Antons Zahlungsstockung und die Bebußung des Finanzamts wegen vorsätzlicher Nichtzahlung der Umsatzsteuer nach § 26 b UStG
Anton ist freiberuflicher Architekt. Er kämpft in diesen Monat mit einem Liquiditätsengpass. Er kann die fällige Umsatzsteuer aus dem letzten Monat über 31.000 € nicht zahlen. Diese müsste er am 10. des Folgemonats zahlen. Er ruft daher bei seinem Finanzamt an und fragt, ob er ausnahmsweise die Umsatzsteuer später zahlen darf. Dort wird ihm gesagt, dass er eine schriftliche Stundung beantragen möge. Dies macht er dann sogleich. Einige Tage später erhält er eine Eingangsbestätigung vom Finanzamt mit der Zusage, über den Stundungsantrag kurzfristig zu entscheiden. In der Aufregung und Hektik der Ereignisse missversteht Anton das Schreiben und hält das für eine Zusage der Stundung, wie beantragt. Er zahlt daraufhin am Fälligkeitstag nicht die Umsatzsteuer. Aufgrund einer Mahnung und der parallelen Ablehnung des Stundungsantrages zwei Wochen später fällt Anton auf, dass er zu Unrecht die Umsatzsteuer nicht zahlte. Bis dahin wähnte er sich im Recht aufgrund der vermeintlichen Stundung. Er hat zwischenzeitlich einige Zahlungen erhalten und bekommt von einem Geschäftspartner eine Akontozahlung. Dann zahlt er die Umsatzsteuer. Aber eben verspätet: drei Wochen zu spät. Das Finanzamt meint, die Nichtzahlung sei eine Ordnungswidrigkeit nach § 26 b UStG. § 26 b UStG lautet wie folgt:
„§ 26 b UStG, Schädigung des Umsatzsteueraufkommens
(1) Ordnungswidrig handelt, wer die in einer Rechnung im Sinne von § 14 ausgewiesene Umsatzsteuer zu einem in § 18 Absatz 1 Satz 4 oder Abs. 4 Satz 1 oder 2 genannten Fälligkeitszeitpunkt nicht oder nicht vollständig entrichtet.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.“
§ 26 b UStG in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 26.06.2013 (BGBl. I S. 1809) m.W.v. 30.06.2013.
Das Finanzamt weist darauf hin, dass es wegen des hohen Betrages der Nichtzahlung 5.000 € Geldbuße festsetzen möchte und gewährt Anton rechtliches Gehör. Anton verweist auf das Missverständnis und meint, er habe nicht vorsätzlich nicht gezahlt, weswegen keine ahndungswürdige Ordnungswidrigkeit vorläge. Das Finanzamt erwidert, dass es festsetzen werde, weil er die Pflichtverletzung billigend in Kauf genommen habe … er hätte nachfragen können und hätte er seinen Steuerberater oder beim Finanzamt nachgefragt, hätte er erfahren, dass dies nur eine Eingangsbestätigung und kein Stundungsbescheid war.
Wer hat Recht?
§ 26 b UStG definiert nicht, ob fahrlässiges oder leichtfertiges Handeln genügt. Also definiert das Spezialgesetz nicht, was der subjektive Tatbestand erfordert, mit anderen Worten welche Vorsatzform bzw. Fahrlässigkeitsform ausreicht. Damit gelten die allgemeinen Regeln des OWiG. § 10 OWiG regelt, dass immer dann, wenn keine anderen Regelungen zum subjektiven Tatbestand im Gesetz genannt sind, dass nur vorsätzliches Handeln geahndet werden. Damit ist mangels anderer Regelung im § 26 b UStG bedingter Vorsatz (=billigendes In-Kauf-nehmen), direkter Vorsatz 1. und 2. Grades ausreichend. Nicht aber die Fahrlässigkeitsformen. § 10 OWiG lautet wie folgt wörtlich:
„§ 10 OWiG, Vorsatz und Fahrlässigkeit
Als Ordnungswidrigkeit kann nur vorsätzliches Handeln geahndet werden, außer wenn das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Geldbuße bedroht.“
Der Täter muss es folglich zumindest für möglich halten, dass ein USt-Anspruch besteht, der sich aus einer ordnungsgemäßen Ausgangsrechnung von ihm ergibt, in der die USt offen ausgewiesen hat, keine die Umsatzsteuer übersteigende Vorsteueransprüche aufgrund ordnungsgemäßer Eingangsrechnungen dem gegenüberstehen, die USt fällig ist und von ihm nicht spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt beglichen wird bzw. dem Finanzamt eine Einzugsermächtigung vorliegt und sein Konto ausreichend Deckung aufweist und auch sonst keine Steuerguthaben ihm zur Verrechnung zustehen, die also fällig sind und nur umgebucht werden müssten oder andere Gründe vorliegen, die einer Zahlungspflicht entgegenstehen. An einem solchen für-möglich-Halten fehlt es vorliegend, da er von einer Stundung ausging. Es liegt ein Irrtum bei ihm vor, da er an eine Stundung glaubte, auch wenn das Schreibens des Finanzamts bei richtigem Lesen gar keine Stundung enthielt, sondern nur eine Eingangsbestätigung seines Stundungsantrags mit der Zusage war, zeitnah zu entscheiden. Dass sein Irrtum auf einer oberflächlichen Lektüre oder fehlerhaften Interpretation des Schreibens des Finanzamts beruht, bringt ihm den Vorwurf der Fahrlässigkeit ein, vielleicht sogar den der Leichtfertigkeit. Aber es liegt gerade kein bedingter Vorsatz vor. Dann hätten ihm zumindest Zweifel über sein Verständnis seiner Interpretation des Schreibens des Finanzamts vor dem Fälligkeitstag kommen müssen und der dennoch nicht zahlen wollen, in Kauf nehmend, dass er pflichtwidrig unberechtigt nicht zahlt, obwohl er zahlen müsste. Er hätte dann nicht zahlen dürfen, denkend, „na wenn schon … na wenn es zu einer Pflichtverletzung kommt, macht nichts, ich will und kann sowieso nicht zahlen, also ist mir die Verletzung des Rechtsguts nämlich das rechtzeitige Umsatzsteueraufkommen des Staates gleichgültig.“ So war aber seine Einstellung nicht, so war sein Verständnis des Schreibens nicht.
Eine andere Frage ist es, ob das Finanzamt ihm sein Missverständnis glaubt. Es könnte auch von einer Schutzbehauptung oder einer schriftlichen Lüge ausgehen. Hat aber Anton Dritten etwa von der erfreulichen Nachricht des Finanzamts erzählt, etwa seiner Frau, seinem Steuerberater, seinem Buchhalter etc., so sind das Zeugen, die sein Missverständnis bezeugen können.
Damit aber irrt Anton über seine Zahlungspflicht. Hat der Täter von einzelnen Tatbestandsmerkmalen keine Kenntnis, so handelt er in einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum, § 11 Abs. 1 OWiG. § 11 OWiG lautet wie folgt wörtlich:
„§ 11 OWiG, Irrtum
(1) Wer bei Begehung einer Handlung einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bleibt unberührt.
(2) Fehlt dem Täter bei Begehung der Handlung die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, namentlich weil er das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt, so handelt er nicht vorwerfbar, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.“
Damit handelte Anton nicht vorsätzlich. Ihm ist zwar eine fahrlässige Nichtzahlung der Umsatzsteuer vorzuhalten, diese ist aber nicht zu sanktionieren. § 26 b UStG müsste die fahrlässige Nichtzahlung unter Strafe stellen, was gerade nicht der Fall ist. Ebenso wäre z.B. auch ein Geschäftsführer nicht nach § 26 b UStG zu bestrafen, wenn er darauf vertraute, dass ein anderer Geschäftsführer sich bereits um die USt-Zahlung gekümmert und gezahlt hat, dieser aber nicht zahlte, weil er ggf. darauf vertraute, der andere habe gezahlt. In solchen Fällen könnte jedoch ggf. eine Ordnungswidrigkeit i.S. des § 130 OWiG vorliegen in Form eines Organisationsverschuldens vorliegen, weil klare Zuständigkeitsregelungen und Kontrollmechanismen fehlen. Hier bei Anton greift nicht einmal § 130 OWiG, da bei dem Einzelunternehmer nicht erkennbar ist, welches Organisationsverschulden gegen solche Missverständnisse eingehender Schreiben vorliegen könnte.
Damit hat das Finanzamt nicht Recht. Eine Bebußung der fahrlässigen Nichtzahlung der Umsatzsteuer ist, auch wenn es sich um einen hohen Betrag handelt, nicht möglich. Eine Bebußung nach § 130 OWiG ebenfalls nicht. Außer einem Säumniszuschlag in Höhe von 1 % pro Monat nach § 240 AO passiert Anton nichts.
Nachsatz: wie alle anderen Geschichten auf meiner Homepage ist auch diese Geschichte frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären natürlich rein zufällig.
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