ich kann Sie verstehen …
Da kommt ein Mandant zu mir in die Besprechung und ist ganz genervt vom Finanzamt. Dauernd wird hin- und hergeschrieben. In der Sache geht es nicht so wirklich voran …. Da explodiert der Mandant, als im 4. Schreiben des Finanzamts erneut nicht die erwartete und ersehnte Abhilfe steht, sondern immer neue, weitere Fragen und weitere Scheinargumente stehen … statt zu ermitteln wird einfach drum herumgeschrieben, so sieht es jedenfalls der Mandant, einfach immer neue angebliche Probleme und Bedenken vorgeschoben, die Sache dreht sich irgendwie im Kreis, der Mandant hat nur den Eindruck, der Sachbearbeiter wolle einfach nur nicht …wenn ich so auf meinen Baustellen arbeiten würde, wäre ich längst davongejagt und pleite, sagt er erzürnt und verzweifelt zugleich zu mir als seinem Anwalt. Keine weiteren Schreiben ans Finanzamt – ich will sofort klagen … die ganzen Schreiben bringen doch nichts. Das ist wie einem Ochs ins Horn gepetzt … Das kostet nur Geld und Zeit und der andere wird es nie einsehen wollen der können. Vielleicht steht auch sein Chef hintendran und zieht die Fäden. Ich lasse mich doch nicht auf den Arm nehmen. Klagen Sie endlich …
Losgelöst davon, dass es grundsätzlich einer Einspruchsentscheidung des Finanzamtes bedarf oder zumindest einer Zustimmung des Finanzamtes zu einer Sprungklage oder eines erheblichen Zeitablaufes (min. 6 Monate) bedarf um über die Untätigkeitsklage nach Untätigkeitseinspruchs einzulegen um zulässiger weise vor Gericht ziehen zu können, es also formale Prozessvoraussetzungen zu beachten gilt, gibt es da noch ein paar andere Sachen die der Mandant wissen muss. Also beruhige ich ihn erst mal, setze meine Brille ab und erkläre ihm, dass ich als Anwalt ihn auch aufklären muss und vor unsinnigen Kosten und einer falschen Verfahrensführung schützen muss. Und da er Bauunternehmer ist, zeichne ich ihm folgendes Bild:
… vor Gericht wird es nicht unbedingt besser. Auch wenn das Hin- und Herschreiben mühsam ist, man muss versuchen, auf der Etage, in der man ist, zu überzeugen und eine Lösung zu finden. Immerhin ist es wie beim Argumentieren: es werden Argumente gewechselt, wenn auch in schriftlicher Form. Aber es ist immerhin eine Diskussion. Aber der andere hört doch gar nicht zu und geht auf die Argumente gar nicht ein, fährt mein Mandant entnervt dazwischen. Beschwichtigend und warnend hebe ich die Hand und sage: geben Sie nicht so schnell auf. Überzeugungsarbeit ist manchmal schwierig. Wenn Sie aber entnervt aufgeben und klagen, habe Sie eine Station aufgegeben – da haben Sie vielleicht eine Etage zu schnell verspielt – eine Etage und damit eine Überzeugungsstation verloren. Wenn wir immer im Vorhinein wüssten, dass die obere Etage verständiger und einsichtiger ist und es genauso sieht wie man es selbst für richtig hält, wäre es einfach, immer eins höher zu gehen, wenn der Sachbearbeiter nicht so will, wie man es selbst sieht. Aber es gibt den Spruch: vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Und da ist was dran. Natürlich entscheiden Richter ab und zu so, wie man es für richtig hält. Manchmal erlebt man aber auch böse Überraschungen …. Und dann kann man nicht mehr zurück und das Ungeschehen machen .., hätte man das nur vorher gewusst, sagt man sich manchmal …
Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Ich finde es auch etwas nervig. Aber man darf den kühlen Kopf nicht verlieren. Ich habe auch keine Angst mit Ihren Fall zum FG zu gehen … ich muss Sie aber warnen. Ich mache das jetzt über 24 Jahre … Glauben Sie mir, einfach entnervt in die nächsthöhere Ebene zu stürmen ist da nicht immer sinnvoll … da kann es noch schlimmer sein. Bleiben wir mit Ihrem Fall aus dem Baugewerbe bildlich im Baugewerbe…. Sie haben ein Hotelzimmer gebucht … und im Hotel angekommen sind Sie mit dem Bautenzustand des Hotels im EG nicht einverstanden, weil dort die Lampen nicht funktionieren und stürmen erbost in den 1. Stock. Ob es da besser ist? Vielleicht … Vielleicht ist dort alles fertig, vielleicht ist dort alles prima. Vielleicht gibts dort auch rote Teppiche und eine nette Bedienung. Aber was ist, wenn dort noch die rohen unverputzten Maurer stehen, einige Fenster und Rollladenkästen eingebaut sind, aber der Rohbau noch nicht mal fertig ist und und die Fliesenleger und Spengler streiten, wer jetzt zuerst arbeiten darf und die Verputzer in der Ecke sitzen, Skat spielen, Bier trinken und sich über die blöden Spengler und Fliesenleger kaputt lachen, weil doch die Verputzer jedenfalls vor den Fliesenlegern dran wären und aufgrund Ihrer Anfrage nach dem Hotelzimmer die Sie nur verständnislos anschauen und sagen, dass es im EG doch ganz gut war und Sie sich mal nicht so anstellen sollen und die im 1. Stock Ihnen nichts anderes anbieten können …? Und Sie stürmen dann entsetzt und wutentbrannt in den 2. Stock .. und was ist da? Vielleicht alles so, wie Sie es erwartet haben. Vielleicht eine tolle Bedienung und Luxusböden und alles perfekt, angefangen bei der Aufzugstür, die sich schneidig öffnet bis zum toll gefliesten Bad und zur gefüllten Minibar und einem funktionierenden großen schönen TV… Und was ist, wenn dort aber nur der Architekt auf dem blanken Estrich steht und mit dem Maurer über den Standort der Wände und die Einbaulöcher der Fenster diskutiert, die noch einzubauen sind und der Zimmermann auch nur gelangweilt sich auf seine Dachlatte stützt und dabeisteht und nicht weiß, wo und wie er seine Balken einbauen soll und Sie um die antrocknenden Speiskübel herumlaufen und der Architekt nur abwehrend die Aussage des Mitarbeiters aus dem 1. Stock rechtfertigt, dass es doch im Erdgeschoss am Besten ist und er Ihnen auch nichts anderes anbieten kann und auch er kein Verständnis für Ihr Anliegen hat? Was interessiert den Architekten Ihre Zimmerbuchung? … Ist Ihr Eindruck. Der Zimmermann nickt Ihnen zu, der es gut mit Ihnen meint und raunt Ihnen als Tipp zu: „stellen Sie sich nicht so an, Sie kommen doch zum Schlafen ins Hotel und das können Sie schließlich im EG, auch wenn der Strom da nicht geht. Lesen Sie halt nicht. Gehen Sie halt schlafen … da brauchen Sie keinen Strom“, ist sein gutgemeinter Rat …nachdenklich blickt mich mein Mandant an … „verstehe, sagt er langsam … ich bin zu ungeduldig …? Gut Ding will Weile haben?“ „Ja, so ungefähr“, erwidere ich … „Reden und Schreiben, das haben wir zum Überzeugen und beides müssen wir nutzen – auch wenn es manchmal sehr mühsam ist ….“