Ernstliche Zweifel im Aussetzungsverfahren bestehen, wenn bei der überschlägigen (= über den Daumen) Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (BFHE 87, 447; BFHE 146, 508= BStBl 1986 II, 656).
Ernstlich zweifelhaft ist eine Rechtsfrage, wenn sie von 2 obersten Bundesgerichten unterschiedlich beurteilt worden ist (BFHE 94, 206). Das gleiche muss man annehmen, wenn 2 Senate des BFH dieselbe (oder auch eine ähnlich gelagerte) Rechtsfrage verschieden beantwortet habenn (BFHE 146,105).
Ernstliche Zweifel liegen aber auch vor, wenn die angegriffene Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH abweicht (BFH/NV 1987, 539).
Das gilt natürlich erst recht auch dann, wenn sich das Finanzamt auf einen sogenannten Nicht -Anwendungserlass beruft BFH/NV 1994, 869). Was ist das, ein nicht Anwendungserlass? Da ist das Bundesfinanzministerium mit einer Entscheidung des BFH nicht einverstanden und verfügt für die nachgeordneten Finanzbehörden, dass diese BFH Entscheidung nicht allgemein angewendet werden sollen, sondern eben nicht angewendet werden soll. Dieser Nicht Anwendungserlass umschreibt also, dass die Rechtsmeinung des BFH in dem konkret entschiedenen Fall vom Ministerium als falsch angesehen wird und der BFH bei nächster Gelegenheit einen vergleichbaren Fall erneut präsentiert bekommen soll, um hier noch einmal seine Hausaufgaben zu machen und noch einmal nachdenken zu können um die Sache dann neu und dann aus Sicht des Finanzministeriums richtig entscheiden zu können.
Natürlich ist die Finanzverwaltung in dem konkret entschiedenen Fall an die Streitentscheidung des BFH gebunden, sodass dieser Fall unrettbar aus Sicht des BMF verloren ist. Das BFH-Urteil bzw. Dessen Grundsätze nicht angewendet werden. Damit opponiert die Finanzverwaltung ganz offen gegen die Anwendbarkeit und Richtigkeit einer BFH Entscheidung. Selbstverständlich sind dann aus Sicht des BFH Verwaltungsentscheidungen, die sich auf den nicht Anwendungserlass beziehen, also ganz offen eine BFH Entscheidung für falsch halten und deswegen nicht anwenden, natürlich in der Sache ernstlich zweifelhaft, bei der BFH seinerseits seine Entscheidung natürlich wiederum für richtig hält sodass in solchen Fällen natürlich die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist.
Mit der Aussetzung der Vollziehung sollen also keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Der Steuerbürger soll die Möglichkeit haben, sich durch den Einspruch gegen den Bescheid zu wehren und andererseits sich gegen die Vollziehbarkeit des Bescheides durch ein 2. Verfahren, nämlich das Aussetzungsverfahren ebenfalls zu wehren. Ansonsten wäre vielleicht mancher pleite, bevor über die Hauptsache entschieden wäre. Um hier dem Steuerpflichtigen die nötige Luft zum Atmen zu lassen, muss also über die Frage, ob die Steuern gezahlt werden müssen oder nicht, dies im Aussetzungsverfahren geklärt werden.
Der § 69 FGO entspricht also im wesentlichen dem das §en 361 AO. Dennoch besteht kein Wahlrecht zwischen beiden Aussetzungsverfahren. Primär geht das finanzamtliche Verfahren vor. Nur dann, wenn das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung bereits abgelehnt hat oder sonst die Vollstreckung droht, kann der Antrag beim Finanzgericht gestellt werden, § 69 Abs. 4 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren ist also nachrangig, ist also subsidiär im Verhältnis zum finanzamtlichen Aussetzungsverfahren nach § 361 AO. Dies dient der Entlastung der Finanzgerichte. Die Finanzbehörde soll selbst erst einmal entscheiden, ob ihr Steuerbescheid vollstreckt werden soll oder nicht.