Ausschlussfrist, § 364 b AO

Das Finanzamt kann gem. § 364b AO dem Einspruchsführer unter Belehrung über die Folgen in bestimmten Fällen eine Ausschlussfrist setzen. Die Vorschrift ähnelt dem Paragraf 79 b FGO im finanzgerichtlichen Verfahren.

Die Vorschrift würde leerlaufen, wenn der Steuerpflichtige dann im finanzgerichtlichen Verfahren die Sachverhalte und Beweismittel vortragen könnte, mit denen er im Einspruchsverfahren nach Fristablauf ausgeschlossen wurde. Um dies zu verhindern ist in Paragraf 76 FGO ein neuer Absatz 3 eingefügt worden, wonach das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach Paragraf 364 b Abs. 1 AO gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder gar erst im Klageverfahren vorgebracht werden, als verspätet zurückweisen kann und ohne weitere Ermittlungen in diesem Punkt dann entscheiden kann.

§ 76 FGO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 76 FGO

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.“

Wie sich solche Präklusionsvorschriften im Steuerrecht mit dem Amtsermittlungsgrundsatz vereinbaren lassen, ist nicht verständlich. Hier ist der zivilrechtliche Beibriungungsgrundsatz auf einmal eingeschleppt worden.

Merken Sie sich also:

  1. Wer sich nicht wehrt, verliert.
  2. Wer sich nicht schnell, d.h. fristgemäß im Sinne der §§ 364 b AO und 79 b FGO wehrt, verliert erst Recht, auch wenn er Recht hätte oder eigentlich Recht bekommen müsste.

Dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem Anspruch auf Gleichmäßigkeit der Steuerfestsetzung und Erhebung nach subjektiver Leistungsfähigkeit sind solche Ausschlussfristen aufgrund Zeitablaufs fremd. Wie lässt sich materielle Steuergerechtigkeit mit Ausschlussfristen und bewusster Außerachtlassung entlastender steuermindernder Fakten und verlege, bloß weil sie zu spät nach einer willkürlichen Fristsetzung eines Beamten oder Richters eingereicht wurden, begreifen?

Und wie lässt sich vor dem Gleichheitsgrundsatz verstehen, dass Ausschlussfristen setzen und in gleich gelagerten Fällen? In beiden Fällen kommt bei demselben Sachverhalt durch unterschiedliche Handhabung anderer Beamter oder anderer Richter, die keine Ausschlussfristen setzen, ein völlig anderes materiellrechtliches Ergebnis heraus. Wo ist da die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 GG?

Wie dem auch sei: nach Paragraf 364 b AO kann die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen unter Fristsetzung auffordern zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt (Abs. 1 Nr. 1), zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte (Abs. 1 Nr. 2), zur Bezeichnung von Beweismitteln und zur Vorlage von Urkunden, soweit er dazu verpflichtet ist (Abs. 1 Nr. 3).

§ 364 b AO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 364b AO

Fristsetzung

  1. zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt,
  2. zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte,
  3. zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden, soweit er dazu verpflichtet ist.

1Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist vorgebracht werden, sind nicht zu berücksichtigen. 2§ 367 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt. 3Bei Überschreitung der Frist gilt § 110 entsprechend.

Der Einspruchsführer ist mit der Fristsetzung über die Rechtsfolgen nach Absatz 2 zu belehren.“

Bringt der Einspruchsführer Erklärungen und Beweismittel erst nach Ablauf dieser Frist vor, werden diese im Einspruchsverfahren nicht mehr berücksichtigt, es sei denn, dass dem Einspruchsführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren ist.

Was ist, wenn der Einspruchsführer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist? Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Paragraf 110 AO?

Die Vorschrift ist in vielerlei Hinsicht problematisch: bekanntlich muss der Einspruchsführer seinen Einspruch nicht begründen. Auch wenn die Einspruchsbegründung natürlich selbstverständlich absolut sinnvoll ist, besteht rechtliche keine Verpflichtung, den Einspruch zu begründen. Die Behörde hat dann von Amts wegen den Bescheid zu überprüfen. Was dabei herauskommt, wird sie nicht weiter verwundern: die Behörde findet keine Fehler und hält ihren eigenen Bescheid natürlich für richtig. Insoweit schreibt Brockmeier beispielsweise, dass dann, wenn keine Begründung abgegeben wird, die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht in der Regel genügt, wenn Sie anhand der Akten den Verwaltungsakt auf Fehler in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht überprüft (Brockmeyer in Klein, AO-Kommentar, § 364 b RN 3).

Das wirft natürlich spannende Fragen auf, wenn etwa aufgrund einer BP Änderungsbescheide ergingen und nun der BP Bericht mit eventuellen Schätzungen die Begründung zu den Änderungsbescheiden darstellt. Was muss hier die Behörde von sich aus überprüfen? Musikkontrollrechnungen und Plausibilitätsprüfungen vornehmen? Muss sie weitere andere alternative Schätzungsmethoden anwenden um die ursprüngliche Schätzungsmethode in dem Bericht zu verplausibilisieren? Wenn der BP Bericht eine Verwerfungskompetenz hinsichtlich der Buchführung behauptet und aufgrund von einer Schätzung nach der Richtsatzsammlung zu riesigen Mehrergebnisse kommt, erfordert dann die von Amts wegen vorzunehmende Selbstüberprüfung die Prüfung der Verwerfungskompetenz und alternative Schätzungsmethoden, um die ursprüngliche Schätzung zu verplausibilisieren?

Und wenn nun der Steuerpflichtige nicht fristgemäß vorträgt, leben dann die eigenen Prüfpflichten in vollem Umfang auf?