Dauer eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
Der Zugriff der Steuerfahndung kommt immer überraschend und unvorbereitet – und natürlich nach Murphys Gesetz immer im falschen Moment (Anmerkung: Murphys Gesetz lautet: „Whatever can go wrong will go wrong.“ = „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“). Selbst wenn der Beschuldigte wusste oder ahnte, dass seine Steuererklärungen falsch oder unvollständig sind, selbst wenn er latent mit einer Fahndung rechnete, etwa wegen einer Anzeige der verlassenen Frau/Freundin oder vom gefeuerten Buchhalter rechnete oder dies sogar offen von diesen angekündigt wurde, selbst wenn der unzufriedene Geschäftspartner (etwa der unzufriedene ebay-Käufer) damit sogar schriftlich drohte: in dem Moment, in dem 8, 10, 12 oder 50 Fahnder (je nach Betriebsgröße auch noch mehr) bei Ihnen auf dem Hof bzw. mit dem Fuß in der Tür stehen, bleibt den meisten doch irgendwie das Herz stehen.
Und diese Unvorbereitetheit, selbst wenn man es irgendwie geahnt hat, ist es, die die Steuerfahndung viel Material finden lässt. Kistenweise beschlagnahmt sie alles, was irgendwie irgendwann vielleicht für das Verfahren bzw. zur Ermittlung des Vorwurfs relevant sein könnte. Alles was potentiell beweisgeeignet ist, wird mitgenommen. Denn es könnte später, nach der Durchsuchung nicht mehr auffindbar sein… Und es gibt zumindest zunächst kein Rechtsmittel, die Steuerfahndung einzubremsen: was sie sehen möchte, sieht sie sich an, was sie mitnehmen möchte, nimmt sie mit: PC-Anlagen, Laptops, Handys, Disketten, Ordner, lose Blätter, Karteikarten Visitenkartensammler, Verträge, Urkunden, Kontoauszüge, Depotauszüge, ggf. sogar Bargeld, kurzum alles, was für den Fall wichtig sei könnte. Die Aufzählung hier ist natürlich nicht abschließend. Und natürlich ist auch Bargeld kein Beweismittel im Steuerrecht odr Steuerstrafrecht (es sei denn, der Vorwurf wäre zugleich auch Geldfälschung im Sinn des § 146 StGB und es würden Blüten und Druckplatten etc. beschlagnahmt). Aber was zu beschlagnahmen ist und was nicht, ist nicht mit der Steuerfahndung und erst recht nicht im Moment des Fahndungszugriffs zu klären. In dieser Stresssituation ist eine streitige Diskussion über die Beschlagnahmefähigkeit einzelner Sachen (Tagebuch, verschlossene Post, Post für die nicht betroffene Frau, Unterlagen der Mutter/Tochter/Sohn oder Mandantenunterlagen) oder das Beschlagnahmeprivileg des Verteidigers nach § 97 StPO oder die Beschlagnahmefreiheit der Unterlagen beim Steuerberater, Anwalt, Wirtschaftsprüfer wenig zielführend. Da kann man vielleicht mal höflich an die Beschlagnahmefreiheit oder dass es Unterlagen nicht beschuldigter Dritter sind erinnern – aber letztlich bringt ein Streit hier mit dem Fahnder nichts: da ist der Wiederspruch und die Bitte zur Versiegelung und der Weg in die Beschwerde zum Amtsgericht bzw. ggf. zum Landgericht und danach bei Nichtabhilfe dann ggf. nach erfolgter Anhörungsrüge/Gegenvorstellung die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht der richtige Weg.
Zu diesem Zeitpunkt ahnt der Beschuldigte noch nicht, dass er hier ein Verfahren mit der Finanzverwaltung hat, das sich über 2, 5, 10 oder noch mehr Jahre hinziehen kann und meist auch wird. Verfahren mit einer Dauer unter einem Jahr gibt es zwar, aber sehr selten. Steuerstrafverfahren laufen in der Regel parallel mit den entsprechenden Steuerverfahren. Es wäre auch überraschend, wenn steuerlich alles unstreitig und rechtskräftig wäre, während steuerstrafrechtlich über dieselben Themen gestritten wird. Nur wenn hier versehentlich Fristen im Steuerrecht verabsäumt wurden, macht es verständlich, dass das Besteuerungsverfahren bestandskräftig ist, während im Steuerstrafverfahren alles dem Grunde und der Höhe nach bestritten ist.
Das kürzeste Steuerstrafverfahren dauerte bei mir 2 Wochen, das längste Steuerstrafverfahren inklusive Steuerverfahren (mit Haftungsbescheiden, Vollstreckungsverfahren, Zwangssicherungshypotheken usw.) über 16 Jahre. Mit einem Mittelwert von 3 bis 5 Jahren dürfte man wohl für den Normalfall ganz gut liegen. Als Beschuldigter sollte man sich jedenfalls zunächst einmal auf ein mehrjähriges Verfahren einstellen, das steuerlich, vollstreckungsrechtlich und steuerstrafrechtlich -auch mit wechselnden Schwerpunkten- seine Fragestellungen und Problempunkte bereiten kann. Es liegt am Finanzamt bzw. Fahnder, ob er glaubt steuerlich oder steuerstrafrechtlich besser, schneller, effizienter voranzukommen. Einen Anspruch, dass zuerst das eine oder andere Verfahren durchgeführt wird, hat der Beschuldigte nicht. Meist werden erst einmal die Besteuerungsgrundlagen, d.h. also die Hinterziehungsbeträge ermittelt. Stehen diese fest, so ist das der Einstieg in die Bestrafung, wobei fast wie aus einer Tabelle die Tagessätze für die hinterzogenen Steuerbeträge abgelesen werden können und Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe dann zur Feinjustierung der angemessenen Strafe führen.
Es ist ein langer, schwerer Weg mit dem Fahnder, dem Betriebsprüfer, dem Vollziehungsbeamten, über ggf. Staatsanwalt, Strafrichter und Finanzrichter, für alle die, die nicht aufgeben und um ihr Recht kämpfen. Die daraus resultierenden finanziellen, psychischen und rechtlichen Probleme sind am Anfang kaum überschaubar … und dem Beschuldigten, der erstmals mit solch einem Verfahren konfrontiert wird, natürlich auch nicht bewusst. Klar ist nur eins: der Beschuldigte ist mental aber vor allem rechtlich der Situation nicht gewachsen – psychisch meist auch kaum. Daher ist der einzig richtige Weg, erst einmal zu den Beschuldigungen zu schweigen und einen Spezialisten wie mich einzuschalten …
In den meisten Steuerstrafverfahren (wie auch den Wirtschaftsstrafverfahren) schweigt der Beschuldigte nicht bis zum Schluss. Irgendwann, ggf. schon bald nach der Akteneinsicht, werden Verteidigungsschriftsätze vom Verteidiger eingereicht. Doch niemals vor der Akteneinsicht und niemals durch den Beschuldigten selbst.
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