Durchsuchung, Durchsuchungsbeschluss

Die eigene Wohnung ist geschützt. Fremde Dritte dürfen diese nicht einfach betreten. Der Eigentümer bzw. Besitzer der Wohnung übt das Hausrecht aus und kann jeden ungebetenen Gast rauswerfen. Im Grundgesetz ist die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung in Art 13 GG verbrieft Art 13 GG lautet wie folgt wörtlich:

Art. 13 GG

Die Wohnung ist unverletzlich.

Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

1Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. 2Die Maßnahme ist zu befristen. 3Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. 4Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

1Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. 2Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

1Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. 2Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

1Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. 2Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. 3Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.“

Der Begriff der Wohnung ist in Art. 13 GG umfassend zu verstehen:

Das ist jeder nicht allgemein zugängliche feststehende, fahrende oder schwimmende Raum, der zur Stätte des Aufenthalts oder Wirkens von Menschen gemacht wird. Der Wohnwagen ist daher genauso geschützt, wie das Hausboot oder das Einfamilienhaus oder die 2-Zimmerwohnung. Ob Mietwohnung oder Eigentum, ob groß oder klein, ob benötigt oder nicht: alles von dem Beschuldigten als Wohnung genutzte umschlossene Raum ist im Sinne von Art. 13 GG eine Wohnung. Wohnung ist hiernach der zu Aufenthalts- oder Arbeitszwecken bestimmte und benutzte Raum einschließlich der Nebenräume und des angrenzenden umschlossenen freien Geländes, auch Tageszimmer, Hotelzimmer, Keller, Speicher, Treppen, Wohnwagen, Wohnschiffe, nicht aber bloße Verkehrsmittel (Kraftwagen). Selbst ein Zelt könnte Wohnung im Sinne von Arbeits- oder Schlafraum sein.

Ebenso fallen die nicht allgemein zugänglichen Geschäfts- und Büroräume, Personalaufenthaltsräume, Arbeitshallen, Werkstätten, Garage, Schuppen, Ställe, Scheunen und ähnliche Räume, nicht aber der Unterkunftsraum eines Soldaten oder Polizeibeamten unter den Begriff des geschützten Raumes (Maunz-Dürig; Grundgesetz Kommentar; Maunz; § 13, Rdnr. 3c). Damit wird dem Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet (BVerfGE 42, 212 (219)). In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden (BVerfGE 51, 97 <107>). In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (BVerfGE 51, 97 (107); 96, 27 (40)).

Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2, 1. Halbsatz GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Strafrechtlich ist der Schutz der Wohnung durch Paragraf 123 StGB, den Hausfriedensbruch, als Abwehrrecht weiter geschützt. Gegen den Willen des Wohnungsberechtigten können aber beispielsweise Durchsuchungsbeamte die Wohnung betreten und durchsuchen, wenn sie einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss haben. Durchsuchungen dürfen insoweit nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (Paragraf 152 GVG) angeordnet werden. Durchsuchungen nach Paragraf 103 Absatz ein Satz 2 ordert der Richter an, die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

Die Durchsuchung gegen den Beschuldigten wird nach Paragraf 102 StPO angeordnet, die gegen den unbeteiligten Dritten, nach Paragraf 103 StPO.

Paragraf 102 StPO lautet wie folgt wörtlich:

§ 102 StPO

Durchsuchung bei Beschuldigten

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.“

Paragraf 102 StPO lautet wie folgt wörtlich:

§ 103 StPO

Durchsuchung bei anderen Personen

(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. 2Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem aufgrund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Beschuldigte in ihm aufhält.

(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.“

Signifikant für das Steuerrecht sind Belege.

Signifikant für das Steuerstrafverfahren sind genau dieselben Belege. Daher werden häufig die Belege gebraucht. Immer dann, wenn diese nicht freiwillig vorgelegt werden oder das Finanzamt befürchtet, dass diese nicht vorgelegt werden sollen oder diese dem Betriebsprüfer nicht vorgelegt werden, beantragt das Finanzamt beim Amtsgericht (Ermittlungsrichter) das eines Durchsuchungsbeschlusses. Formal bereiten dies meistens die Steuerfahnder vor und dann geht der Antrag über die Bußgeld und Strafsachenstelle an das Amtsgericht. Der Amtsrichter unterschreiben scheinbar meist mehr oder weniger ungelesen und ungeprüft die schon meist fix und fertig vorbereiteten Durchsuchungsbeschluss. Selten bis nie kommt es zu Zurückweisungen der Anträge oder zu Anfragen, Veränderungen oder Verbesserungen oder Korrekturen. Das lässt sich so aus jeder Akteneinsicht im Nachhinein leicht ersehen. Würden die richterliche kritische Durchsuchungsbeschluss Anträge prüfen, Rückfragen stellen, die Anträge zurückweisen oder komplett oder auch nur teilweise umschreiben oder umformulieren, würde dies natürlich in den Ermittlungsakten zu sehen sein – ist es aber nicht. So habe ich in meinen rund 26 Jahren Berufstätigkeit ein einziges Mal in all den Akten Einsichten eine Zurückweisung eines Durchsuchungsbeschluss Antrages gesehen, dann erst im 2. Anlauf mit Nachbesserung durchlief und vom Richter unterschrieben wurde. Vielleicht sind aber auch die Anträge so gut formuliert, dass es einfach nie etwas zu beanstanden gibt – trotz aller Prüfungen und kritischer Kontrollen der Ermittlungsrichter …. ?

Der Durchsuchungsbeschluss hat nur einer Haltbarkeitsdauer von einem halben Jahr, ab Erlass des Beschlusses.

Insoweit steht der Beschluss gedanklich unter der auflösenden Bedingung einer Sachverhaltsänderung. Der erwirkte Beschluss kann daher nur so lange Bestand haben, wie der Sachverhalt noch andauert, der dem Richter mit dem Antrag unterbreitet wurde. Hat das Finanzamt also den Durchsuchungsbeschluss erwirkt, musste nicht unbedingt gleich vollzogen werden. Der kann auch einige Wochen oder gar Monate auf Vorrat beim Finanzamt liegen bleiben. Spätestens jedoch nach Ablauf eines halben Jahres ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass die richterliche Prüfung nicht mehr die rechtlichen Grundlagen einer beabsichtigten Durchsuchung gewährleistet und die richterliche Anordnung nicht mehr den Rahmen, die Grenzen und den Zweck der Durchsuchung im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes zu sichern vermag (BVerfG, Beschluss vom 27.05.1997, 2 BvR 1990/92, wistra 1997, 223, 226).

Für die Anordnung eines Durchsuchungsbeschlusses müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (BVerfG, Beschluss vom 23.06.1990, NJW 1991, 690).

Bei Durchsuchungen beim Verdächtigen nach Paragraf 102 StPO soll es genügen, dass aufgrund kriminalistische Erfahrung die Vermutung besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann. Was aber sind kriminalistische Erfahrungen und wie sind die gerichtlich überprüfbar bzw. Was prüft ein Richter, wenn der Fahnder behauptet, das aufgrund seiner kriminalistischen Erfahrung mit dem Auffinden von Bankunterlagen oder anderen Unterlagen beim Beschuldigten zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in den sogenannten Bankenfällen (Luxemburg, Liechtenstein, Schweiz) standardisiert keine Durchsuchungen bei den Beschuldigten stattfanden, weil diese im Regelfall keine Unterlagen in Deutschland hatten. Dieser Täterkreis, der also seine Kapitaleinkünfte aus Luxemburg, Liechtenstein und Schweiz gegenüber dem Fiskus verheimlichte, war offenbar kriminalistische so clever drauf, keine Bankunterlagen in Deutschland zu lagern. Wenn wir uns von diesem Täterkreis nun auf andere Hinterzieher konzentrieren: warum sind die nicht genauso aus Hinterziehung sich clever und heben keine sie belastenden Unterlagen auf? Warum also soll derjenige, der seine Einkünfte über eine ausländische Gesellschaft gesplittet und einen Teil seines Entgelts auf ein anderes eigenes Konto fließen lässt und so einen Teil schwarz kassieren möchte, die Verträge zur Umleitung und die Verträge über das weitere Konto und die Kontounterlagen bei sich zu Hause oder im Betrieb aufbewahren? Welche kriminalistische Erfahrung spricht bei dem Täterkreis einst dafür, dass diese keine Unterlagen zu Hause haben und sich eine Durchsuchung dann zu Hause nicht diese Unterlagen bei sich zu Hause oder im Betrieb hat? Wie prüft der Richter diese kriminalistische Erfahrung nach? Ist die kriminalistische Erfahrung etwas anderes und mehr als eine Vermutung oder eine Hoffnung oder ein Klischee? Und ist ein Durchsuchungsbeschluss im Nachhinein rechtswidrig, wenn er angeblich nur auf einer kriminalistischen Erfahrung beruht, die sich aber nicht bewahrheitet und ist dann in diesem Fall die kriminalistische Verfahren nichts mehr als eine Hoffnung oder Vermutung oder Möglichkeit? Und waren die kriminalistische Erfahrung überzeugend unter Durchsuchungsschluss berechtigt, wenn die vermuteten Unterlagen gefunden werden? Wie kann man die Plausibilität und Begründetheit an meiner kriminalistischen Erfahrung überprüfen und wie kann dies auch das Instanzgericht, wenn Beschwerde eingelegt wird? Da ein Durchsuchungsbeschluss nicht willkürlich erlassen werden darf und zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Auffinden von Unterlagen in Form der kriminalistischen Erfahrung in Frage gestellt werden können darf und muss, wie lässt er sich im Vorhinein als seriös vorhanden nachweisen?

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Der Durchsuchungsbeschluss wird vom Richter erlassen, § 105 StPO. § 105 StPO lautet wie folgt wörtlich:

㤠105 StPO

Verfahren bei der Durchsuchung

1Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. 2Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

1Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. 2Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

1Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. 2Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. 3Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.“

Fassung aufgrund des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24.08.2004 (BGBl. I, 2198), in Kraft getreten am 01.09.2004

Der Durchsuchungsbeschluss ist in schriftlicher Form abgefasst, meist über 2 oder 3 Seiten.

In ihm muss ein anstrakter Vorwurf behauptet werden und ein darunter passender Sachverhalt dargestellt werden. Das ist der Tatvorewurf bzw. der Anfangsverdacht gegen Sie. Ebenso wie später in einer Anklage oder im Urteil muss unter die Ihnen zur Last gelegte Norm ein Lebenssachverhalt dargestellt und unter eine Norm subsumiert werden. Ausreichend ist allerdings der sog. einfache Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO. Hierfür reichen jedoch bloße Vermutungen  und Möglichkeiten nicht aus. Das bedeutet für ein Steuerstrafverfahren wegen Veranlagungssteuern, dass – soweit das nach dem Stand des Verfahrens möglich ist – Steuerpflichtiger, Steuerart und Veranlagungszeitraum angegeben werden müssen (BVerfG, 2 BvR 910/88, StV 1990, 483). Der Durchsuchungsbeschluss beinhaltet meist eine Zusammenfassung des bisherigen Tatverdachts ist meist identisch mit einem in der Akte befindlichen Verdachtsprüfungsvermerk. Das ist meist eine Zusammenfassung des bisherigen belastenden wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen.

Beim Dritten soll der Durchsuchungsbeschluss inhaltsärmer abgefasst werden können, wegen des Steuergeheimnisses bzw. Zum Schutz des eigentlichen Beschuldigten.

Angeblich soll es auch möglich sein, einen Durchsuchungsbeschluss mündlich zu erlassen (str., jedenfalls nicht, wenn Gründe und Sachverhalt nicht hinreichend dokumentiert sind: LG Lüneburg, Beschluss v 07.12.15, 26 Qs 281/15; Wegner, PStR 2015, Januar, S. 5).

Aber der BGH meint, dass in Eilfällen der Richter grundsätzlich auch ohne Vorlage der Akten auf mündlichen Antrag hin mündlich entscheiden darf (so z.B. bzgl. Durchsuchungsanordnungen BGHSt 28, 57; BbgVerfG NJW 2003, 2305; Anmerkungen von Laschewski zu LG Hamburg. Beschl. v. 12. 11. 2007 – 603 Qs 470/07, NZV 2008, 215). Einen nur mündlichen Durchsuchungsbeschluss (ob mit oder ohne Dokumentation) halte ich für unzulässig. Denn der beantragende Finanzbeamte müsste den Sachverhalt dem Richter mündlich mitteilen, dieser müsste den Sachverhalt verstehen, den Erlass prüfen, insbesondere die Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überprüfen und in personeller Hinsicht aber auch in sachlicher Hinsicht, wo und wonach gesucht werden soll, dies fest und klar und eindeutig für die Strafverfolgungsbehörden umreißen, damit diese klare Zielvorgaben haben und der Rahmen der Durchsuchung klar begrenzt ist. Denn nur im Rahmen des Durchsuchungsbeschlusses darf gesucht werden. Und wegen der Schwere des Eingriffs in das Grundrecht des Art. 13 GG (in diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein: vgl. BVerfGE 42, 212, 219 f.; 59, 95, 97; 96, 27, 40; 103, 142, 150 f.) muss natürlich festgeschrieben sein, was Durchsuchungsziele sind, wo durchsucht werden darf, was durchsucht werden darf und wonach gesucht werden darf bzw. soll. Insoweit ist der Durchsuchungsbeschluss der Schlüssel in fremde Wohnungen, der, wenn er rechtmäßig ist, den Eingriff in Art. 13 GG erlaubt. Ist der Schlüssel aber eben nicht rechtmäßig, so ist das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung rechtswidrig verletzt und der Beschluss jedenfalls wegen seiner Verfassungswidrigkeit aufzuheben. Wenn nicht vom Landgericht, dann doch vom Bundesverfassungsgericht.

Ein in § 105 StPO nicht ausdrücklich festgeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist aber die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Die Anordnung der Durchsuchung der Wohn-und Geschäftsräume sowie eventueller Zweitwohnungen, Ferienwohnungen, Autos, Bankschließfächer usw. Muss verhältnismäßig sein. Dabei muss die Schwere der Straftat, d. h. Bei einer Steuerhinterziehung gemäß Paragraf 370 AO also zur Höhe der wahrscheinlich verkürzten Steuern und zur Stärke des Tatverdachts in einem angemessenen Verhältnis stehen. Weiter muss der Durchsuchungsbeschluss zur Ermittlung und Verfolgung der Steuerstraftat erforderlich sein. Dies ist gerade vor dem Hintergrund, dass eine Betriebsprüfung vielleicht sogar effizienter wäre, weil der Steuerpflichtige dann hier Auskünfte erteilen muss, mitwirken muss, Erläuterungen abgeben muss, oder etwa in den Zwischenbesprechungen oder Schlussbesprechung komisch aussehende Sachverhalte aufgeklärt und plausibel gemacht werden können und ein aufkeimende Anfangsverdacht ausgeräumt werden kann, in den Steuerstrafsachen nicht so ohne weiteres zu bejahen.

Eine Durchsuchung scheidet aber aus, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen oder der Eingriff nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und zur Schwere der Tat steht (vgl. BVerfGE 42, 212, 220; 59, 95, 97)… das muss der Richter detailiert gerade bei den anderen der Finanzverwaltung zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten (USt-Sonderprüfung, LSt-Sonderprüfung, Kassennachschau). Häufig finden Sie in Durchsuchungsbeschlüssen standardisierte formularmäßige Klauseln, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei oder ähnliches mehr. Das sind natürlich inhaltsleere Phrasen, die das Gericht entlarven, eine sachgerechte Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade nicht angestellt zu haben. Vordrucke und vorformulierte Textpassagen sind gerade typische Anzeichen dafür, dass kein Gehirnsschmalz und keine konkrete individuelle Befassung mit dem Sachverhalt stattfand, sondern formularmäßig, am besten per Vordruck ohne Lektüre der Sache und ohne Beschäftigung mit der Sache hier einfach nur irgendwas geschrieben wurde um unerfahrene Dritte oder den Beschuldigte Steuerpflichtigen zu blenden. Solche Phrasen sind aber weder eine echte Begründung, noch eine echte Angemessenheitsprüfung. Fehlt diese, ist der Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig. Auch kann die Angemessenheitsprüfung nicht später nachgeholt werden, etwa durch das Instanzgericht (Landgericht) oder aber durch das Bundesverfassungsgericht etwa dergestalt, dass alternativ überlegt würde, ob bei Einstellung dieser oder jener Argumente die Verhältnismäßigkeit tatsächlich gewahrt wäre: es kommt auf den Ermittlungsrichter an das Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses, da er hier in diesem Moment den Schlüssel zur Öffnung der Wohnung schafft. Also können spätere Argumente oder spätere gegebenenfalls von anderen oder demselben Richter angestellte Ermessenserwägungen keine Rolle mehr spielen.

Die Ermessensabwägung muss im Zeitpunkt der Unterzeichnung das Durchsuchungsbeschlusses von dem Ermittlungsrichter angestellt werden und nur das, was er in die Ermessenserwägungen einstellt und zu Papier bringt kann später vom Landgericht auf Plausibilität und umfassende Berücksichtigung aller für und gegen den Durchsuchungsbeschluss sprechenden Gründe auch geprüft und gewürdigt werden. Auch bei der weiteren Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist dann die Angemessenheit im engeren Sinne zu prüfen, ob die Maßnahme also geeignet erforderlich und angemessen im engeren Sinne ist. Meistens sind Durchsuchungen geeignet, die gesuchten Unterlagen zu finden. Ob sie aber auch erforderlich sind, ist gerade im Steuerstrafrecht sehr fraglich, denn vielleicht würde der Steuerpflichtige die Unterlagen etwa auch aufgrund einer schriftlichen Anfrage zum Zwecke der Prüfung seiner Steuererklärung oder aber auch im Rahmen eine Betriebsprüfung freiwillig vorlegen. Teilweise fehlen Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit vollständig wurde sie sind eben nur kurz und standardisiert behauptet, statt wirklich geprüft. Hier ist eine häufige Fehlerquelle der Justiz, die hier einfach die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht ernst genug nimmt.

Das sind aber Fragen, die mit den Fahndern, wenn sie den Durchsuchungsbeschluss präsentieren, nicht wirklich zu erörtern sind.

Insoweit hilft es wenig, mit dem Fahndungsleiter oder selbst dann wenn ein Staatsanwalt anwesend ist, mit diesem über die möglichen Fehler des Durchsuchungsbeschlusses zu diskutieren. Erst einmal liegt der Durchsuchungsbeschluss vor und wenn er präsentiert wird, also die Durchsuchung vollzogen werden soll, ist das der Tag der Steuerfahndung. Diese wird sich niemals mit ihnen auf die Diskussion einlassen, ob der Durchsuchungsbeschluss zurecht erging oder nicht und ob sie ihn nun vollziehen wollen oder nicht. Die Steuerfahnder haben einen klaren Auftrag und den ziehen sie durch. Das ist gemäß dem Durchsuchungsbeschluss die Durchsuchung und Beschlagnahme der maßgebenden gesuchten Unterlagen. Danach steht es Ihnen unbenommen, gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde nach Paragraf 304 StPO einzulegen, weil sich natürlich mit Beendigung der Durchsuchungsmaßnahme und Abzug der Steuerfahndung aus ihrem Haus noch längst die Fahndung sich nicht vollständig erledigt hat, sondern vielmehr jetzt erst die Sichtung der Unterlagen beginnt und die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen erfolgt. Solange diese noch nicht zurückgegeben sind, dauert in diesem Sinne die Durchsuchung noch an und kann mangels prozessualer Überholung auch noch Beschwerde nach Paragraf 304 StPO gegen den Durchsuchungsbeschluss und gegen die Beschlagnahme eingelegt werden. Häufig sind in den Durchsuchungsbeschlüssen auch gleichzeitig beschlagnahmen Ordnungen mit enthalten (sogenannte Kombibeschlüsse).

Was müssen Sie also tun, wenn ihnen ein solcher Durchsuchungsbeschluss präsentiert wird? Der Verdächtige/Beschuldigte muss die Durchsuchung über sich ergehen lassen, also nichts aktiv tun, sondern nur passivdie Durchsuchung dulden.

Wichtigste Folge ist erst einmal zu den Vorwürfen zu schweigen.

Alles was sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Das schlimme daran ist, dass sie nicht im Griff haben, was andere glauben gehört zu haben und nun in Form von Aktenvermerken später anderen Stelle etwa niederlegen. Der Profi schweigt zur Sache und ruft seinen Anwalt an. Telefonverbote oder Kommunikationsverbote während der Durchsuchung sind natürlich krass rechtswidrig. Wenn Ihnen der Fahnder nicht glaubt, dass sie ihren Anwalt anrufen wollen, lassen Sie doch einfach den Fahnder die Telefonnummer des Anwalts wählen und dann kann es sich auch überzeugen, wo er angerufen hat und meldet. Das Telefonat mit dem Anwalt dürfen sie ungestört und unbelauscht führen, sie sollten aber nichts zur Sache sagen, allenfalls können sie Teile des Durchsuchungsbeschlusses verlesen – den kennt die Steuerfahndung sowieso. Kommentierungen sollten Sie hierzu nicht abgeben. Ihr Anwalt wird schnellstmöglich zu Ihnen kommen. Ich versuche das jedenfalls, sofern das irgendwie nur möglich ist und die Terminslage dies zulässt. Die Fahndung muss allerdings nicht warten, bis ich endlich darin. Die meisten veranlassen allerdings kulant und warten schon mal 20 oder 30 Minuten, bis der Verteidiger dann da ist.

Bei einem mündlichen richterlichen Durchsuchungsbeschluss oder aber bei eine angeblichen Gefahr im Verzug gelten die gleichen Regeln für den Beschuldigten. Ob hier der mündliche Durchsuchungsbeschluss des Richters rechtswidrig ist oder ob wirklich Gefahr im Verzug vorliegt oder ob nicht doch richtigerweise ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss hätte beantragt und eingeholt werden können und müssen, sind keine Themen, die sie mit dem Fahnder oder dem Fahndungsleiter diskutieren können oder müssen. Auch hier gelten dieselben Spielregeln wie oben: das ist der Tag der Fahndung und Widerstand ist natürlich nicht angesagt. Bleiben Sie höflich und freundlich. Aktiv mitwirken müssen sie nicht. Angaben zur Sache machen Sie nicht. Angaben zu Ihrer Person, wie sie heißen, wann sie geboren sind und wo sie wohnen und welche Staatsangehörigkeit sie haben und welchen Familienstand sie haben, müssen Sie machen, andernfalls wäre dies eine Ordnungswidrigkeit. Aber wenn die Fahnder schon nicht wissen, wer sie sind, wäre das auch zutiefst überraschend.

Insoweit sind Durchsuchungsmaßnahmen häufig perfekt vorbereitet und generalstabsmäßig geplant:

  • Ihre Steuerakten sind längst beigezogen und die (auffälligen) Erklärungen in der Ermittlungsakte mit den problematischen Punkten gemarkert hat.
  • Feststellungen aller persönlichen Daten alle Beschuldigten Schritte betroffen: vollständige Name, aktuelle Anschrift, Geburtstag, Geburtsort, Familienstand, mit Familie gemeinsam leben oder gedauernd getrennt lebend
  • Präzise Namensschreibung und Rechtsform des zu durchsuchenden Unternehmens
  • Justiziar? Name und Anschrift?
  • Steuerberater? Name und Anschrift?
  • Verbundene Unternehmen im In-und Ausland?
  • Beteiligungsverhältnisse bei Gesellschaften
  • Telefonanschlüsse?
  • Betriebliche und private Kraftfahrzeuge?
  • Ihre Personalien und Wohnorte sind vorgeheftet.
  • Bundeszentralregisterauszug
  • Eventuelle einschlägige Vorstrafen: Steuerstrafverfahren, Steuer Ordnungswidrigkeiten
  • Letzte BP? Letzter BP Bericht? Lohnsteuer- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen? Kassennachschau?
  • Alle Daten zu Ihrer Firma und Firmensitz sind vorgeheftet.
  • Bankverbindung und alle gespeicherten und bekannten Konten
  • Lagepläne von den privaten Haus, möglichst Baupläne und Katasterpläne sind angefordert und liegen vor.
  • Mögliche Fluchtwege? Welche Wege müssen gesichert werden?
  • Lagepläne, Baupläne und Katasterpläne von ihren Geschäftsräumen liegen vor.
  • Mögliche Fluchtwege? Welche Wege müssen gesichert werden?
  • Möglicherweise haben Observationen stattgefunden und es gibt Protokolle, wann wo die 1. Mitarbeiter sind bzw. Wann sie aufstehen, wann wo Lichter angehen (6:15 Uhr Schlafzimmer, 6:19 Uhr Bad, 6:25 Uhr Küche, 6:33 Uhr Wohnzimmer/Essecke, 6:50 Uhr Bad, 7:12 Uhr Garage, 7:16 Uhr Garagen Rolltor fährt hoch, 7 und 19 Abfahrt mit dem Pkw (Marke, Modell, Farbe) mit dem amtlichen Kennzeichen … zum Betrieb, Ankunft im Betrieb (Kontrolltor Süd) 7:41 Uhr, Abstellen Pkw 7:46 Uhr, Betreten Eingangstür Betrieb 7:52 Uhr, Licht Chefzimmer 7:59 Uhr)
  • Tresore im Haus oder Büro? Ich
  • PKWs?
  • Ferienwohnungen?
  • Zweitwohnungen?
  • Sonstige mögliche weitere Lagerorte?
  • Hunde?
  • Waffenbesitzkarte? Waffenschein?
  • Kampfsportarten?
  • Mitgliedschaften in Vereinen?
  • Mitgliedschaften in Sportverbänden oder Sportvereinen?
  • Urlaub?

Ist nach den obigen Grundsätzen die erlassene Durchsuchungsanordnung rechtswidrig, kann dieser -fristlos- mit der Beschwerde angefochten werden- und es stellt sich die Frage, ob dies ggf. zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Die Rechtsprechung lehnt in der Regel Beweisverwertungsverbote wegen der Rechtswdrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses ab (ob dies allerdings so richtig ist, ist zweifelhaft, zu Recht a.A. z.B. Krekeler NStZ 93, 263, 265, wenn die Durchsuchungsanordnung zu unbestimmt ist). Etwas anderes gilt auch, wenn willkürlich „Gefahr im Verzug“ angenommen worden ist (vgl. OLG Stuttgart, NJW 1977, 2276). Doch wenn das Insanzgericht die Annahme einer Gefahr im Verzug zwar für rechtswirig aber nicht für willkürlich hielt, kommen wir da auch nicht zu einem Verwertungsverbot. Die Verwertungsverbote spielen in der Literatur eine weitaus größere theoretische Rolle in der Realität, in der Praxis erheblich wären. Insoweit ist die publizistische Auseinandersetzung mit möglichen Verwertungsverboten überproportional groß und bringt möglicherweise falsche Hoffnungen oder falsche Schwerpunktsetzungen für die Betroffenen mit sich.

Wenn es dann soweit ist und der Durchsuchungsbeschluss vollzogen wird, klingelt meist nur einer der Fahnder an der Haustür. Nett und höflich stellt er sich vor, zeigt seinen Dienstausweis oder seine Dienstplakette verweist auf dem Durchsuchungsbeschluss, stellt einen Fuß in die Tür und bittet höflich um Einlass und bittet sie, die Fahndungsmaßnahmen nicht zu behindern. Meist folgt dann eine Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses und der Vorschlag, sich an einen Tisch zu setzen und die Sache kurz zu besprechen. Wie Pilze aus dem Erdboden tauchen auf einmal von überall her Fahnder auf und ruckzuck stehen 10.12.2015 oder noch mehr Fahnder in der Wohnung. Die waren alle gut versteckt irgendwo postuliert sodass sie bei einem Blick aus dem Fenster oder aus dem Spion der Eingangstür dieser alle nicht erkennen konnten. Die Fahnder sind meist gut geschult, arbeiten immer in Zweierteams zusammen und sind in der Regel sehr höflich, solange sie das bekommen was sie wollen: die Unterlagen, das Schwarzbuch, die inkriminierten Aufzeichnungen, die Scheinrechnungen, die Schwarzlohnlisten, die Tresore, die Bankunterlagen, alle steuerlich relevanten Unterlagen bis hin zu PCs, Kassen, Handys, Laptops, iPads usw. Die zu beschlagnahmenden Sachen werden sodann in Kisten verpackt und abtransportiert. Auch das ist natürlich professionell vorbereitet. Je nach erwarteter Menge stehen Lieferwagen, Kleintransporter oder Umzugswagen zur Verfügung, die dann kurzfristig angefordert werden bzw. Im Vorfeld schon geordert wurden für eine bestimmte Uhrzeit.

Wenn Ärger und Handgreiflichkeiten drohen, nimmt die Steuerfahndung, die im Übrigen unbewaffnet ist, auch mal bewaffnete Polizei zu ihrem eigenen Schutz mit.

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Statusklärung: Beschuldigter oder Zeuge

Die Klärung der Frage, ob man Beschuldigter oder Zeuge ist, ist vor jeder Befragung durch Fahnder oder Polizisten wichtig, da davon die eigenen Rechte und Pflichten abhängen. Problematisch ist dies häufig in einem frühen Verfahrensstadium, in dem die Fahnder und Ermittler selbst noch nicht so richtig wissen, wäre eigentlich alles Täter ist und wer als Zeuge in Betracht kommt. Hier werden im allgemeinen Strafrecht erst einmal sogenannte Informatorische Befragungen von Ermittlern durchgeführt, um ein erstes Bild zu bekommen. Ermittlungsbeamte hören sich auch gerne erst einmal sogenannter spontan Äußerungen an, um dabei herauszuhören, wer als Beschuldigter und wer als Zeuge in Betracht kommt. Ein Verdächtiger ist eine (natürliche) Person, gegen die ein Anfangsverdacht einer Straftat besteht (§ 152 Abs. 2 StPO). Zum Beschuldigten wird der Verdächtige, wenn gegen ihn wegen des Verdachts einer Straftat mit Verfolgungswillen (sog. Inkulpationsakt der Strafverfolgungsbehörden) als Beschuldigter (sog. Verfolgung in personam) ermittelt wird. Dem Beschuldigten wird dies im Regelfall spätestens dann klar, dass er Beschuldigter ist, wenn gegen ihn formell die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben wird, er also etwa als Beschuldigter vernommen wird oder als Beschuldigter vorgeladen wird.

Im Steuerstrafrecht ist das im Regelfall etwas anders: hier ergibt sich der Anfangsverdacht aus den Erklärungen des Steuerpflichtigen (oder dessen Nichtabgabe von Steuererklärungen), wenn nach dem objektiven Steuerrecht der Sachverhalt oder die zahlen oder die Buchhaltung falsch oder unrichtig dargestellt zu sein scheint. Der Täter, gegen den sich der Anfangsverdacht richtet, steht damit im Steuerstrafrecht meist sehr schnell fest und muss nicht erst noch ermittelt werden: im Steuerstrafrecht ist normalerweise der beschuldigte der Steuerpflichtige, also der, der für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen auch verantwortlich ist. Im Steuerstrafverfahren bekommt der Beschuldigte die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen ihn als Beschuldigten dadurch mit, dass ihm dieses im Postwege per Postzustellungsurkunde bekannt gegeben wird. Teilweise ist in solchen Bekanntgabeverfügungen gleich ein Vernehmungstermin bestimmt, teilweise wird darauf hingewiesen, dass noch ermittelt wird und ihm im Laufe das Verfahrensgelegenheit gegeben wird, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Der Beschuldigten ein Steuerstrafverfahren bekommt auch mit, dass gegen ihn ermittelt wird, wenn die Steuerfahndung beim auftaucht und einen Durchsuchungsbeschluss nach Paragraf 102 StPO gegen ihn vollzieht. Daraus erkennt er dann den wesentlichen Inhalt des Vorwurfs – jedenfalls soweit er bislang für die Fahnder ermittelt ist und im Durchsuchungsbeschluss dargestellt ist. Eine weitere typische Möglichkeit, im Steuerstrafverfahren Kenntnis von den Ermittlungen gegen einen selbst zu erlangen ist, wenn etwa der Betriebsprüfer oder Lohnsteuersonderprüfung oder Umsatzsteuer Sonderprüfer oder Kassennachschauer oder ein anderer Finanzbeamter in einem Gespräch (etwa während der Prüfung, während Zwischenbesprechungen oder in der Schlussbesprechung) ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren einleitet und bekannt gibt. Manchmal haben die Prüfer schon ein solches Schreiben vorbereitet, erfragen vielleicht noch ein paar Punkte und überreichen dann das vorbereitete Schreiben und machen die Einleitung aktenkundig, Paragraf 10 BPO 2000.

Paragraf 10 BPO 2000 lautet wie folgt wörtlich:

„§ 10 BpO 2000

Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit

(1) Ergeben sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO), deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt, so ist die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten. Dies gilt auch, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss. Richtet sich der Verdacht gegen den Steuerpflichtigen, dürfen hinsichtlich des Sachverhalts, auf den sich der Verdacht bezieht, die Ermittlungen (§ 194 AO) bei ihm erst fortgesetzt werden, wenn ihm die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist. Der Steuerpflichtige ist dabei, soweit die Feststellungen auch für Zwecke des Strafverfahrens verwendet werden können, darüber zu belehren, dass seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren nicht mehr erzwungen werden kann (§ 393 Abs. 1 AO). Die Belehrung ist unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen und auf Verlangen schriftlich zu bestätigen (§ 397 Abs. 2 AO).

(2) Absatz 1 gilt beim Verdacht einer Ordnungswidrigkeit sinngemäß.“

Aber auch im Steuerrecht bzw. Steuerstrafrecht ist es sinnvoll daher zumindest im Zweifelsfall, nach dem eigenen Status zu fragen, wenn man aussagen soll und nicht Auskunftsperson oder der Steuerpflichtige selbst ist, der sowieso zu Mitwirkung und Aufklärung verpflichtet ist. Erst wenn das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet und ihm bekannt gegeben ist, kann die Mitwirkung nicht mehr erzwungen werden, Paragraf 393 I 2 AO.

§ 393 AO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 393 AO

Verhältnis des Strafverfahrens zum Besteuerungsverfahren

Die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren richten sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Im Besteuerungsverfahren sind jedoch Zwangsmittel (§ 328) gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt stets, soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet worden ist. Der Steuerpflichtige ist hierüber zu belehren, soweit dazu Anlass besteht.

Soweit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, dürfen diese Kenntnisse gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist. Dies gilt nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5) besteht.

Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, dürfen im Besteuerungsverfahren verwendet werden. Dies gilt auch für Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, soweit die Finanzbehörde diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der Strafprozessordnung Auskunft an die Finanzbehörden erteilt werden darf.“

Welches Rechtsmittel ist das Richtige gegen Durchsuchungsbeschluss, Beschlagnahmebeschluss, richterliche Anordnung usw.?

Die richtigen Rechtsmittel sind:

  1. Die Beschwerde gemäß § 304 ff. StPO ist das richtige Rechtsmittel gegen alle rechtswidrigen Beschlüsse des Richters, also gegen willkürliche, unverhältnismäßige und ungenaue Hausdurchsuchungsbefehle des Richters  sowie gegen die richterliche Bestätigung einer Beschlagnahme.
  2. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, das den Hausdurchsuchungsbefehl oder die Beschlagnahmebestätigung erlassen hat. Meist ist dies das Amtsgericht, in dessen Bezirk Sie wohnen. Eine Frist ist hier nicht einhalten. Kosten entstehen nicht.
  3. Der Antrag auf richterliche Entscheidung gemäß § 98 II StPO ist das richtige Rechtsmittel gegen rechtswidrige Beschlagnahmen, aber auch gegen Hausdurchsuchungen, die nicht vom Richter angeordnet worden sind und gegen die Art und Weise von Hausdurchsuchungen, die nicht vom Richter angeordnet wurden und die noch nicht beendet worden sind. Der Antrag ist bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Maßnahme erfolgte, einzulegen. Eine Frist ist hier nicht einzuhalten. Kosten entstehen nicht.
  4. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG ist das richtige Rechtsmittel gegen alle Rechtsverstöße, die die Art und Weise einer Hausdurchsuchung betreffen, die nicht vom Richter angeordnet worden ist und die beendet sind.
  5. Der Antrag ist innerhalb eines Monats bei dem Oberlandesgericht einzulegen, in dessen Bezirk Sie wohnen. Es muß ein Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung beauftragt werden. Privatpersonen sind nicht postulationsfähig. Es fallen Gerichtskosten an, die bis zu mehreren hundert Euro betragen können.
  6. Die Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 ff. BVerfGG ist das richtige Rechtsmittel gegen alle ablehnenden Entscheidungen und Beschlüsse der Gerichte aufgrund Ihrer Beschwerde oder Ihres Antrages auf gerichtliche Entscheidung. Die Verfassungsbeschwerde ist beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzulegen, und zwar innerhalb eines Monats nach Zustellung des ablehnenden Beschlusses. Es fallen grundsätzlich keine Gerichtskosten an – schlimmstenfalls eine Mißbrauchsgebühr bis 5.000 € in Extremfällen.
  7. Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist das richtige Mittel gegen alle Rechtsverstöße. Sie ist bei dem Vorgesetzten der Beamten einzulegen, die die Hausdurchsuchung vorgenommen haben. Eine Frist ist hier nicht einzuhalten. Hier gelten die „3 f“s: formlos, fristlos, fruchtlos. Kosten entstehen nicht. Der Amtsvorsteher wird Ihnen dann in ein paar Tagen/Wochen schreiben, dass dies sein bester Beamter ohne Fehl und Tadel ist und das gerügte Verhalten natürlich nicht zu beanstanden ist. Wer so ein Schreiben mal braucht, und das Troublemanagement des Finanzamts mal erleben möchte, der legt auch mal eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein.
  8. Strafanzeige und Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB ist das richtige Mittel bei einem Verbleiben im Haus oder auf dem Grundstück, obwohl Sie als Eigentümer oder Besitzer bzw. Als Hausrechtsinhaber die betreffende Person klar und eindeutig gebeten haben zu gehen. Sie ist bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht einzulegen. in dessen Bezirk der Verstoß erfolgte. Es ist ein Antragsdelikt. Der Antrag ist binnen 3-Monaten zu stellen. Nehmen etwa Personen an der Durchsuchung teil, die nicht Steuerfahnder sind oder keinen Ausweis dabei haben und die Sie klar und eindeutig (unter Zeugen) gebeten haben, das Grundstück zu verlassen (Gemeindebeamte als Zeugen, wenn Sie auf deren Anwesenheit (schriftlich) verzichtet haben, Auszubildende, Vollziehungsbeamte, Assessoren zur Ausbildung, Betriebsprüfer usw.), dann können gegen diese Personen (vorher Name erfassen) Strafanzeigen und Strafanträge gestellt werden. Die Steuerfahnder sind aufgrund des Beschlusses mit dem Vollzug beauftrag, wenn dies in dem Beschluss so angeordnet ist: diese können dann nicht rausgeworfen werden, da ihnen der Richter mit dem Durchsuchungsbeschluss die Erlaubnis gerade eingeräumt hat. Namentlich werden die Fahnder aber nicht erwähnt. Im Beschluss steht nur, dass etwa „die Steuerfahndung des Finanzamtes Darmstadt mit dem Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses beauftragt“ oder hierzu „ermächtigt wird“.
  9. Das Erstatten einer Strafanzeige sollte aber sorgfältig überlegt werden, weil das wahrheitswidrige Erstatten einer Strafanzeige eine strafbare Verdächtigung gemäß § 164 StGB darstellen kann. Und wenn Sie alles so auf die Goldwaage legen, könnte auch die andere Seite alles auf die Goldwaage legen …. Und sei es nur um Sie zur Rücknahme einer unschönen Anzeige zu bewegen, wenn man die juristisch nicht abbügeln kann. Da kann schon mal z.B. ein herausgerutschtes „Du“ in einer Stresssituation gegenüber einem Beamten unter einer Beleidigung geprüft werden …
  10. Im Ergebnis ist der sachliche Streit der sinnvollere und die Dienstaufsichtsbeschwerde oder das Erstatten von Strafanzeigen der nicht zielführende Weg, der zu emotional und zu persönlich ist. Auch wenn es schwerfällt: ruhig bleiben, Erdgeschoß drücken, runterkühlen, sachliche Argumente suchen, den Streit sachlich führen. Damit scheiden die Punkte 7-9 eigentlich regelmäßig aus. Skurrile Extremsituationen mal hier außen vor gelassen.

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsmittel war die Rechtsprechung im übrigen bis zum Jahre 1997 sehr streng und verneinte überwiegend das Rechtsschutzbedürfnis eines Rechtsmittels gegen beendete Hausdurchsuchungen wegen der sogenannten “prozessualen Überholung”.

Da die Steuerfahndung meist nach 4-5 Stunden mit der Durchsuchung und der Beschlagnahme meist fertig war, war es kaum möglich, die Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses in dieser kurzen Zeit durch eine Beschwerde einer richterlichen Prüfung zuzuführen. Durch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes im Jahre 1997 wurde aber festgestellt, daß eine Hausdurchsuchung grundsätzlich einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellt, so daß auch nach der Beendigung der Hausdurchsuchung das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig ist (BVerfG, Beschluß vom 30.04.1997, Az. 2 BvR 817/90 – 728/92 – 802/95 – 1065/95, zu finden in NJW 1997, 2163 ff. und BVerfG, Beschluß vom 27.05.1997, Az. 2 BvR 1992/92, zu finden in NJW 1997, 2165 ff. = StV 1997, 394 ff. und BVerfG, Beschluß vom 19.06.1997, Az. 2 BvR 941/91, zu finden in StV 1997, 505 f.).

Rechtsmittel gegen Durchsuchungsbeschluss:

Beschwerde, § 304 StPO

Die richterliche Durchsuchungsanordnung kann im Ermittlungsverfahren mit der Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO angefochten werden. Das gilt im übrigen auch für eine Durchsuchung, die erst während einer schon laufenden Gerichtsverhandlung angeordnet wird. Der Beschuldigte muß aber, wenn er Beschwerde einlegen will, selbst unmittelbar beschwert sein. Fraglich ist demnach,   ob der Drittbetroffene, also etwa der Bankkunde durch die Anordnung der Durchsuchung bei seiner Bank betroffen ist. Das hängt wohl davon ab, seine Rechte, namentlich Eigentums-oder Besitzrechte oder Daten über die er aufgrund seines Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung verfügen kann, betroffen sind. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein DatenschutzGrundrecht, das im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschlandnicht ausdrücklich erwähnt wird. Der Vorschlag, ein Datenschutz-Grundrecht in das Grundgesetz einzufügen, fand bisher nicht die erforderliche Mehrheit. Personenbezogene Daten sind jedoch nach Datenschutz-Grundverordnung und nach Art. 8 der EU-Grundrechtecharta geschützt. Das LG Köln hat das Recht des Drittbetroffenen auf Einlegung einer Beschwerde verneint (LG Köln, Strafverteidiger 83, 275).

Aber genau genommen ist der Bankkunde oder der Kunde des Steuerberaters nicht der fremde Dritte und auch nicht Drittbetroffener oder nur mittelbar Betroffener, sondern natürlich direkt betroffen, soweit es um seine Daten und Unterlagen geht. Wenn der Steuerpflichtige seine Unterlagen zu seinem Steuerberater zwecks Verbuchung bringt und bei dem Steuerberater diese Unterlagen dann beschlagnahmt werden, ist einerseits der Steuerberater als Besitzer dieser Unterlagen betroffen, andererseits der Firmeninhaber als Eigentümer dieser Unterlagen und natürlich auch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also das grundrechtsgleiche Recht, darüber zu entscheiden, wer seine Daten sehen darf und sie verarbeiten darf und damit arbeiten darf und sie zur Kenntnis nehmen darf.  Hier können damit beide Betroffene – der Steuerberater einerseits – der Mandant andererseits Beschwerde gegen die Beschlagnahme der Unterlagen und Daten einlegen. Der Mandant ist also nicht darauf angewiesen, dass sein Steuerberater die Beschwerde einlegt und damit quasi stellvertretend auch die Rechte des Mandanten indirekt mit wahrnimmt.

Findet die Durchsuchung – wegen Gefahr im Verzug – ohne richterliche Anordnung (nur) aufgrund einer Durchsuchungsanordnung der StA und/oder ihrer Hilfsbeamten statt, kann gegen diese Durchsuchung ohen richterlichen Beschluss nicht mit der Beschwerde nach § 304 StPO vorgegangen werden. Rechtsschutz ist aber auch hier gegeben. Dass es einen Rechtsschutz gebenb muss, ergibt sich schon aus Art 19 IV GG: gegen alle Maßnahmen der Justiz und der Verwaltung muss es irgendein Abwehrmittel geben. Es muß dann entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Der § 98 Abs. 2 S. 2 StPO ist hier entsprechend anwendbar, da es gegen die nicht richterliche Durchsuchungsanordnung ansonsten kein Rechtsmittel gäbe. Der Art. 19 VI GG schreibt aber vor, dass es gegen jede staatliche Maßnahme ein Rechtsmittel geben muß.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann grundsätzlich auch noch nach Abschluss der Durchsuchung gestellt werden, wenn ein Bedürfnis zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme besteht. Insoweit gelten die unter III. folgenden Ausführungen zu den zeitlichen Grenzen entsprechend. Der Betroffene kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung im übrigen auch noch stellen, wenn er Beweismittel zunächst freiwillig herausgegeben hat, seine Zustimmung aber später widerrufen hat oder widerrufen will (vgl. z.B. BVerfG, wistra 97, 219 f.)

Eine Gefahr im Verzug gibt es eigentlich in Steuerstrafsachen nicht.

Das sind meist viele Jahre dauernde Verfahren und auch die Vorermittlungen dauern meist schon ein halbes jahr oder teilweise auch mehrere Jahre. Da ist immer zeit einen Ermittlungsrichter anzurufen und ihn um eine Entscheidung bzw, den Erlss eines Durchsuchungsbeschlusses zu bitten. Aufgrund der richterlichen Notdienste, ist auch ein Richter selbst an Heiligabend, Silvester oder anderen Feiertagen oder zur Urlaubszeit stets erreichbar. Weil aber der Grundrechtseingriff in die Unberöetzlichkeitz der Wohnung durch vorschnelle Annahmen von Gefahr im Verzug unter Umgehung der richterlichen Zuständigkeit ausgehebelt und falsche voreilige Entscheidungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können, muss der Begriff „Gefahr im Verzug“ besonders eng ausgelegt werden, so die Richter des BVerfG. Eine Durchsuchungsanordnung durch die Ermittlungsbehörden darf daher nur ergehen, wenn die richterliche Anordnung objektiv nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Durchsuchung – in den meisten Fällen die Sicherstellung von Beweismitteln –  gefährdet werde (BVerfG, Beschüsse v. 16.06.2015, Az. 2 BvR 2718/10, 1849/11, 2808/11).

Ist der Richter nicht erreichbar

Ist der Richter nicht erreichbar, kann die Staatsanwaltschaft die Maßnahme anordnen (Müller/Trurnit, Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft und des Polizeivollzugsdienstes in der StPO. StraFo 2008, 147). Wenn die Staatsanwaltschaft nicht erreichbar ist, muss die Polizei grundsätzlich versuchen, die richterliche Anordnung selbst einzuholen. Bei einer völlig überraschenden Verfahrenssituation oder drohendem Beweismittel-verlust besteht eine polizeiliche Eilzuständigkeit (Müller/Trurnit. Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft und des Polizeivollzugsdienstes in der StPO, StraFo 2008, 147).

Das BVerfG (BVerfG NJW 2001, 1121) hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2001 zur Wohnungsdurchsuchung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Gefahr im Verzug im Einzelfall mit Tatsachen begründet werden müsse. Die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlustes genüge dagegen nicht. Weiterhin müssen die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig versuchen, eine Anordnung des Richters zu erlangen. Der Richter hat die Anordnungszuständigkeit nach § 105 StPO für den Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse.
. … Da zudem aber im Steuerstrafrecht meist mehrere Stunden, Tage, Wochen problemlos Zeit sind, den Durchsuchungsbeschluss zu beantragen, ist die Gefahr im Verzug in Steuerstrafsachen faktisch tot.

Diese Eilkompetenz der Annahme der Gefahr im Verzug entfalle zudem immer dann, wenn der Richter mit der Sache befasst werden und hierüber entscheiden kann, so das BVerfG.  Dies sei der Fall, wenn der Richter in die erste Sachprüfung eintreten könne.  Nicht maßgeblich sei der tatsächliche Beginn dieser Prüfung oder gar die endgültige Entscheidung (BVerfG, Beschüsse v. 16.06.2015, Az. 2 BvR 2718/10, 1849/11, 2808/11).

Ebenso bestehe bei einer unzutreffenden Bejahung von Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft oder einer ihrer Hilfsbeamten kein Beweisverwertungsverbot (Grünwald. JZ 1966, 489, 496; Rudolphi, MDR 1970, 97).

Die Rspr. hat bisher nur in Sonderfällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die auf grober Verkennung der Rechtslage beruhten, ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Sie hat dabei auf die Schwere des Eingriffs in Rechte des Betroffenen einerseits sowie auf das staatliche Ahndungsinteresse andererseits abgestellt, die gegeneinander abzuwägen seien (BGH NJW 2007, 2269; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.11.2007 – 1 Ss 532/07, BA 45/2008 S. 76; Meyer-Goßner. StPO, 50. Aufl., § 81a, Rdn. 32). Ein Beweisverwertungsverbot wäre dann anzunehmen, wenn die Durchführung der Maßnahme bewusst fehlerhaft oder auf willkürlicher Annahme der Eingriffsbefugnis durch den Polizeibeamten bzw. Finanzbeamten beruht hätte (BVerfG NJW 2007, 1425; NJW 2006, 2684; BGH NStZ-RR 2007, 242; NJW 2007, 2269. OLG Stuttgart, BA 2008, 77= NStZ 2008, 238).

Da die Durchsuchungsbeschluss im Regelfall sowieso problemlos durchlaufen und nicht zurückgewiesen werden, ist also der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, dass grundsätzlich ein Durchsuchungsbeschluss zu beantragen ist und nicht einfach aus Bequemlichkeit oder etwa provozierter Zeitknappheit die Gefahr im Verzug selbst heraufbeschworen werden kann, ein eher theoretisches Problem. Macht man sich deutlich, dass man vom Prinzip einen Verdachtsprüfungsvermerk aus der Akte als Durchsuchungsbeschluss Antrag schnell im PC zusammenstellen kann, dürfte es weniger als eine halbe Stunde dauern, einen Durchsuchungsbeschluss-Antrag zu bauen. Diesen dann noch notfalls verboten zu Gericht zu bringen und vom All zuständigen Ermittlungsrichter unterschreiben zu lassen, dürfte dann allerhöchstens eine weitere Stunde dauern. Damit müsste man binnen 1,5 Stunden einen Durchsuchungsbeschluss entworfen und unterschrieben bekommen haben. Eine ernsthafte Verzögerung in den gerade sehr lange dauernden steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist dies wohl sicherlich nicht.

Eine Anordnungszuständigkeit für die Staatsanwaltschaft ist selbst in den Fällen, in denen unvorhergesehen während einer Durchsuchung weitere Täter in den Fokus kommen kaum gegeben.

Denn auch hier könnte man einen Kollegen im Amt den Sachverhalt schildern, der den Durchsuchungsbeschluss schreibt, dem Amtsrichter vorliegt und in dann gleich abholt und mit dem nächsten Verhandlungsteam zu dem neuen Einsatzort fährt. Die Annahme von Gefahr im Verzug dürfte da kaum schneller gehen, sodass durch den Umweg über das Gericht und den schriftlichen Durchsuchungsbeschluss kaum zu besorgen ist, dass die zu suchenden Unterlagen untergehen könnten. Und wenn man dann noch überlegt, dass auch ein Amtsrichter angeblich mündlich den Durchsuchungsbeschluss erlassen kann, bleibt sowieso kein Raum mehr für die Annahme einer Anordnungskompetenz hinsichtlich der Annahme von Gefahr im Verzug. Denn im Handyzeitalter kann der Fahndungsleiter natürlich schon während der Fahrt zum nächsten Durchsuchungsbeschluss den Richter um richterliche Anordnung bitten.

Dass hier die Anordnung vom Richter mündlich nicht zu erlangen war, ließ sich wohl kaum erklären. Denn selbst wenn diese in einer mündlichen Verhandlung wäre, könnte diese unterbrochen werden und über die Geschäftsstelle die Eilbedürftigkeit den Richter vermittelt werden, sodass dieser dann mündlich den Durchsuchungsbeschluss erlassen könnte. Es bleibt also dabei: die Gefahr im Verzug ist jedenfalls im Steuerstrafrecht kaum vorstellbar. Der Wermutstropfen: wird sie zu Unrecht aber angenommen und ist dies nicht willkürlich oder bewusst fehlerhaft, folgt daraus kein Verwertungsverbot, sondern allenfalls eine sanktionslose Rechtswidrigkeit. Kann das denn befriedigend sein? Es mutet merkwürdig an: die Grundlage für die Durchsuchung war recht habe die beschlagnahmten Unterlagen bleiben beschlagnahmt und die PCs bleiben beschlagnahmt und die Unterlagen, Sachen, Daten werden trotzdem analysiert und ausgewertet….

Rechtsmittel gegen die Art und Weise der Durchsuchung

Dauert die Durchsuchung noch an, d. h. Die Durchsicht der Papiere und Dateien und elektronischen Anlagen im Sinn von Paragraf 110 StPO ist noch nicht abgeschlossen und Wille Beschwerdeführer sich gegen die Art und Weise der Durchsuchungen wenden, kann er zum Beispiel folgende Punkte rügen:

  1. Die unterlassene Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen,
  2. den Zeitpunkt der Durchsuchung,
  3. die Erstellung einer unzutreffenden Nachweisung (= unvollständiges oder falsches Beschlagnahmeverzeichnis),

so kann der Betroffene steuerpflichtige einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß Paragraf 98 Abs. 2 Satz 2 StPO beim zuständigen Amtsgericht stellen.

Ist die Durchsuchung aber bereits abgeschlossen und sollte noch die Art und Weise der – erfolgten und schon erledigten-Durchsuchung gerügt werden, so muss der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG beschritten werden (BGH, Entscheidung vom 21.11.1978, BGHSt 28, 206). Erforderlich ist hierfür aber auch hier ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. ein Feststellungsinteresse. Dieses rechtliche Feststellungsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen und erledigten Durchsuchungsmaßnahme kann sich jedoch nur aus einer vielleicht noch fortwirkenden Beeinträchtigung durch dieser Maßnahme oder aus der Gefahr ihrer Wiederholung ergeben (BGH, Entscheidung vom 14.03.1979, BGHSt 28, 349) oder vielleicht auch aus einem Schadenersatz Interesse dergestalt, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit vorgreiflich für einen anschließenden Schadensersatzprozess wäre.