Gerichtliches Verfahren

Nach Paragraf 33 FGO ist für alle Steuerrechtsstreitigkeiten der Finanzrechtsweg gegeben. Der Senat entscheidet mit 3 Berufsrichtern und 2 ehrenamtlichen Richtern, Paragraf 16 FGO. Die ehrenamtlichen Richter haben dasselbe Stimmrecht wie die Berufsrichter. Wer für oder gegen die Klage stimmt, gehört zum Beratungsgeheimnis. Die knapp besten Entscheidungen ergehen mit 3 zu 2, wobei nicht offengelegt wird, wer sich wie entschieden hat. Der Berichterstatter muss dann schließlich das Urteil schreiben. Er bereitet das gesamte Verfahren auch vor und unterbreitet einen Entscheidungsvorschlag.

Häufig wird bei sachlich oder rechtlich einfachen Sachen die Sache auf den Einzelrichter durch Beschluss übertragen, § 6 FGO.

§ 6 FGO lautet wie folgt wörtlich:

„§ 6 FGO

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

  1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
  2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden. Diesen Beschluss fassen die 3 Berufsrichter außerhalb einer mündlichen Verhandlung ohne die Schöffen. Die Einzelrichtersitzungen sind dann ebenfalls ohne Schöffen.“

Die richterliche Tätigkeit erfordert Objektivität und Unbefangenheit. Um dies zu gewährleisten regelt Paragraf 51 FGO die Ausschließung und die Ablehnungsgründe von Gerichtspersonen.

Nachdem die Sache ausgeschrieben ist, bestimmt der Einzelrichter oder der Senatsvorsitzende wann die Sache verhandelt werden soll. Meist findet keine Abstimmung mit dem Klägervertreter statt, sodass einfach dann der Termin durch den Vorsitzenden oder den Einzelrichter bestimmt wird und die Ladung versandt wird. Möglicherweise kommt es dann zu Terminsverlegungsanträgen, wenn der Klägervertreter anderweitige Gerichtstermine bereits hat. Hier gilt das Prinzip: „wer zuerst kommt, malt zuerst.“ Es gibt aber auch Finanzrichter, denen es schwer fällt zu akzeptieren, dass hier bereits ein anderweitiger Termin besteht, sodass diese Nachweise haben möchten, etwa frühere Ladungen. Das ist dann, wenn vielleicht in einer Steuerstrafsache ein Amts oder Landgericht schon lange terminiert hat kein Problem einen solchen Ladungsspiegel zu übersenden. Zur Schwierigkeiten kann das dann führen, wenn Termine mit einem anderen Gericht nur telefonisch abgesprochen sind und blockiert sind, dann aber das Finanzgericht mit einem unabgesprochenen Termin gerade auf einen solchen bereits blockierten Termin terminiert. Meistens sind aber die Richter verständig und verstehen die Terminsnöte und vereinbaren dann vernünftig Ausweichtermine.

Passt dann der Termin, werden die anderen Beteiligten, also das Finanzamt und eventuelle Zeugen entsprechend umgeladen. Denn die aus der 1. Ladung geladenen Beteiligten und Zeugen müssen dann natürlich nach entsprechender Verlegung auf den neuen Termin erneut geladen werden unter Aufhebung das alten 1. Termins.

Die mündliche Verhandlung beginnt dann in dem schon in der Ladung bestimmten Sitzungssaal des örtlich zuständigen Finanzgerichts. Manchmal werden auch Sitzungssäle bei dem betreffenden Finanzamt als Sitzungssaal bestimmt. Zu der in der Ladung benannten Uhrzeit wird dann die Sache aufgerufen und die Beteiligten und Zeugen treten in den Gerichtssaal, soweit diese nicht vorher schon geöffnet ist und sich die Beteiligten dort getroffen haben. Selbstverständlich stehen alle auf, wenn das Gericht betritt. Das ist eine althergebrachte Ehrenüberzeugung und Respektsbezeugung. Manche Vorsitzenden feiern dies und genießen dies. Andere sind eher relaxt und bitten doch gleich wieder Platz zu nehmen – manchen sind solchen Ehrenbezeugungen fast unangenehm, so scheint es jedenfalls.

Für alle, die noch nie eine solche Gerichtssitzung erlebt haben, kann man nur empfehlen, in Anbetracht einer möglicherweise alsbaldigen eigenen Verhandlung so etwas sich mal im Vorfeld anzuschauen. Das ist super spannend und interessant.

Nachdem also alle sitzen und festgestellt ist, wer erschienen ist, verliest der Berichterstatter (oder der Einzelrichter, der dann natürlich selbst Vorsitzender und Berichterstatter in einer Person ist) den Tatbestand, der an dieser Stelle noch Sachbericht heißt. Ein eventuell oder wahrscheinlich schon geschriebenes Urteil verliest er natürlich noch nicht sondern wartet, was in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen ist. Meistens sind die Sachen jedoch schon so gut vorbereitet, dass der Tatbestand und die Urteilsgründe schon geschrieben sind. Da das finanzgerichtliche Verfahren ein sehr schriftliches Verfahren ist und alles dort schriftlich vorgetragen wird, gibt es im Regelfall kaum Überraschungen dergestalt, dass neues oder ergänzendes dann in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wird. Anders ist das vielleicht, wenn erst noch Zeugen in der mündlichen Verhandlung gehört werden sollen. Da können sich natürlich immer neue Aspekte ergeben, da Zeugen nicht immer das sagen, was in ihr Wissen gestellt ist, manches vielleicht vergessen haben oder manches verdrehen oder manches aus ihrer Erinnerung einfach anders war.

Die mündliche Verhandlung kann in vielen unterschiedlichen Formen stattfinden: Mancher Richter trägt den Sachverhalt nur mündlich vor, liest eventuell ein paar wenige Stichpunkte ab und gibt dann das Wort der Klägerseite um es danach dann der Beklagtenseite zu geben. Manche Richter verlesen auch den mehrseitigen Tatbestand. Manche Richter sind knapp und fragen ob es noch etwas ergänzendes vorzutragen gäbe, andere eröffnen eine Diskussion und lieben die sachliche steuerrechtliche Diskussion der einzelnen Fragestellungen. Man kann wie ein Fährtenleser bei den Sioux durchaus Meinungen des Gerichts dabei erkennen: Die Seite, die hinterfragende, bohrende oder kritische Fragen allein oder überwiegend gestellt bekommt, muss sich dabei überlegen, warum das Gericht so intensiv nachfragt. Das ist meist kein Grund zu überschießenden Jubel sondern das Gericht will die Position dieses Beteiligten verstehen und hinterfragt mit allen gedanklichen Ansätzen diese Position und folgt dieser offensichtlich nicht, will aber sichergehen, den Beteiligten richtig verstanden zu haben. Teilweise werden dann auch BFH Entscheidungen vorgestellt, die einen ähnlichen Fall schon mal entschieden haben oder jedenfalls diese Rechtsfrage schon mal angesprochen andeutungsweise oder tatsächlich entschieden haben. Es rentiert sich hier sehr aufmerksam dem Vorsitzenden bzw. Berichterstatter zuzuhören und unterdessen Argumentation aufzunehmen, da dies dann später in den Urteilsgründen vermutlich sich wiederfindet. Meist dauern solche Verhandlungen zwischen einer halben Stunde und 1 Stunde, können aber auch durchaus mehrere Stunden betragen, gerade dann, wenn Zeugen vernommen werden müssen.

Wichtig ist es natürlich sachlich, höflich und bestimmt auf alle Argumente einzugehen, die in dieser Beweisaufnahme diskutiert werden. Extrem wichtig ist es, die Ansätze des Gerichts aufmerksam zu verfolgen und hierauf zu antworten. Das ist natürlich schön, wenn das Gericht schon im Vorfeld vielleicht einen schriftlichen Hinweis erteilt hat. Das ist aber nicht allzu häufig. Manchmal ist es auch so, dass aus dem Urteil ganz andere Gründe auftauchen als die, die im Gericht diskutiert worden. Das sind dann rechtswidrige Überraschungsentscheidungen, wenn diese Gründe nicht vorher in den Schriftsätzen auftauchten und insbesondere dann, wenn man sich darüber ärgert, dass man gerne dazu vorgetragen hätte, wenn man diese Argumente vom Gericht oder beklagten Finanzamt nur rechtzeitig gehört hätte. Das ist dann natürlich keine faire Verfahrensführung und natürlich ein Revisionsgrund.

Beweisanträge kann und muss man hier natürlich auch in den Schriftsätzen stellen, aber diese im Gerichtssaal wiederholen und darauf bestehen, dass dies protokolliert wird und man auf die Erhebung dieser Beweisanträge nicht verzichtet. Der BFH zweifelt sonst daran, ob man an diesen früher einmal schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen dennoch festgehalten hat, wenn man dies nicht ausdrücklich im Gerichtssaal gesagt hat. Denn, so der Gedanke des BFH, dieser Beweisantrag könnte sich überlebt haben und der Kläger bzw. Klägervertreter stillschweigend nicht mehr auf dessen Erhebung bestanden haben, weil einfach die Erörterung ihn zu einer besseren Erkenntnis führte und er daher seinen ursprünglich einmal gestellten Beweisantrag nicht mehr aufrecht erhielt. Ob solche Gedankengänge wirklich überzeugen können, will ich hier gar nicht diskutieren. Wichtig ist nur der Hinweis, dass man auf die Beweisanträge konkret verweist, die man noch erhoben haben möchte, falls das Gericht nicht sowieso der Klage stattgibt und man die Beweisanträge mit Schriftsatz Datum und Seite und genauer Fundstelle wiederholt und auf deren Erhebung besteht und darauf achtet, dass genau dies ins Protokoll kommt.

banner-steuerstreit drburkhard

Der Vorsitzende bzw. Berichterstatter schließt dann irgendwann die mündliche Verhandlung alles wesentliche andiskutiert ist.

Es werden dann die Wechsel weisen Anträge gestellt, wobei der Vorsitzende auf die richtige Formulierung eines sachgerechten Antrages hinweisen muss. Bevor Sie sich also selbst einen abbrechen und nicht wissen, wie Sie dies sinnvoll formulieren sollen, bitten Sie einfach den Vorsitzenden bzw. Einzelrichter um eine Formulierungshilfe. Dies wird er gerne tun. Er muss dies auch von Gesetzes wegen. Beklagte wird im Regelfall Klageabweisung beantragen.

Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie das Gericht die mündliche Verhandlung schließt. Entweder ergeht eine Entscheidung am Ende der Sitzung. Das bedeutet, dass das Finanzgericht sich zurückzieht, möglicherweise noch andere Sachen an diesem Tag verhandelt und am Ende des Sitzungstages dann die einzelnen Entscheidungen verkündet. Im Regelfall sind das keine Beweisbeschlüsse sondern Endurteile. Sinn und Zweck einer gut vorbereiteten mündlichen Verhandlung ist es im Finanzrechtsstreit, alles in der geplanten Verhandlungszeit zu klären und an einem einzigen Sitzungstag die Sache durch zu entscheiden. Das ist also grundlegend anders als in manchem Zivilprozess oder in mehrartigen Strafverfahrenssitzungen, die manchmal 20, 30 oder mehr Sitzungstage dauern können.

Möglich ist es auch, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt wird. Dann ergeht in den nächsten Tagen eine Entscheidung, die dann auf dem Postwege den Beteiligten zugestellt wird.

Verschiedene Finanzgerichte ziehen sich auch nur kurz zu einer Beratung zurück und verkünden dann vielleicht entsprechend dem vorherigen Votum (Urteil) den Tenor der Entscheidung und begründen diese kurz. Maßgebend ist aber nicht die mündliche Begründung, sondern die schriftlich abgesetzte. Anders als im Steuerstrafrecht ist also nicht der Tag der Urteilsverkündung für die Revisionseinlegung maßgebend, sondern der Zugang das finanzgerichtlichen Urteils.

Soweit das Finanzgericht nicht am selben Tag eine mündliche Entscheidung verkündet hat und begründet hat, kann jeder Beteiligte natürlich noch weiter vortragen. Möglicherweise muss das Finanzgericht, wenn ein neuer Vortrag kommen sollte, in die mündliche Verhandlung wieder eintreten und einen neuen Termin von Amts wegen verkünden, um die Beweisaufnahme wieder zu eröffnen und fortzusetzen, statt ein Urteil zu verkünden. Meist wird jedoch der Vortrag nach einer mündlichen Verhandlung diesen nur noch einmal vertiefen oder Details in Erinnerung rufen oder als besonders wichtig herausstellen. Diesen Vortrag muss das Gericht natürlich auch entscheiden, sofern es aber kein inhaltlich neuer Vortrag ist, der Beklagte also ausreichend Gelegenheit hatte, zu diesen Gedankengängen Stellung zu nehmen, kann es dann natürlich durchentscheiden. Mit der Verkündung des Urteils ist damit in der Station des Finanzgerichts die Arbeit für das Finanzgericht im Wesentlichen getan. Es folgen dann noch Streitwertbeschlüsse und Kostenentscheidungen des Rechtspflegers, wobei die Kostengrundentscheidung im Urteil steht.