Josef, der Winzer
Josef ist Winzer. Josef hat das Weingut von seinen Eltern geerbt. Es ist ein herrlich gelegenes Weingut im Rheingau. Josef vermarktet seinen Wein selbst. Josef liefert bis nach Berlin aus. Mit seinem Sprinter fährt er voll beladen verschiedene Restaurants, Gaststätten und Hotels an. Darüber hinaus betreibt er einen Gutsausschank, den vorwiegend seine Ehefrau führt. Die beiden Kinder helfen entweder im Gutsausschank oder im privaten Weinverkauf oder bei der Auslieferung an Großabnehmer. In die Weinlese geht Josef nur noch selten mit. Sie haben auch nur noch drei Wingerte in Steillagen, die mit der Hand zu schneiden sind. Die anderen Wingerte werden mit Vollerntern befahren und maschinell gelesen. Für die harte Arbeit im Wingert hat Josef genügend Helfer, teilweise auch polnische Erntehelfer, so dass Josef nicht mehr bei jedem Wetter die harte Arbeit im Wingert verrichten muss. Obwohl: heute ist alles viel einfacher als früher. Früher gab es keine elektrischen Scheren bzw. Anbindeautomaten. Ist ja heute fast alles automatisiert und längst nicht mehr so anstrengend wie früher. Er erinnert sich noch, wie er als kleiner Bub Schwielen an den Händen von den manuellen Scheren hatte … Heute gibt es Akkuscheren und Akkuanbinder … Seit vier Wochen läuft bei Josef eine Betriebsprüfung. Der Prüfer ist irgendwie komisch. Die letzte Prüfung war vor sieben Jahren. Der damalige Prüfer war nett. Dieser Prüfer wirkt irgendwie verschlossen, fast unterkühlt. Josef versucht über verschiedene Themen mit ihm ins Gespräch zu kommen. Doch Josef fühlt sich abgekapselt. Auch den angebotenen Wein lässt der Prüfer stehen. Josef hat schon mit seinem Steuerberater darüber gesprochen, wie er am besten mit dem Prüfer umgehen soll. Der Steuerberater hat ihm erklärt, dass es manche „trockene Brötchen“ beim Finanzamt gibt, denen man allenfalls nur Kaffee und Wasser anbieten kann, mehr nicht. Dass Josef dem Prüfer Wein angeboten hat, nimmt der Steuerberater lächelnd und schulterzuckend hin. Man kann niemand zu seinem Glück zwingen, hat er Josef erklärt und ihm geraten, den Prüfer in Ruhe zu lassen und ihm keinen weiteren Wein, Mittagessen oder andere Leckereien anzubieten. Lass ihn, er ist vielleicht Beamter durch und durch und hält sich an seine Richtlinien, die ihm lediglich erlauben, Wasser und Kaffee anzunehmen und eine Scheibe trockenes Brot, mehr nicht.
Letzte Woche hat sich der Prüfer für den Flascheneinkauf interessiert. Der Prüfer wollte alle Unterlagen zu den Flascheneinkäufen der drei Prüfungszeiträume. Der Prüfer hat sich die Inventuren genau angesehen und sich die Kopien der Einkaufsrechnungen der Flaschen geben lassen. Da ist Josef schon misstrauisch geworden. Ob der Prüfer etwas ahnt? Ob er etwas gefunden hat? Josef traut sich aber nicht, dies mit seinem Steuerberater zu erörtern. Sein Steuerberater weiß nichts von den Schwarzeinkäufen der Weinflaschen.
Morgen Vormittag ist eine Zwischenbesprechung anberaumt. Mal sehen worum es da geht.
Am nächsten Tag um 09:00 Uhr erscheint der Prüfer mit seinem Sachgebietsleiter. Josef bietet hier nur Wasser und Kaffee an. Nach einer kurzen Vorstellung des Sachgebietsleiters kommt der Prüfer gleich zum Thema: Er fragt Josef, ob er noch mehr Weinflaschen eingekauft habe, als den gebuchten Einkauf. Josef ist irritiert. Er schaut seinen Steuerberater fragend an. Dieser lacht verkrampft und meint zum Prüfer: „Warum sollte mein Mandant mehr Weinflaschen eingekauft haben als gebucht? Warum sollte er die Betriebsausgaben nicht erklären? Das wäre doch steuermindernd!“. Der Prüfer lächelt verkrampft zurück und meint: „Aber Herr Berater, dass wissen Sie doch: Wenn man Flaschenwein schwarz verkaufen will, darf man die dazugehörigen Korken, Etiketten und die Weinflaschen nicht offiziell einkaufen!“. Der Steuerberater ahnte dies natürlich, hatte jedoch den hoffnungslosen Versuch unternommen, von dieser gefährlichen Situation abzulenken. Josef rutscht das Herz in die Hose. Woher weiß der Prüfer das? Wie kann er das gemerkt haben? Er war sich so sicher, dass aus seiner Buchhaltung der schwarze Weinflaschenverkauf, der auf seinem Hof stattfindet, nicht zu entdecken ist. Ob der Prüfer die Wingert nachkalkuliert hat und so auf das Mehrergebnis kam? Das hält er für unmöglich. Der Ertrag ist viel zu schwankend, als das der Prüfer genauer den genauen Ertrag nachrechnen könnte. Außerdem hat er den Rebeneinkauf und die bewirtschafteten Flächen entsprechend anteilig reduziert, so dass auch bei einer Verprobung der schwarz getätigte Weinflaschenverkauf seiner Meinung nach nicht nach zu ermitteln ist. Auch hat er die Erlöse aus den Schwarzverkäufen nicht bei der Bank eingezahlt, so dass auch hierüber nichts zu ermitteln ist. Er ist cleverer als sein Nachbar, der bei seiner Betriebsprüfung über eine hohe Einzahlung der schwarzen Flaschenweinverkäufe aufgefallen war, weil er die Herkunft des Geldes nicht erklären konnte. Er ist cleverer. Ihm kann so etwas nicht passieren.
Der Prüfer kramt dann aus seiner Laufmappe eine Zusammenstellung der Korkeinkäufe und der Flascheneinkäufe hervor. Er hat offenbar auf seinem Laptop hier die Waren- bzw. Lagerbestände und die Einkäufe aufgelistet. Der Prüfer konfrontiert Josef mit folgenden Zahlen: Sie haben im Jahr 2010 einen Lagerbestand von 25.000 Korken, hinzukommt ein Einkauf von 750.000 Korken. Neben einem Falschenbestand von 100.000 Leerflaschen fand ein Zukauf von 400.000 Flaschen statt. Damit haben Sie im Jahr 2010 einen Mehrkorkenbestand von 275.000 Stück gehabt als Flaschen, warum? Dies sind fast 50% mehr Korken als Flaschen. Was machen Sie mit so vielen Korken? Warum kaufen Sie so viel mehr Korken ein, als Sie Flaschen haben? Josef schluckt. Natürlich weiß er, was man mit diesen Korken macht. Flaschen verkorken und die so abgefüllten Flaschen verkaufen. Da gab es nicht zu viele Korken. Der Prüfer ist offenbar auf einer sehr problematischen Spur. Oder ist es nur eine Idee? Will er sehen, wie er reagiert? Ob er etwas einräumt? Da kann er lange warten. Oder ob er Prüfer nur einen Testballon losgelassen hat? Die Stimme klang so normal und er schaut nicht argwöhnisch … er lächelt auch nicht sarkastisch … Aber was wirklich war, kann er doch jetzt nicht sagen … er kann doch dem Prüfer nicht sagen, dass er leere zurückgegebene Flaschen gespült und abgefüllt hat. „Die habe ich dann offenbar doch zu viel gekauft … ich weiß heute aber nicht mehr, woran es lag. Verzählt oder verschätzt. Kann auch sein, dass ich ursprünglich dachte, 750.000 Flaschen abfüllen zu können, dann aber sah, dass es doch weniger Ertrag gab und dann anhand der neuen Mengenschätzung die entsprechenden Flaschen kaufte.“ Der Prüfer lächelt und meint sodann weiter: „Sie haben rund 640.000 Etiketten drucken lassen und fast 700.000 Verschlusskappen geordert. Warum passen die Zahlen nicht zusammen? Müssten es nicht so viele Flaschen sein wie Korken, Verschlusskappen und Etiketten? Josef schüttelt sich und meint, möglichst ruhig bleibend, dass er sich dies auch nicht erklären könne, möglicherweise hier Fehler vorgefallen seien, entweder Rechen- oder Erfassungsfehler beim Prüfer oder aber damals zu viele Etiketten, Verschlusskappen und Korken gekauft worden wären, so dass Überbestände vorhanden waren. „Die müssen dann in der Inventur aber gezählt worden sein, meint der Prüfer und schüttelt den Kopf. Dort sind aber keine entsprechenden Inventurbestände erfasst. Wenn die Inventur nicht stimmt, kann dies dazu führen, dass die Buchführung zu verwerfen ist und er schätzen muss. Aber warum er nicht nur bei den Korken, sondern auch den Etiketten und Verschlusskappen sich verzählt bzw. verschätzt habe. Es fehlten einfach Flachen. Die gegebene Erklärung kann so nicht sein“, meint der Prüfer. „Die Inventur weißt keine überschüssigen Bestände von Korken, Verschlusskappen und Etiketten auf.“ Josef meint, dass die Etiketten sowieso ein Jahr später nicht zu gebrauchen wären, so dass überschüssige Etiketten dann sicher vernichtet worden wären. Deswegen seien sie auch nicht in der Bestandsliste zu finden. Korken und Verschlusskappen müssten dann aber noch vorhanden gewesen sein, so dass in der Inventur diese hätten erfasst werden müssen. Warum dies so nicht sei, könne entweder daran liegen, dass bei den Bestellungen Fehler erfolgten oder nicht alles geliefert wurde oder in der Inventur vielleicht Zählfehler vorgelegen hätten. Vielleicht wären auch Korken zeitnah zurückgegeben worden. Dies wisse er heute nicht mehr. Er habe die Inventur natürlich nicht selbst gemacht. Seine Frau und zwei polnische Mitarbeiter hätten das die Inventur gemacht.
Der Prüfer schüttelt den Kopf und meint, so geht das nicht. Sind Sie mit einem Mehrergebnis von 900.000 Euro pro Jahr einverstanden? Josef springt auf und ist entsetzt. Wieso sollte ich? So ein Unsinn! Josef ist empört und schreit den Prüfer an, was ihm einfalle und meint, dass es hierfür gar keine Veranlassung gäbe. Der Sachgebietsleiter bittet Josef sich wieder zu beruhigen und hinzusetzen und meint weiter, er solle doch kooperieren. Josef ist aufgebracht. Josef weiß natürlich, dass er in erheblichen Umfang Flaschenwein schwarz verkauft hat. Aber soviel? Das glaubt er nicht. Alles nur abstreiten. Die haben nichts in der Hand, denkt er. Andererseits überlegt er, muss das Zweifamilienhaus für seine Tochter und die Finca in Spanien für seinen Sohn natürlich auch irgendwie finanziert worden sein. Doch das weiß der Prüfer nicht. Jedenfalls hat er dies bislang nicht angesprochen und Josef ist sich sicher, dass er keine Fehler gemacht hat. Das kann der Prüfer niemals entdecken. Darüber hinaus hat er für seine Frau und sich eine neue Wohnzimmereinrichtung gekauft und schließlich liegen bei der Bank im Tresor auch noch einige Hunderttausend Euro. Außerdem liegen dort noch 4 kg Goldbarren. Josef versucht dies alles zu überschlagen, kann aber die Zahlen des Prüfers so schnell nicht nachvollziehen. 900.000 Euro Mehrergebnis pro Jahr über 3 Veranlagungszeiträume sind 2,7 Mio. Euro rechnet der Steuerberater vor. Wie kommen Sie auf einen solchen Vorschlag? Will der Steuerberater wissen. Der Prüfer bleibt ganz cool und sagt bloß: Wir haben klare Beweise. Das Angebot mit 900.000 Euro pro Veranlagungszeitraum ist nicht hoch. Wenn ich weiter ermittele, könnte es noch viel teurer werden. Es gibt offenbar hier einen Flaschenweinverkauf, der bislang in die Buchführung keinen Eingang gefunden hat. Josef regt sich auf. Er ist empört. Dies ist eine unverschämte Unterstellung. So was lässt er sich nicht sagen. „Raus hier!“, brüllt er den Prüfer an. Dieser hebt beschwichtigend die Hand und sagt, „bitte beruhigen Sie sich. Die Fakten sind klar. Ich gebe Ihnen hier die Gelegenheit, über eine Kooperation nachzudenken. Wenn Sie dem Mehrergebnis zustimmen, können wir vielleicht das Ganze nur steuerlich regeln. Wenn Sie sich querstellen, muss ich weiter ermitteln und ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Sie einleiten und dann Zeugen befragen …. Nehmen Sie Vernunft an und geben Sie zu, was Sie gemacht haben. Die Beweise sind schon jetzt aus meiner Sicht erdrückend.“ Der Steuerberater wiegt seinen Kopf hin und her und meint, dass ihn die Widersprüche zwischen Einkauf von Etiketten, Korken, Verschlusskappen und Flaschen nicht überzeugt habe. Sein Mandant habe immerhin ganz vernünftige, plausible Erklärungsansätze sofort nennen können und es müsse dann erst einmal überprüft werden, ob dem Prüfer nicht Rechen- oder Denkfehler bei seinen Zahlenwerk unterlaufen seien. Der Prüfer schüttelt den Kopf. Dies schließt er aus sagt er und meint weiter: „Den Knaller in der Beweisführung habe ich Ihnen noch gar nicht genannt. Wenn ich den aber benenne, werden wir um eine Verfahrenseinleitung nicht umhinkommen.“ Der Steuerberater stutzt, hält das für einen Bluff und entgegnet, dass er sich doch unmöglich auf die Katze im Sack einlassen könne und der Prüfer dann schon mit offenen Karten spielen müsse. Der Sachgebietsleiter schaltet sich wieder ein und meint, dass man die Sache ganz einfach wie folgt umreißen könne. Es gebe ganz offensichtlich einen Schwarzeinkauf von Weinflaschen oder umfangreiche Spülaktionen. Bei dem Weinflaschengroßhändler habe man eine Fahndungsprüfung durchgeführt und festgestellt, dass hier Josef offenbar zum Teil Barkeinkäufe getätigt habe. Der Flaschenweingroßhändler habe per Lieferschein und Rechnung an Josef verkauft und darüber hinaus auch noch im erheblichen Umfang Barverkäufe an ihn getätigt. Interessanterweise seien die Barverkäufe an die Lieferscheine und Rechnungen zusammengeheftet und alle unter dem Fachregister vom Weingut Josef abgeheftet. So habe es immer tagesgleich mit den offiziellen Lieferungen auf Lieferschein und Rechnung auch parallel dazu Barverkäufe gegeben, die natürlich keine Lieferanschrift enthalten, aber am selben Tag passend zur Ablieferung bei Josef auch bar kassiert wurden. Nicht nur die Verheftung mit dem Tacker beim Weinflaschengroßhändler belege aber, dass diese Bareinkäufe von Josef getätigt worden seien, sondern auch, dass derselbe Lkw beladen worden sei mit den offiziellen Weinflaschen für Josef aber auch den Barverkäufen. Insoweit ist es wenig glaubwürdig, dass Josef offiziell beliefert wurde und rein zufällig ein fremder Dritter hier noch diesen Restbestand dann auf dem Lkw als Bargeschäft abkaufte. Wer steht schon am Straßenrand und kauft von einem zufällig daherkommenden LKW, dessen Lieferung man nicht von außen einsehen könne, ein paar tausend Weinflaschen? Es seien in den drei Prüfungszeiträumen stets im Verhältnis von 1/3 Bareinkauf zu 2/3 offiziellen Einkauf auf Rechnung und Lieferschein zu sehen. So sind im Jahr 2010 neben den 500.000 leeren Weinflaschen 200.000 Flaschen bar verkauft worden, angeblich an einen unbekannten Dritten, tatsächlich aber mit den Lieferscheinen und Rechnungen an Josef zusammengeheftet. Josef ist außer sich. Er weiß gar nicht ob vor Zorn, Angst oder Ärger über sich selbst. Er traut sich gar nicht seinen Steuerberater anzusehen. Dem hat er immer erklärt, dass alles in Ordnung sei und in seinem Betrieb nichts schwarz laufe. Sein Steuerberater hatte seinen Betrieb als Musterbetrieb dargestellt. Und nun das. Sein Steuerberater sagt zögerlich: das sagt noch gar nichts. Ich weiß natürlich nicht, warum im Weinflaschenhändler die Barverkaufsbelege angeblich mit den Lieferscheinen an meinen Mandanten zusammengeheftet wurden. Vielleicht weil es eine Tour für den Fahrer war? Vielleicht sind auch die Flaschen auf dem Weg zu meinem Mandanten bei einem nahegelegenen Weingut abgeliefert worden? Dann wäre die Zusammenheftung die Folge einer sinnvollen Tourenplanung …?
Natürlich weiß Josef, dass der Prüfer Recht hat. Auch wenn ihm die Höhe des Mehrergebnisses viel zu hoch erscheint und er natürlich auf jeden Fall die daraus folgenden Steuern nicht zahlen will, sondern zumindest den Prüfer runterhandeln will, sieht er doch, dass die Einkäufe von Kork, Etiketten, Weinflaschen und Verschlusskappen nicht zusammen passen. Warum ist ihm dies nicht aufgefallen? Er ist doch eigentlich Fachmann und die Verprobung, die der Prüfer vorgenommen hat, ist so plausibel. Warum hat er das nicht gemacht? Er hat doch immer so aufgepasst. warum ist ihm dies in diesem Jahr durchgerutscht? Natürlich, da gab es die Belastungen bei dem Hausbau für seine Tochter und auch der Umbau der erworbenen Finca in Spanien zehrte an seiner Zeit, an seiner Kraft … Ob es tatsächlich bei seinem Weinflaschengroßhändler zu einer Prüfung kam? Ob die Geschichte mit der Zusammenheftung der Barverkäufe wirklich stimmt? Josef meint schließlich zum Prüfer, dass er doch für eventuelle Zusammenheftungen bei dem Weinflaschengroßhändler nichts könne und natürlich eine Sekretärin oder Mitarbeiterin diese Barverkäufe auch irrtümlich unter seinen Namen abgeheftet haben könnte bzw. auch irrtümlich mit den Lieferscheinen und Rechnungen an ihn zusammengeheftet haben könnte. Auch könnte hier absichtlich eine falsche Spur gegen ihn gelegt worden sein, um etwa die Lieferungen an einen anderen Winzer zu vertuschen. Der Prüfer lächelt und meint, dass dies so nicht richtig ist. Dieses System habe der Weinflaschengroßhändler auch bei vielen Winzern angewandt. Lediglich die Quote sei unterschiedlich gewesen. Mal sei ¼ bar eingekauft worden, dann die Hälfte oder dann wie bei Josef 1/3 zu 2/3. Dies seien aber nur Kleinigkeiten bei struktureller Gleichheit: Der Weinflaschengroßhändler habe durch sein Angebot, Teile der Lieferungen als Barverkäufe zu deklarieren, hier Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Damit sei es Josef und all den anderen Winzern ermöglicht worden, Weinflaschen im großen Stil bar zu kaufen und natürlich an x-beliebig viel Kunden diese schwarz eingekauften Weinflaschen entsprechend schwarz zu verkaufen. Damit sollte eine Nachkalkulation unmöglich gemacht werden. Der Weinflaschenhändler sei zwar nicht geständig, aber ein ehemaliger Mitarbeiter des Weinflaschengroßhändlers habe dies der Steufa mehrfach bestätigt. Er habe auch einige Namen benannt. Hier war jeweils das System so vorzufinden bei der Fahndungsdurchsuchung. Zwar habe der ehemalige Mitarbeiter nicht den Namen des Josef genannt, aber er habe auch nicht alle Namen in Erinnerung gehabt. Aber das System stimmte. Einige Winzer seien auch schon geständig und kooperierten …. Der Prüfer lächelt und meint, dass ihm der schwarze Weinflaschenverkauf sofort bei der Betriebsbesichtigung klar gewesen wäre, als er in der Lagerhalle Preisschilder über den Flaschenweinverkauf hängen sah und dazu die Hinweisschilder für Kunden, dass für die Rückgabe der leeren Weinflaschen 0,05 Cent pro Flasche gutgeschrieben würden und zudem die angeblichen Übereinkäufe von Korken, Verschlüssen und Etiketten entdeckte. Neben dem teilweisen Schwarzeinkauf von Weinflaschen müssten auch die Rückläufer gespült worden sein. In der Buchhaltung seien keine Kosten für die Reinigungen der Flaschen aufgetaucht. Dann mache aber das Hinweisschild und das Rückvergütungsangebot für die Flaschen keinen Sinn. Es müssten doch einige Kunden darauf eingegangen sein: es gibt aber keine Aufzeichnungen für dKosten der Pfandbeträge. Da dies Betriebsausgaben wären, mache die Nichterfassung dieser den Gewinn mindernden Betriebsausgaben nur Sinn, wenn eine Parallelverkürzung vorliege, die Rückläufer also schwarz gespült, neu befüllt und schwarz verkauft worden sind.
Zudem würden Preislisten und Angebote an Kunden, Leergut zurückzugeben in einer Lagerhalle keinen Sinn machen, wenn dort kein Kundenverkehr stattfinden würde. Aus der Buchhaltung wusste der Prüfer, dass es keine Kasse für die Lagerhalle gab und aus den Einnahmeerfassungen gab es nur den Gutsausschank und die Verkaufsrechnungen an Restaurants, Gaststätten und Hotels sowie eine Kasse Weinfest. Also fehle mindestens eine Kasse. Auch dies berechtige und verpflichte zur Zuschätzung, da der richtige Erlös nicht erfasst wurde.
Josef schaut seinen Steuerberater hilfesuchend an. Was der jetzt wohl von ihm denkt? Warum findet der keine Argumente? Warum sagt der nichts?
Außerdem fehlten in der Buchhaltung Kosten für die Reinigung der zurückgegebenen Weinflaschen, so der Prüfer weiter. Damit war klar, dass hier ein Lagerverkauf an Privatleute stattfand und die zurückgegebenen Flaschen gereinigt wurden und erneut befüllt wurden. Josef staunt nicht schlecht über die Spitzfindigkeit des Prüfers. Das geben die Wingerte gar nicht her sagt Josef. Der Prüfer schüttelt abermals den Kopf: Ob das Bestandsverzeichnis richtig geführt ist, habe ich noch gar nicht geprüft. Die Schwarzeinkäufe der Weinflaschen ohne zurückgegebene, gereinigte und neu befüllte Weinflaschen ergeben im Jahr 2010 einen Mehrverkauf an Weinflaschen in Höhe von rund 200.000 Flaschen, 100.000 Flachen á 0,75 Liter und 100.000 Flaschen á 1,00 Liter. Bei einem noch gering geschätzten Verkaufspreis von 4,50 Euro pro Flasche, sind das mindestens 900.000 Euro Umsatz. Wir können uns weiter darüber unterhalten, dass Sie weitere Aufwendungen für Flaschenreinigungen zurückgegebener Flaschen haben. Dann aber muss die Befüllung und Veräußerung auch dieser Falschen angesetzt werden. Ich habe mich hier noch gar nicht dazu geäußert, ob hier mehrheitlich 0,75 Literflaschen für den teureren Wein oder 1,0 Literflaschen für den günstigeren Wein überwiegend zurückgegangen sind. Der Prüfer meint, dass man auch hälftig Liter- und Dreiviertelliterflaschen schätzten könne, also 100.000 Flaschen a‘ 0,75 Liter mit dem Durchschnittspreis für die teueren Weine und die anderen 100.000 Flaschen für 1,00 Liter mit dem Durchschnittspreis für die günstigeren Weine durchgerechnet werden könnte. Dann würde es aber deutlich teurer für Josef werden. Josef schüttelt den Kopf und meint, dass es hier wohl zu Verschiebungen nach 2011 gekommen sein könne, jedenfalls die Vermutungen des Prüfers für 2010 mit den Schwarzumsätzen falsch wären. Doch auch da schüttelt der Prüfer den Kopf. Für 2011 sehen die Zahlen ganz ähnlich aus, meint er und erläutert: In 2011 sind bei einem Anfangsbestand von 30.000 Weinflaschen 600.000 Weinflaschen hinzugekauft worden. Es wurden 940.000 Etiketten gedruckt und es sind ebenso viele Verschlusskappen bestellt und geliefert worden. Addiert man hier die offiziellen Verkäufe an Restaurants, Gaststätten und Hotels sowie die Verkauf zum Weinfest, so kommt man abzüglich des Lagerbestandes nur auf eine Verkaufszahl von knapp 600.000 Weinflaschen. Tatsächlich müssten jedoch mindestens 940.000 Weinflaschen abgefüllt und verkauft worden sein. Nimmt man die rückgelieferten Weinflaschen nach Reinigung und Neubefüllung noch im Schätzungswege hinzu, könnte man weitere 50.000-100.000 Weinflaschen schätzen. Josef hält dem entgegen, dass er dafür gar nicht genug Etiketten habe. Der Prüfer meint, dass er nicht der erste Winzer wäre, der auch einen guten Wein ohne Etikett im Barverkauf hat, dann vielleicht ein paar Cent günstiger, aber so mancher Kenner und Genießer würde gerne auf ein Etikett verzichten um den leckeren Wein etwas günstiger zu erhalten. Er sagt zu Josef: „und natürlich kommt es den privaten Stammkunden nicht auf das Etikett an … wenn die mehreres Kisten nehmen, dürfen dann auch ein paar Kisten unetikettierte dabei sein. Als Begründung kann man da immer anführend, dass die Etikettiermaschine defekt, die Druckerei nicht nachkomme oder man schlicht noch nicht dazu gekommen sei … Auch für 2012 sind die Zahlen ähnlich. Hier sind 550.000 Weinflaschen offiziell nachgekauft worden, wobei ein Anfangsbestand von 17.000 Leerflaschen in der Inventur aufgezeigt ist. Die Bareinkäufe beim Weinflaschengroßhändler belaufen sich auf 360.000 Weinflaschen. Hier haben Sie fast 50% im Bareinkauf bei den Weinflaschen hinzugekauft. Josef schüttelt den Kopf. „Das stimmt nicht“, murmelt er schwach.
Der Prüfer schaut Josef ernst und nachdenklich an. Dann meint der Prüfer zu Josef: „Ich meine es gar nicht schlecht mit Ihnen. Ich will nur die Steuern. Der Rest interessiert mich nicht. Wenn Sie hier rasch zustimmen, können wir die Betriebsprüfung beenden, dann kann ich meinen Bericht schreiben und Sie müssen nur noch die Steuern zahlen. Wenn Sie hier mit mir streiten wollen, muss ich natürlich die Beweise erheben, komme dann aber nicht an einer steuerstrafrechtlichen Einleitungsverfügung vorbei. Immerhin muss ich mich an meine Vorgaben halten und gemäß § 10 BPO 2000 bei einem Anfangsverdacht hinsichtlich einer Steuerstraftat auch ein Steuerstrafverfahren einleiten.“ Der Sachgebietsleiter sagt zu Josef: „Mein Prüfer hat Recht. Wenn Sie dem Mehrergebnis zustimmen, können wir die Sache hier und jetzt beenden. Je mehr Aufheben Sie mit der Sache machen, um so weniger können wir die Sache fallen lassen. Natürlich können Sie streiten und alles bestreiten. Sie haben jedoch keine Chance. Wir werden den Sachverhalt vollständig nachkalkulieren und beweisen. Möglicherweise wird dann das Ergebnis wesentlich teurer für Sie. Wenn wir aber alles im Detail ermittelt haben, kommen wir davon nicht mehr weg. Das müssen wir dann auch festsetzen. Sicher müssen wir dann auch das Steuerstrafverfahren gegen Sie einleiten und wenn Sie nicht freiwillig zahlen, vollstrecken wir bishin zur Zwangssicherungshypotheken auf die Grundstücke. Und glauben Sie nur nicht, dass Ihnen die Einschaltung eines Fachanwalts hilft. Der kostet nur und bringt nichts. Sie werfen da nur Geld unnötig raus. Das wollen Sie doch sicher alles nicht. Oder?“ Josef ringt nach Luft. Er trinkt das vor ihm stehende Wasser hastig aus. Was soll er nur machen? Sein Steuerberater sitzt bloß neben ihm und kann ihm auch nicht weiterhelfen. Josef ergreift Panik. „Und wir müssen, wenn wir uns nicht rasch im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung einigen, für die Jahre davor die Prüfung erweitern“, sagt der Sachgebietsleiter. Wie soll er aus den drei Jahren Steuern auf ein Mehrergebnis von 2,7 Mio. Euro nachversteuern? fragt sich Josef. Dies sind schätzungsweise 1,35 Mio. Euro Steuern plus Zinsen. Wie soll er das bezahlen? Wie soll er das seiner Bank erklären? Ob die ihm einen entsprechenden Kredit geben? Er weiß nicht, wie viel Geld er im Tresor hat und was das Gold gerade wert ist. Wenn er aber da dran geht führt das doch bestimmt zu neuen fragen, wo das Geld her ist. Er braucht erstmal Zeit. „Ich muss mal raus“, sagt Josef und steht auf und wirft dabei seinen Stuhl um. Josef geht erst mal raus und holt tief Luft. Seine Frau läuft auf dem Hof zu ihm und schaut ihn fragend an. „Was ist los, Josef?“ fragt sie. Josef sagt eigentlich nichts. Nur: „Der Prüfer hat mich: Er will 2,7 Mio. Euro Umsatz in den drei Jahren insgesamt hinzuschätzen. Das kostet uns 1,35 Mio. Euro Steuern plus Zinsen. Ich bin fertig. Ich kann aufgeben. Ich will nicht mehr. Alles futsch, was wir uns erarbeitet haben.“ Seine Frau ist bleich und schaut ihn ungläubig an. „Ist es wirklich so schlimm?“, fragt sie. Josef röchelt nur und meint: „Glaubst Du, ich mache Witze?“
Josef ist übel. Sein Herz rast und schmerzt. Josef setzt sich auf die Bank, die vor dem Haus steht. Josef will etwas sagen. Will seine Frau rufen, doch die ist schon wieder ins Haus gegangen. Immer wenn man sie braucht ist sie nicht da. Josef röchelt, schluckt, versucht zu schlucken, bekommt keine Luft, fasst sich ans Herz, so ist also das Ende, denkt sich Josef … das kann es doch nicht sein … sieht im Geiste noch einmal seine Frau vor sich, mit Schleier, das war an ihrer Hochzeit, dann sieht er seine Kinder vor sich, den jüngsten mit Schultüte, will noch etwas sagen, will ihr sagen, dass er sie über alles liebt, will seinen Kindern sagen, wie stolz er auf sie ist, Worte, die im Alltag nicht kamen, da war nie Zeit dafür, hier will er sie ihnen noch sagen und … noch so viel mehr, doch ihm fehlen die Worte … er spürt, er hat keine Zeit mehr, will nach seiner Frau rufen, sie noch einmal in den Arm nehmen …. und spürt schon seine Beine nicht mehr und sinkt langsam auf der Bank ohnmächtig in sich zusammen…. kippt leicht zur Seite …. Die Schreie seiner Frau hört Josef schon nicht mehr. Der schnell herbeigerufene Notarzt kann nur noch den Tod von Josef feststellen. Der Prüfer kondoliert und meint, dass sie nach der Beerdigung die Schlussbesprechung fortsetzen werden, dies alles bekommt Josef nicht mehr mit. Die Prüfungserweiterung für die Jahre 2008 und 2009 geht an die Erben.
Nachsatz: die Erben schalten dann doch den auf Betriebsprüfungen spezialisierten Anwalt ein. Zu einem Steuerstrafverfahren kommt es nicht, da der Verstorbene Josef Alleininhaber war und allein verantwortlich für etwaige Steuerhinterziehungen war. Auch wenn die angeblichen Hinterziehungen seiner Frau und seiner Familie zugute kamen, war diesen eine Beihilfe, Anstiftung oder eine Mittäterschaft nicht nachzuweisen. Insbesondere war seine Frau nicht mit verantwortlich, da sie zwar die gemeinsame Einkommensteuererklärung mit unterschrieb, der Betrieb aber allein auf Josef lief und es keine Ehegattenverantwortlichkeit im Steuerstrafrecht gibt, jeder vielmehr nur für seinen eigenen Erklärungsteil trotz Zusammenveranlagung verantwortlich ist (vgl. Burkhard, StB 2001, 47, DStZ 1998, 829). Die Prüfungserweiterung wurde erfolglos angefochten. Die Rechtsprechung erlaubt einfach bei dem Verdacht erheblicher Mehrergebnisse eine Prüfungserweiterung auf davor und danach liegende Zeiträume. Schon bei 3.000 DM Mehrergebnis für die drei Prüfungszeiträume und die drei Steuerarten soll eine Erweiterung nach BFH zulässig sein. Nach vielen Berechnungen, Diskussionen mit dem Prüfer, mehreren Terminen an Amtsstelle, einigen Schriftsätzen, Zeugenvernehmungen kommt schließlich eine Tatsächliche Verständigung zustande. Die wesentlichen Verteidigungsargumente waren: die gekauften bedruckten Kartons passen nicht zu den angeblichen Mehrverkäufen, ein Verkauf nur einzelner Flaschen in diesen Mengen ist nicht realistisch; die Wingerte können nicht den Ertrag gebracht haben, auch wenn der Betriebsprüfung einige Hektar bislang nicht bekannt waren. Wenn Flaschen befüllt wurden, muss der Wein zugekauft worden sein. Dies führte zur Annahme erheblicher Betriebsausgaben. Auch hätte die Abfüllung und der Vertrieb weitere Personalkosten erforderlich gemacht. Mehr Personal gab es aber nach verschiedenen glaubhaften Zeugenaussagen nicht, so dass Zweifel an den Zuschätzungen bestanden. Auch konnten die Zeugen bei dem Weinflaschengroßhändler nicht für das Weingut von Josef sagen, wer die Zusammenheftungen vornahm. Ein Zeuge meinte sogar, die Zusammenheftungen könnten auch von der Steuerfahndung stammen. Ein anderer meinte, dass könnten auch von der Tourenzusammenstellung kommen. 3 Jahre nach Josefs Tod einigten sich die Erben mit der Betriebsprüfung und dem Veranlagungsbezirk, vertreten durch den dortigen Sachgebietsleiter, auf ein Mehrergebnis von 50.000 € pro Jahr. Die daraus resultierenden Steuern nebst Zinsen wurden rasch beglichen. Dank der Einschaltung des Spezialisten gibt’s den Betrieb heute noch. Die Terrasse ist wesentlich vergrößert und im idyllischen Garten sind Laubengänge und lauschige Plätze mit kleinen Sitzgruppen entstanden, in denen die Gäste bei herrlichem Blick über die Wingerte bis zum Rhein hinunter in einer grünen Oase Wein, Sekt und Gespritzte sowie eine Vielzahl leckerer Speisen genießen können. Josefs Frau hat hier die Straußwirtschaft deutlich vergrößert und sehr geschmackvoll den Garten zu einem kleinen Naturpark gestaltet, der weit über den Rheingau bekannt ist und ein viel besuchtes Ausflugsziel ist. Sie hat es längst zur Erwähnung in vielen Reiseführern geschafft. Busse kommen regelmäßig nach Vorbestellung und bringen Gäste teilweise aus Kassel, Fulda, Heidelberg, Ludwigshafen, Koblenz und Trier. Im Sommer buchen viele Hochzeitsgesellschaften den gesamten Gutsausschank. Die Kinder Josefs führen das Weingut im Sinne des Vaters, der stolz auf sie wäre. Sie haben ein paar Wingerte noch hinzugekauft und fünf weitere, die sie nicht kaufen konnten, gepachtet.
Kurz nach dem 6. Todestag Josefs erhält seine Frau und die Kinder eine neue Prüfungsanordnung ….
Nachsatz: Die Geschichte ist, wie alle anderen natürlich aus meiner Feder frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und natürlich nicht beabsichtigt..
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