4
geforderte Nachzahlung einschließlich der Zuschläge wurde fristgerecht von dem Angeklagten beglichen.
Bereits zuvor hatten die nordrhein-westfälischen Finanzbehörden zum Jahreswech- sel 2011/2012 eine CD mit Daten von 2.500 bis 3.000 Kunden des Bankhauses Juli- us Bär erworben, unter denen sich auch die Daten zur Kontoverbindung des Ange- klagten befanden. Nachdem das für die Auswertung zuständige Finanzamt M. die den Angeklagten betreffenden Daten mit den Steuerdaten des Finanzamts N. abge- glichen hatte, fertigte ein Mitarbeiter des Finanzamts M. am 22. August 2012 einen Verdachtsprüfungsvermerk und am 23. August 2012 wurde gegen den Angeklagten ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommens- teuer für die Jahre 2007 bis 2010 eingeleitet.
Im Hinblick auf die öffentliche Berichterstattung über den Ankauf von Datenträgern mit Datensätzen von ausländischen Kunden Schweizer Bankhäuser hat das Landge- richt folgende Feststellung getroffen:
„Im August 2012 wurde in der regionalen und überregionalen Presse im- mer wieder und ausführlich über den Ankauf von „Steuer-CD’s“ berichtet. Einige dieser Berichte betrafen die CD mit Daten von der Bank Julius Bär, die zum Jahreswechsel 2011/2012 von den nordrhein-westfälischen Fi- nanzbehörden erworben worden war. Die Bank Julius Bär wurde dabei in verschiedenen Berichten namentlich genannt.
Der Angeklagte informierte sich insbesondere über die Internetseite „Bör- se.de“ über Wirtschaftsnachrichten. Auf dieser Seite wurden am 27. Au- gust 2012 zwei Nachrichten der Deutschen Presseagentur verlinkt, in de- nen von einer von deutschen Behörden angekauften CD mit Kundendaten der Bank Julius Bär berichtet wurde.
Der Angeklagte hatte im Jahre 2012 zur Kenntnis genommen, dass „Steu- er-CD’s“ mit Daten schweizerischer Banken durch deutsche Finanzbehör- den angekauft wurden. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige war
5
ihm bekannt, dass deutsche Finanzbehörden auch eine CD mit Kunden- daten der Bank Julius Bär erworben hatten.“
Das Landgericht hat eine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige des Angeklag- ten nach § 371 Abs. 1 AOO verneint, da die Voraussetzungen des Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vorlägen. Zum Zeitpunkt der Selbstanzeige seien die Taten bereits entdeckt gewesen und der Angeklagte habe aufgrund der ihm bekannten Be- richte über den Ankauf einer CD mit Datensätzen von Kunden des Bankhauses Juli- us Bär auch mit der Entdeckung der Taten rechnen müssen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung mate- riellen Rechts rügt und sich insbesondere dagegen wendet, dass das Landgericht ein Eingreifen des Sperrtatbestands nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO angenommen und da- mit eine strafbefreiende Wirkung seiner Selbstanzeige verneint hat.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg und war deshalb nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
- Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO eingreift und damit die Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung nach § 371 Abs. 1 AO entfaltet.
Auf der Grundlage der nicht angegriffenen Feststellung des Landgerichts lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem der Selbstanzeige vom 6. September 2012, die Vo- raussetzungen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO vor. Nach dieser Vorschrift tritt Straffreiheit durch eine Selbstanzeige nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
a) Die von dem Angeklagten begangenen Hinterziehungstaten waren bei Abgabe der Selbstanzeige am 6. September 2012 bereits entdeckt. Bereits zuvor war auf-
6
grund des Datenabgleichs vom 22. August 2012 festgestellt worden, dass der Ange- klagte die Bankverbindung zu dem Bankhaus Julius Bär in der Schweiz nicht in sei- nen Einkommenssteuererklärungen angegeben hatte, woraufhin am 23. August 2012 ein Steuerstrafverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet wurde.
b) Das Landgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei Abgabe der Selbstanzeige am 6. September 2012 im Sinne von § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO unter verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, dass die Hinterziehungstaten bereits entdeckt waren.
aa) Bei dem Begriff des „Rechnenmüssens“ mit einer Tatentdeckung handelt es sich um eine Beweisregel zu Ungunsten des Täters, die auf die dem Täter bekannten Umstände fußt. Es kommt darauf an, ob der Täter aufgrund der ihm nachweislich bekannten Umstände mit der Entdeckung seiner Tat rechnen musste. Dabei ist auf die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Täters abzustellen; maßgeblich ist, in- wieweit der Täter nach seiner persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit eine Ta- tentdeckung annehmen musste (vgl. zum Vorstehenden: Kohler in Münchner Kom- mentar zum StGB, 2. Aufl., § 371 AO Rn. 278 f.).
In der Literatur wird der Begriff des „Rechnenmüssens“ ganz überwiegend dahin ge- hend verstanden, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Tatsachen davon aus- gehen muss, dass die Tat entdeckt ist: „Rechnenmüssen“ mit der Tatentdeckung sei anzunehmen, wenn der Täter nach den ihm bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Tat entdeckt ist. Aufgrund der dem Täter bekannten Um- ständen hätte sich ihm die Tatentdeckung aufdrängen müssen (so Joecks in Fran- zen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 198; Kohler, aaO., § 371 AO Rn. 279; Jäger in Klein, Abgabenordnung, 12. Aufl., § 371 Rn. 70; Hadamitz- ky/Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 200. Ergänzungsliefe- rung, Oktober 2014, § 371 AO, Rn. 40; ähnlich auch Schöler, DStR 2015, 503, 506). Das Landgericht ist demgegenüber mit Recht davon ausgegangen, dass der Begriff des „Rechnenmüssens“ weiter auszulegen ist und ein „Rechnenmüssen“ auch vor- liegt, wenn ein Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Tatentdeckung für durchaus möglich oder wahrscheinlich hält, auch wenn eine gewisse Unsicherheit verbleibt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut der Vorschrift, steht im Einklang
7
mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und widerspricht – ent- gegen der Auffassung der Revision – nicht dem erkennbaren gesetzgeberischen Wil- len.
(1.) Dem allgemeinen Sprachverständnis nach ist unter der Formulierung „mit et- was zu rechnen“ zu verstehen, dass jemand aufgrund bestimmter Umstände bzw. Überlegungen den Eintritt eines bestimmten Ereignisses als möglich bzw. wahr- scheinlich annimmt (vgl. www.duden.de/rechtschreibung/rechnen). Im Unterschied zum Begriff des „Kennens“, der auf die positive Kenntnis, also das Wissen von be- stimmten Umständen hindeutet, beinhaltet „mit etwas zu rechnen“, also eine noch verbleibende Unsicherheit.
(2.) Allein eine solche Auslegung steht auch mit der der Rechtsprechung des Bun- desgerichtshofs im Einklang. Dieser hat mit dem Beschluss vom 20. Mai 2015 ausge- führt, der Tatbestand der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO sei im Hin- blick auf den staatlichen Strafanspruch restriktiv auszulegen (BGH, Beschl. v. 20 Mai 2015 – 1 StR 577/09 -, bei Juris Rn. 17). Dies spricht dafür, die Voraussetzungen des Sperrgrunds nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO – wie auch der anderen Sperrgründe, die gerade einen Wegfall der Strafbefreiung nach § 371 Abs. 1 AO zur Folge haben, – nicht gemäß der Auffassung der Literatur eng, sondern dem allgemeinen Sprachge- brauch folgend dahingehend auszulegen, dass ein „Rechnenmüssen“ mit der Ta- tentdeckung bereits dann vorliegt, wenn der Täter aufgrund der ihm bekannten Um- stände eine Entdeckung für naheliegend hält, ohne hiervon aber bereits sicher aus- zugehen. Eine solche Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass nach der Recht- sprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf verbesserte Ermittlungsmöglich- keiten bei Steuerstraftaten keine hohen Anforderungen an die Annahme eines „Ken- nenmüssens“ der Tatentdeckung zu stellen sind. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO werde deshalb – so der Bundesgerichtshof weiter – maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung und weniger durch die subjektive Kom- ponente bestimmt (BGH, aaO., bei Juris Rn. 33).
(3.) Eine solche Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zum erkennbaren ge- setzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber hat zwar entgegen dem damaligen Vor- schlag des Bundesrats (vgl. BT-Drucksache 17/2823, S. 28 f.) auf das subjektive