der Beginn der Verjährung richtet sich nach § 229 AO. § 229 AO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 229 AO

Beginn der Verjährung

Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Sie beginnt jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt; eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung gleich.

Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist.“

Verwirkung von Steueransprüchen

Losgelöst von der Verjährung können auch der Geltendmachung des Steueranspruchs Verwirkungsgedanken entgegenstehen. Die Verwirkung ist der Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben (BFH BStB 2004 II, 896). Eine Verwirkung innerhalb der noch laufenden Verjährungsfrist kann indes nur unter besonderen Umständen angenommen werden (BFH BStBl 1988 II, 42). Ein bloßes und Tätigbleiben der Finanzbehörde führt daher nicht zu einer Verwirkung. Die Finanzbehörde kann auch noch am letzten Tag vor dem Fristablauf Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen. Die Verwirkung setzt also ein Zeitelemente und ein Umstandselement voraus. Neben dem bloßen Zeitmoment, also einem langen Zuwarten ist also ein von der Finanzbehörde geschaffener Vertrauenstatbestand (= Umstandsmoment) erforderlich, weswegen der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und er deswegen Vermögensdispositionen getroffen hat, indem er sich auch tatsächlich auf die nicht Geltendmachung des Anspruchs eingelassen hat und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolgen) (Rüsken in Klein, AO Kommentar, § 28 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).

Ob solche Zeit Momente und Umstandsmomente kumuliert vorliegen und der Steuerpflichtige dann auf die Nichtgeltendmachung der Steueranspruchs Vertrautheit und dies nachgewiesen werden kann, ist natürlich eine Frage des Einzelfalls. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass die Finanzverwaltung stets darauf bestehen wird, dass die öffentlich-rechtlichen Erfüllungsinteressen Höhe stehen und niemand darauf vertrauen darf, dass eine festgesetzte Steuerforderung nicht mehr geltend gemacht wird. Die Finanzverwaltung wird an dieser Stelle sicherlich damit argumentieren, dass es zu ihren pflichtgemäßen Aufgaben gehört, festgesetzte Forderungen auch zu vollziehen und wenn dies auch lange Zeit in Vergessenheit geraten sein mag im Einzelfall, so mag dies ein Fehler der Finanzverwaltung sein, aber daraus folgt natürlich kein Anspruch darauf, dass dies auch so bleibt.

Die Finanzverwaltung wird in solchen Fällen so argumentieren, dass sich niemand auf einer unrechte Position berufen darf bzw. Niemand darauf vertrauen darf, dass ein Vergessen der Finanzverwaltung anhält oder System hätte. Selbst wenn also die Vollstreckung in einem Einzelfall einige Zeit lang unterbleibt, wird die Finanzverwaltung nicht akzeptieren, dass hieraus ein Umstandsmoment abgeleitet wird und der Steuerpflichtige zurecht auf das „es wird so bleiben“ hinsichtlich der Untätigkeit der Finanzverwaltung in vollstreckungsrechtliche Sicht vertrauen durfte.

Aufteilung der Steuerschulden nach § 268 AO

Sind z.B. Ehegatten aufgrund der Zusammenveranlagung Gesamtschuldner und bestehen gegen einen der Ehegatten erhebliche Steuerrückstände, kann der andere sich dadurch schützen, dass er einen Aufteilungsantrag nach § 268 AO stellt. Dann bleiben die steuerrechtlichen Vorteile der Zusammenveranlagung (Splittingtarif) während vollstreckungsrechtlich nur für Zwecke der Frage, wer was schuldet, eine hypothetische Einzelveranlagung durchgeführt wird und sich danach dann die prozentualen Anteile an der bestehenden Steuerschuld errechnen. Hat die Ehefrau beispielsweise keinerlei Einkünfte, und hat der Ehemann erhebliche Steuerschulden aufgrund einer Betriebsprüfung in seinem Betrieb, muss weder zivilrechtlich die Zugewinngemeinschaft aufgelöst werden und nun Gütertrennung beantragt werden, noch muss eine Einzelveranlagung beantragt werden, vielmehr können die Splitting Vorteile durch die Zusammenveranlagung gewählt werden, während dann alleine für Vollstreckungsmaßnahmen der Aufteilungsantrag nach § 268 AO gestellt werden kann und muss.

Der Antrag kann allerdings erst nach Entstehen der Steuerschuld gestellt werden. Er muss vor vollständiger Tilgung der Steuer gestellt werden. Ist ein solcher Antrag – war ich muss ich denke auch aber auch ich gleich von welchem der Ehegatten – gestellt, besteht ein Rechtsanspruch auf die Aufteilung. Die Aufteilung wird daher nicht nur für die Vollstreckung, sondern die ursprüngliche Gesamtschuld wird danach wieder zu einer Teilschuld. Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Eheleute durch die Aufteilung so zu stellen, als wären sie Teilschuldner (BFH BStBl 1988 II, 406; BFH BStBl 2002 II, 214; BFH/NV 2010, 604),

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§ 268 AO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 268 AO

Grundsatz

Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt worden sind, so kann jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 bei einer Aufteilung der Steuern ergibt.“

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO

Der Vollstreckungsaufschub ist von vornherein nur vorläufig. Er ist aufzuheben, wenn die Billigkeitsgründe wegfallen. Eine Maßnahme nach § 258 AO kann daher nur in Betracht kommen, wenn vorübergehend Umstände vorliegen, die eine Vollstreckung unbillig erscheinen lassen (BFH/NV 1987, 20; BFH/NV 1999, 443).
Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und auf Stundung schließen sich nicht gegenseitig aus und stehen auch nicht im Widerspruch zu einem Antrag nach § 268 AO (BFH, BStBl 1971 II, 114). Der Steuerpflichtige kann also alle 3 Anträge gleichzeitig bzw. auch in einem Stufenverhältnis kombiniert stellen. Der Steuerpflichtige kann sich, um sich vor Vollstreckungsmaßnahmen zu schützen, sogar schon auf § 258 AO berufen, bevor die Vollstreckungsbehörde konkrete Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat oder solche angedroht hat (BFH BStBl 1977 II, 104; BFH/NV 1989, 766).

Die Folgen der Anträge sind aber unterschiedlich: für die Stundung und die Aussetzung der Vollziehung sind nach §§ 234, 237 AO Zinsen in Höhe von 6 % pro Jahr zu zahlen. Für den Vollstreckungsaufschub, wenn der gewährt wird, sind nach § 240 AO Säumniszuschläge in Höhe von 12 % pro Jahr zahlen, weil der Vollstreckungsaufschub die Fälligkeit der Forderung unberührt lässt (BFH BStBl 1979 II, 429; BFH BStBl 1991 II, 864; BFH/NV 1997, 257). Ob diese dann ggf. wieder teilweise erlassen werden, bzw. welcher Zinssatz der richtige ist, vgl. oben.

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§ 258 AO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 258 AO

Einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung

Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.“

Auch hier ist darauf zu verweisen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung keine positive Ermessensentscheidung erwartet werden kann, wenn eine Hinterziehung zu den Steuerschulden führte. Hier ist die Ermessensvorprägung von vornherein negativ. Solche Gedanken sind letztendlich auch gut verständlich: der Steuerpflichtige, der dem Fiskus in die Tasche greift, soll nicht auch durch positive Ermessensentscheidungen belohnt werden. Immerhin sind diese ganzen Ermessensentscheidungen unter dem Gesichtspunkt Gnade vor Recht zu sehen. Problematisch ist das allerdings, wenn die Hinterziehung nur behauptet, nicht aber bewiesen ist. Dann streitet die Unschuldsvermutung natürlich für den Steuerpflichtigen. Das ist für manchen Finanzbeamten schwer einzusehen, dass die Steuerfahndung oder die Brust trat zwar die Hinterziehung behauptet, aber nicht beweisen kann oder noch nicht bewiesen hat und nun im Veranlagungsbezirk positive Ermessensentscheidungen für den Steuerpflichtigen ergehen sollen bzw. Bei der Vollstreckungsstelle positive Entscheidungen für diesen angeblich so bösen Steuerpflichtigen ergehen sollen – solange eben die Steuer Straftat noch nicht bewiesen ist, also die Unschuldsvermutung für ihn spricht.

Die Unbilligkeit ist im Einzelfall anzunehmen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges abwarten oder durch eine andere Streckungsmaßnahme vermieden werden könnte /BFH/NV 1986, 478, FG Berlin EFG 1987, 283; FG Bremen EFG 1998, 1024).

Die eine unbilligkeitsbegründenden Umstände müssen zumindest über die Nachteile hinausgehen, die normalerweise bei einer Vollstreckung üblicherweise zu erwarten sind (BFH/NV 1993, 460; BFH/NV 1993, 660; BFH/NV 1993m 664).

In das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit dürfen dabei nicht Merkmale der Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO oder des §en 69 FGO hineininterpretiert werden (BFH BStBl 1985 II, 194).

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerbescheide, die der Vollstreckung zugrunde liegen, also materiellrechtliche Einwendungen gegen den Steuerbescheid sind nach § 256 AO sowieso im Verfahren nach § 258 AO ausgeschlossen (BFH/NV 1987, 223; BFH/NV 1987 801). Gleichwohl sind natürlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide durchaus auch ein Argument, die Vollstreckung einstweilen auszusetzen: es macht doch einen Unterschied, ob der Bescheid bestandskräftig ist oder beispielsweise noch nicht. Das muss doch auch im Antrag nach § 258 AO im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung eine Rolle spielen. Auch wenn der BfA meint, dass dann, wenn die Bescheide noch nicht unanfechtbar geworden sind, sich daraus allein jedenfalls noch keine Unbilligkeit der Vollstreckung herleitet (BFH/NV 1987, 801). Der BFH selbst aber räumt ein, dass eine Vollstreckung aber dann als unzulässige Rechtsausübung unbillig und ermessensfehlerhaft sein kann, wenn der Betrag der Vollstreckung sogleich wieder zurückgezahlt werden müsste – der Steuerpflichtige also mit seinem Einspruchs- oder Klageverfahren wohl Erfolg haben wird (BFH BStBl 1985, 194; BFH, Beschluss v. 05.10.1990, Az.: V B 137/89, BFH/NV 1991, 633; BFH/NV 1992, 618).

Der BFH in dem Beschluss v. 05.10.1990, Az.: V B 137/89 insoweit wörtlich:

„Wie das FG unter Berufung auf den BFH-Beschluß vom 29. November 1984 V B 44/84 (BFHE 142, 418, BStBl II 1985, 194) und das BFH-Urteil vom 7. März 1985 IV R 161/81 (BFHE 143, 397, BStBl II 1985, 449) dargelegt hat, ist die Beitreibung einer Steuer i. S. von § 258 AO 1977 dann unbillig und die Ablehnung eines Antrags auf Vollstreckungsaufschub ermessensfehlerhaft, wenn der zu zahlende Betrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald zu erstatten ist.“

Quelle: BFH, Beschluss v. 05.10.1990, Az.: V B 137/89, BFH/NV 1991, 633.

Die Gründe für Maßnahmen nach § 258 AO können nur die Art und Weise, den Umfang oder den Zeitpunkt der Vollstreckung betreffen (BFH/NV 1986, 139).