Nach § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO erhält der Verteidiger nach der Verlesung der Anklage und vor der Vernehmung des Angeklagten in besonders umfangreichen Verfahren zur Sache auf Antrag Gelegenheit, für den Angeklagten eine Erklärung abzugeben.
§ 243 Abs. 5 Satz 3 StPO lautet wie folgt wörtlich:
„(5) 1Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. 2Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. 3Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. 4Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. 5Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. 6Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.“
Die zunächst für alle Verfahren vorgesehene Änderung wurde im Regierungsentwurf noch einmal deutlich eingeschränkt und soll nunmehr nur noch für besonders umfangreiche erstinstanzliche Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, gelten.
Manche mögen sich bei der neuen Regelung fragen, was der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt überhaupt sinnvoll vortragen kann, das nicht an anderer Stelle eher angebracht wäre bzw. prozessual auch so vorgesehen ist: So sollte er bei rechtlichen Hindernissen (etwa Verfolgungsverjährung, wirksame Selbstanzeige, Strafklageverbrauch etc.) bereits im Ermittlungsverfahren, spätestens aber nach Zustellung der Anklageschrift durch das Gericht im Rahmen der hier vorgesehenen Stellungnahmemöglichkeiten auf die Einstellung bzw. die Nichteröffnung des Hauptverfahrens hinwirken.
Ob es sinnvoll ist Beweisanträge gleich nach Verlesung der Anklage zu stellen, oder nicht einmal den Angeklagten schweigen zu lassen und die Belastungszeugen sich erst einmal anzuhören, lässt sich kaum pauschal entscheiden. Ein Gegengewicht zur Anklage erscheint aber sinnvoll. Das kann also eine persönliche Erklärung des Angeklagten sein, etwa die Verlesung einer vorbereiteten Erklärung, wenn sonst am ersten Verhandlungstag nichts ansteht. Wenn allerdings zahlreiche unaufschiebbare Anträge, Aussetzungsanträge und Besetzungsrügen zu stellen und damit zu verlesen sind, gehen Erklärungen des Angeklagten oder ein Opening Statements zumindest in einer etwas angeheizten Stimmung möglicherweise etwas unter. Wenn aber keine unaufschiebbaren Anträge zu stellen gibt und keine Zeugenvernehmungen anstehen und lediglich die Anklage verlesen wird, macht es Sinn, über einen Gegenpol nachzudenken. Dieser könnte in einer Verlesung einer vorbereiteten schriftlichen Erklärung durch den Angeklagten liegen, die dann von diesem dem Gericht übergeben und Anlage zum Hauptverhandungsprotokoll genommen wird oder in der Verlesung eines vom Angeklagten und dem Verteidiger vorbereiteten Opening Statements liegen, das schriftlich abgefasst und dann vom Verteidiger verlesen und dem Gericht übergeben wird, das dann zum Protokollband als Anlage genommen wird.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen nehmen das die Richter nicht so genau mit der Anforderung, dass die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als 10 Hauptverhandlungstage dauern wird und lassen im Zweifelsfall auch ein Opening Statement zu, wenn erst mal nur 5 bis 6 Hauptverhandlungstage angesetzt sind.
Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass der Schlussvortrag nicht vorweggenommen werden darf. Aber wie lässt sich auch vorhersehen, was das Plädoyer vorwegnimmt? Wohin werden sich die rechtlichen und thematischen sachlichen Schwerpunkte entwickeln? Wie kann am Anfang vorhergesehen werden, was später im Plädoyer gesagt werden wird? Und was soll gesagt werden dürfen, wenn das Plädoyer nicht vorweggenommen werden darf? Nur Unwesentliches oder nur Nebelkerzen und Langweiliges?
Der Verteidiger darf sowieso jederzeit eine Einlassung für den Angeklagten abgeben. Und er darf nach jeder Beweiserhebung eine Erklärung nach § 257 II StPO abgeben. Was sollte er also nicht im Openening Statement sagen dürfen?