Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Entspricht die Buchführung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 243 Abs. 1 HGB, §§ 140-148 AO), so ist sie zwingend der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden, § 158 AO. Eine ordnungsmäßige Buchführung liegt regelmäßig dann vor, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung buchmäßig (retrograd und progressiv) verfolgt werden können und sich ein Sachverständiger Dritte ohne große Schwierigkeiten und in angemessener Zeit in dem Buchführungsweg zuverlässig zurechtfinden kann (BFH, Urteil vom 18.02.1966, – VI 326/65 BStBl 1966 , 496; BFH, Urteil v 23.09.1966, -VI 117/65-, BStBl 1967 III, 23).
ob dies so ist, sorgt regelmäßig für Streit in Betriebsprüfungen. Der Prüfer behauptet von sich natürlich, dass er ein sachverständiger Dritter sei und trotz erheblichen Zeitaufwand (was ist hier erheblich: 1 Stunde, 5 Stunden, 10 Stunden, drei Tage? Bei welchem Umfang der Buchführung?) Die vorgelegte Buchführung nicht verstehen und nicht sachgerecht prüfen konnte. Vor dem Hintergrund das heute elektronisch geprüft wird, stellt sich mir die Frage, was dies eigentlich bedeutet. Er hat die Daten CD in den Rechner gesteckt und konnte seine WIN-IDEA-Verprobungen mit den rund 200 Makros nicht sachgerecht anwenden? Hat er die Makros nicht verstanden oder passt die Schnittstelle nicht? Was hat er 1 Stunde, 5 Stunden oder 10 Stunden lang versucht? Ist es ein technisches Problem oder ein Schnittstellenproblem oder kommt er mit den Verprobungsschritten nicht klar? Was ist also unverhältnismäßig viel Zeit? Der Steuerpflichtige wird umgekehrt lästern, dass der Prüfer nur unfähig ist, was man ihm gleich von Anfang an angesehen hat und dennoch zwei Jahre prüfen kann und mit der CD und dem Programm nicht klarkommen. Das ist aber kein Problem der Buchführung, sondern ein Problem des Prüfers, wird der Steuerpflichtige möglicherweise entgegenhalten.
Der BFH hilft hier, wenn man etwas tiefer einsteigt. Ob sich der Prüfer nur blöd anstellt oder unfähig ist oder ob tatsächlich die Buchführung nicht prüfbar ist und damit nicht ordnungsmäßige ist, muss im Zweifelsfall ein Sachverständiger entscheiden. Wörtlich führt der BFH unter der Tz 17 in dem Urteil vom 18.02.1966 aus:
„Im übrigen muß das FG die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung danach beurteilen, ob der Stpfl. oder ein sachverständiger Dritter nach den Eintragungen der Forderungen im „Hilfsbuch“ in angemessener Zeit einen Überblick über die Außenstände hätte gewinnen können. Dieser Überblick richtet sich nicht allein danach, ob der Stpfl. von jedem Auftraggeber nur einen Auftrag bekam. Wesentlich ist hier vor allem, wie groß der Kreditverkehr während des Jahres war und wie schnell die Honorare beglichen wurden. Zu diesem Zweck muß das FG die Buchführung des Stpfl. entweder selbst in Augenschein nehmen oder einen Sachverständigen mit der Prüfung beauftragen, wie dies vom Stpfl. auch beantragt wurde. Es kann zu diesem Zweck insbesondere die Oberfinanzdirektion ersuchen, einen geeigneten Betriebsprüfer zu benennen. Ist dies geschehen, so ist dem Stpfl. Gelegenheit zu geben, eventuelle Einwände gegen diesen Prüfer vorzubringen. Das FG muß dann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob der von der Oberfinanzdirektion benannte Prüfer oder eine andere geeignete Person als Sachverständiger tätig werden soll (BFH-Urteile I 155/61 U vom 18. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 164, Slg. Bd. 76 S. 451; VI 128, 129/64 vom 7. Mai 1965, HFR 1965 S. 487, und VI 248/64 vom 30. Juni 1965, HFR 1965 S. 537).“
Die Buchungen und die sonstigen erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig und zeitgerecht und geordnet vorzunehmen, § 146 Abs. 1 AO.
Bei Betrieben mit ausschließlich, überwiegend oder ins Gewicht fallenden Barumsätzen kommt der Kassenführung für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung ausschlaggebende Bedeutung zu (BFH, Urteil vom 02.02.1954, – I 85/53 U-, BStBl 1954 III, 102).
Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben, Entnahmen und Einlagen mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls einzelnen aufzuzeichnen, sogenannte Einzelaufzeichnungsverpflichtung, § 238 Abs. 1 HGB, 145 Abs 1 Satz 2, 146 Abs. 1 Satz 1 AO. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten, § 146 Abs. 1 Satz 2 AO.
Hin und wieder meinen Betriebsprüfer: „Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Belege bei Einzelaufzeichnungspflicht setze generell die fortlaufende Nummerierung der Einnahmebelege voraus, § 14 Abs. 4 Nummer 4 UStG.“ solche Anforderungen begegnen aber massiven Bedenken: der gedankliche Ansatzpunkt ist § 14 Abs. 4 UStG, der die Pflichtangaben in einer Rechnung wiedergibt. Abs. 4 Nummer 4 besagt, dass eine Rechnung eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen haben muss, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird, also eine Rechnungsnummer haben muss. Diese Rechnungsnummer ist ein Unikat. Sie darf nicht doppelt vergeben werden. Allerdings ist der Verwender frei, wie er sie gestaltet und welche numerischen Logik-oder Prüfrhythmen er hier einbaut oder ob er die Zahlen willkürlich vergibt. Zulässig wäre es also für das Jahr 2018 mit der Rechnungsnummer: „2018-1“ zu beginnen und dann aufsteigend weiter in ganzen Zahlen die weiteren Rechnung zu versehen. Bei dieser Methode wäre also die nächstfolgende Rechnung die mit der Nummer „2018 – 2“. nun kann aber auch der Rechnungsaussteller mit der eins das Projekt umschreiben und bei weiteren Folgeaufträge desselben Auftraggebers für dasselbe Projekt dann mit der Unter-Nummer „.1“ fortfahren, also für den Auftraggeber Meyer im Januar die Rechnung 2018 – 1 vergeben und bei demselben Auftraggeber bei einem Folgeauftrag für dasselbe Projekt im Juli 2018 dann die 2018-1.1 vergeben. Bei weiteren Folgeaufträgen dann etwa die 2018 – 1.2, dann die 2018 – 1.3 usw. Die Rechnungsnummern müssen also nicht ganze Zahlen sein und sie müssen auch nicht lückenlos sein. Die Rechnungsnummern könnten also auch nur mit geraden oder ungeraden Zahlen versehen sein. Die Rechnungsnummern könnten auch bei höheren Zahlen beginnen, etwa dann wenn der Auftragnehmer sich größer darstellen möchte als er ist und etwa mit der Rechnungsnummer 100 oder 500 beginnen möchte. Dann wäre seine erste Rechnung mit der ersten Rechnungsnummer im Jahr 2018 die 2018.100 oder auch die 2018 – 100 oder die 2018/100 oder die 100/2018 oder die 100/18 usw. Er könnte auch bei den Rechnungsnummern, wenn er abergläubisch ist, etwa auch die 13 weglassen. er könnte auch mit zwei oder mehreren Nummernkreisen arbeiten, wenn also von mehreren Mitarbeiterinnen aus Rechnungen geschrieben werden. Dann fängt die erste Mitarbeiterin bei eins an, die zweite bei 1000 und die nächste bei 2000, Wenn er annimmt, dass keine von den dreien jeweils 1000 Rechnungen im Jahr schafft. Dann würde die erste zum Beispiel bei 734 Rechnungen enden, die zweite bei 1699 Rechnungen enden und die dritte bei 2834 Rechnungen enden. Es gebe dabei der Lückenanalyse natürlich Lücken von 735-999, von 1700-1999 und alle Zahlen oberhalb 2835 wären frei. Das läge aber daran, dass eben die drei verschiedenen Rechnungsausteller jeweils bei ihrem Nummernkreis mit der eins begonnen haben und die Lücken sich daraus erklären, dass eben bis zum Jahresende nicht mehr Rechnungen geschrieben wurden. An den drei Terminals müssten also dann jeweils Ende Dezember die höchsten Nummern von 734 bzw. 1699 bzw. 2834 erreicht worden sein. Auch einzelne Lücken werden häufig von den Prüfern als verräterisch angesehen dahingehend, dass diese Rechnung angeblich nicht verbucht wurden. Auch dies ist natürlich so nicht zutreffend. Eine Rechnung kann storniert worden sein oder es kann eine Rechnungsnummer versehentlich ausgelassen worden sein oder diese Rechnung nicht abgeschickt worden sein. Schön wäre es natürlich dann, wenn die stornierte Rechnung oder die nicht versandte Rechnung mit der so nicht verwandten Nummer dann durchgestrichen in der Buchhaltung liegen würden. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, kann daraus nicht auf eine Hinterziehung geschlossen werden bzw. die Buchführung als nicht ordnungsgemäß beanstandet werden. Dies vorweg geschickt wirft dies natürlich dann viele Fragezeichen hinsichtlich der Eingangsthese auf, dass die Einzelaufzeichnungsverpflichtung eine fortlaufende Nummerierung der Einnahmebelege voraussetze. Hierfür gibt es im Gesetz keinen Anhalt. Und wie sollte bei einem Friseur, der Laufkundschaft mit Strichlisten festhält, hier einer fortlaufenden Nummer bei jedem einzelnen Strich (= Kunde) vergeben werden? welchen Sinn machte das und was machte hieran die Buchführung überprüfbarer?
Fallen bei der Geschäftsabwicklung des Kaufmanns bei Geschäfte an, gehört zu seiner Buchführung ein Kassenbuch. Daran müssen die Geschäftsvorfälle nach ihrem wirklichen Inhalt und Zeitablauf vollständig und zeitnah erfasst werden (BFH, Urteil vom 06.03.1952 – IV 31/52 U-, BStBl 1952 III, 108; BFH, Urteil v 10.06.1954, IV 68/53 U-, BStBL 1954, III, 298). Ein nicht chronologisch fortlaufend geführtes Kassenbuch und nur mit Schwierigkeiten nachprüfbare Kassenbestände stellen nach ständiger Rechtsprechung des BFH einen schweren formellen Mangel dar BFH, Urteil v 06.03.1952, -IV 31/52 U-, BStBl 1952 III, 108; BFH, Urteil v. 10.04.1953, -IV 18/53 U-, BStBl 1953 III, 157).
Weiter muss nach Auffassung der Finanzverwaltung der Steuerpflichtige sicherstellen, dass die Eintragungen im Kassenbuch oder im Kassenbericht nicht in einer Weise verändert werden können und auch nicht verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist, § 146 Abs. 4 AO, BMF-Schreiben vom 07.11.1995). Ein mittels eines Kalkulationsprogramms (zum Beispiel Excel) erstelltes Kassenbuch oder ein solcher Kassenbericht erfüllt daher nicht die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, da Änderungen ohne Dokumentation jederzeit möglich sind, also ein solches Kassenbuch im Nachhinein jederzeit verändert werden kann. Anders sieht das aber aus, wenn die Buchführung ausgedruckt ist, Excel also nur als Schreibprogramm genutzt wurde, etwa bei Zählprotokollen oder Tages-Kassen berichten. Gleichwohl ist davor zu warnen, Excel oder ein anderes jederzeit ohne Änderungsnachweis überschreibbares Programm zu verwenden. Aber dann gibt es auch Betriebsprüfer die beanstanden, dass es zu viele Stornos gibt bzw. zu viele Generalumkehren. Die meinen, dass die Übersichtlichkeit der Buchführung dadurch gefährdet bzw. zu beanstanden ist, weil es zu viele Stornierungen durch eine Buchführungskraft gab bzw. zu viele Generalumkehrungen. Das irritiert natürlich. Denn die logische Folge der Festschreibung ist natürlich, dass ein Fehler durch eine Generalumkehr berichtigt werden muss. Dies bedeutet dass die falsche Buchung nicht gelöscht werden kann, sondern der gesamte Buchungssatz korrigiert wird in dem er mit umgedrehten Vorzeichen gebucht wird und dann noch einmal der wichtige Buchungssatz gebucht wird. Die Generalumkehr ist dabei eine fachliche korrekte Methode der Stornierung, mit der fehlerhafte Buchungen in der doppelten Buchführung korrigiert werden. Das Storno wird durch das erneute Erfassen des Buchungssatzes mit umgekehrten Vorzeichen durchgeführt. Anschließend wird die Buchung erneut mit den richtigen Daten richtig erfasst. Obwohl es oft möglich ist, das gleiche Ergebnis mit einer Nach- oder Umbuchung vorzunehmen, verbietet sich das nach den Regeln der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, insbesondere dem Grundstz der Bilanzklarheit und Bilanzwahrheit. Die Festschreibung ist daher Ursache für mehr Generalumkehrungen: es werden eben die Fehler der Buchhaltungskräfte auch transparent die natürlich korrigiert werden müssen, da die fehlerhafte Eingabe nicht bestehen bleiben kann. Natürlich ist es normal, dass eine Buchführungskraft sich vertippt oder ein falsches Konto eingeht. Ein paar falsche Nullen vor dem Komma können jedoch nicht einfach stehen bleiben sondern müssen natürlich korrigiert werden.
Fragen hierzu? Ärger mit dem Finanzamt oder der Betriebsprüfung? Die Kasse soll verworfen werden? Steuerfahndung im Haus? Dann rufen Sie jetzt an: 0611-890910: RA Dr. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht. Der Vollprofi bei Betriebsprüfung und Steuerfahndung, Zollstreitigkeiten und Zollfahndung, Selbstanzeige und tax compliance.