Michael schäumt vor Wut. Er ist außer sich. Die Richter vom Landgericht haben ihn verurteilt. Eine leichtfertige Steuerverkürzung soll er begangen haben. Er kocht innerlich. Das verstößt gegen sein Rechtsempfinden. Er fühlt sich unschuldig. Sein Anwalt ist bestimmt eine Niete. Nur wegen seinem Anwalt ist er verurteilt worden. Obwohl – er hat eigentlich ganz gut argumentiert. Auch das Plädoyer war eigentlich überzeugend. Und trotzdem: Er ist außer sich. Das hätte nicht passieren dürfen. Er will nach Hause, sich erst mal betrinken. Doch dann besinnt er sich anders. Da muss es doch eine Revision geben. Er lässt berät sich mit seiner Frau und einigen Freunden: wer kennt den besten Strafverteidiger. Ein paar Tage später sitzt er vor dem besten Strafverteidiger und erläutert sein Problem. Dieser klärt ihn auf:
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen. Der Richter entscheidet aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung, § 261 StPO. das ist die sog. freie Beweiswürdigung: Es obliegt allein dem Tatrichter, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Der Richter ist grundsätzlich nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. das Gesetz enthält keine Vorgabe hinsichtlich des Wertes eines Beweismittels oder eines Beweismaßes, regelt also nicht, unter welchen Voraussetzungen ein Beweis als geführt und wann als nicht geführt werden darf (BGH NJW 1982, 2882). Indessen hat die Rsp. Grundsätze für die Beweiswürdigung aufgestellt. Die Beweiswürdigung ist insbesondere in den Urteilsgründen zu dokumentieren. Sie ist in Grenzen damit auch überprüfbar. Auch absolute und relative Beweisverbote können die Überzeugungsbildung einschränken. Seine Schlussfolgerungen brauchen aber nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Damit würde ein anderer Richter möglicherweise andere Schlüsse gezogen haben, ohne dass dies ein Verfahrensfehler wäre. Richter sind eben auch nur Menschen und von Erfahrungen und Situationen geprägt. Mancher nimmt etwas anders auf oder bewertet es anders – ein anderer würdigt ein Indiz als leicht oder mittelschwer fahrlässig, ein anderer schon als grob fahrlässig, mithin leichtfertig. Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Daher wird die Revision nicht erfolgreich sein, nur weil man anderer Meinung ist oder aber bei denselben Feststellungen in der Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis kommen kann oder gekommen wäre. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (st. Rspr.: vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13; vom 26. April 2012 – 4 StR 599/11, Rn. 9; vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180).
Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13; vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, Rn. 5).
Daran gemessen hält die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat sich ohne einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler – in dubio pro reo – davon überzeugt, dass der Angeklagte wegen seiner Unerfahrenheit nicht erkannt hat, dass es sich um Scheinfirmen gehandelt hat. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat es sich davon überzeugt, dass eine Vielzahl von Anzeichen vorlag, die bei dem Angeklagten den Verdacht hätten wecken können und müssen, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen Firmen nicht um die Leistenden handelte und diese Firmen vielmehr zum Schein in die Rechnungen aufgenommen worden waren. Insoweit hat das Landgericht ohne Rechtsfehler darauf hingewiesen, dass bereits das Verhalten des Zeugen N. für den Angeklagten zahlreiche schwer wiegende Hinweise darauf lieferte, dass es sich bei der A. und der F. nicht um die leistenden Unternehmer, sondern um Scheinfirmen handelte: Obwohl Geschäfte mit fünf- bzw. sechsstelligen Beträgen durchgeführt wurden, bestand N. auf Barzahlungen; der Angeklagte hatte nicht ein einziges Mal Kontakt zu den angeblichen Unternehmensinhabern, sondern für beide Firmen ausschließlich mit dem Zeugen N. oder dessen Vertretern zu tun; es gab keinen Postverkehr, vielmehr wurden alle Rechnungen in den Betriebsräumen der Au. gefertigt oder dort übergeben. Danach wird eine Revision nicht erfolgreich sein. Ggf. hätte man in dem Prozess während der Beweisaufnahme durch Beweisanträge die Sache noch beeinflussen können … Der Anwalt empfiehlt erst einmal fristwahrend Revision einzulegen um dann das Urteil in Ruhe zu lesen … aber zum jetzigen Zeitpunkt kann er dem Verurteilten nur wenig Hoffnung machen: die Beweiswürdigung ist Sache des Gerichts und nur in den gerade eben aufgezeigten engen Grenzen angreifbar. Sollte das Gericht in der Urteilsbegründung keine Begründungslücken oder Widersprüchlichkeiten haben, sich die Begründung als mögliches Ergebnis aus der Hauptverhandlung ableiten lassen, wird die Revision keinen Erfolg haben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 StR 324/14 –).