Die vorsätzliche Steuerhinterziehung ist in § 370 AO geregelt. Wer aber nun glaubt, dass in § 370 AO alle Einzelfälle einer Steuerhinterziehung zu finden sein, der wird enttäuscht sein. § 370 AO ist eine sogenannte Blankettnorm. Dies bedeutet, dass die Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung sich aus dem vorsätzlichen Verstoß gegen den Inhalt der Einzelsteuergesetze ergeben – anders formuliert: werden die Steuererklärungen und die steuerlich erheblichen Tatsachen vorsätzlich nicht entsprechend den einzelnen Vorschriften der Einzelsteuergesetze erklärt oder angemeldet, liegt darin der vorsätzliche Verstoß gegen die geltenden Steuerrechtsnormen. Das ist also die Steuerhinterziehung. Daher ist § 370 AO immer in Kombination mit dem entsprechenden Einzelsteuergesetz zu sehen das dann die eigentlich fast leere Blankettnorm des § 370 AO erst ausfüllt und ihm die einzelnen Tatbestandsmerkmale verleiht. Anders formuliert: In § 370 AO steht nur das aktive Tun oder das Unterlassen als objektive Tatbestandsmerkmale und in subjektiver Hinsicht der Vorsatz … die Details der Tathandlungen ergeben sich dann aber aus den einzelnen Steuergesetzen.
Deswegen wird in Strafbefehlen und Strafurteilen zu steuerstrafrechtlichen Sachverhalten stets § 370 AO in Verbindung mit dem betreffenden Einzelsteuergesetz, gegen das verstoßen ist (sein soll), als maßgebende Strafnorm genannt. Dieses Blankettstrafgesetz entspricht den Anforderungen des Grundgesetzes an eine gesetzliche (Mindest-) Bestimmtheit (BVerfG NStZ 1991, 88; BVerfG NJW 1995, 1883). Denn das Blankettstrafgesetz ist eigentlich inhaltsleer und völlig unbestimmt, wird aber ausgefüllt durch die Verbindung mit den jeweiligen Einzelsteuergesetzen, sodass in dem Zusammenlesen der einzelnen steuerlichen Normen in Verbindung mit diesem Blankettstrafgesetz dann die Strafnorm entsteht.
Sinngemäß sagt also § 370 AO, dass derjenige bestraft wird, der gegen die Erklärungspflichten oder steuerlichen Behandlungspflichten eines Sachverhaltes vorsätzlich verstößt. Damit ist die Strafnorm quasi vor die Klammer gezogen und in der Klammer stehen alle einzelnen steuerlichen Gesetze, sodass jedes einzelne steuerliche Gesetz eben mit dem vor die Klammer gezogen multipliziert werden muss, also zusammen gelesen werden muss. Dies entspricht dann dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) (BVerfGE 57, 250).