Wie sinnvoll ist in 2021 noch die offene Ladenkasse?
Mancher Mandant staunt ungläubig, wenn ich berichte, dass die offene Ladenkasse immer noch zulässig ist. Auch in 2021 höre ich manchen fragend: geht die offene Ladenkasse denn immer noch?
Ja, statt der elektronischen Ladenkasse dürfen unverändert auch offene Ladenkassen genutzt werden. Auch in 2021 und auch noch in absehbarer Zukunft.
Ein Verbot der offenen Ladenkasse ist derzeit nicht in Sicht.
Eine Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Ladenkasse besteht soweit ersichtlich auch in den nächsten 10 Jahren nicht. Alle bargeldintensiven Betriebe müssen aber eine Kasse haben, gleichgültig ob eine offene Ladenkasse oder eine geschlossene Ladenkasse.
Ob sie sinnvoll ist, hängt von der Größe des Betriebes und der Struktur ab.
Zunächst könnte man meinen, dass überall dort, wo es kein Strom gibt eine offene Ladenkasse die einzige Möglichkeit ist, eine Kasse einzurichten. Wenn man sich aber in Mitteleuropa einmal die Verkaufsstellen anschaut, fällt es mir schwer vorzustellen, wo es kein Strom gibt: Auf jedem Jahrmarkt, auf jeder Kirmes, jedem Vereinsfest und natürlich auch auf Weihnachtsmärkten und sonstigen großen Jahrmärkten gibt es Strom, notfalls große Generatoren, den Strom erzeugen und viel Licht, Lichterketten, Karussells, Kühltruhen Kühlschränke Zapfanlage und all das wird natürlich mit Strom betrieben.
Selbst mittelalterliche Jahrmärkte und Burgfestspiele haben trotz Pfeil und Bogen, Lanze, Schwert, Lagerfeuer und Pferd natürlich längst Strom und öffentliche Toiletten und Musik aus dem CD Player, der natürlich auch nicht mit Handkurbel betrieben wird.
Also auch da gäbe es Strom für eine elektronische Kasse.
Und wenn das alles nicht funktioniert: Es gibt auch elektronische Kassen mit Batterieeinsätzen. Die Frage, ob man also eine elektronische oder offene Ladenkasse führen möchte, ist viel eher eine unternehmerische Entscheidung, eine strukturelle Entscheidung die weniger von der Technik abhängig ist, als von der Gestaltungsfreiheit und der Organisation des Betriebes.
Nicht zuletzt ist aber auch die Anschaffung einer elektronischen Kasse eine Geldfrage, und man muss sich mit der Kasse und deren Programmierung und Arbeitsweise natürlich auseinandersetzen. Das ist ein kleiner PC, dessen Umgang man natürlich lernen muss und auch das Personal muss diesen lernen.
Es ist also letztendlich Ausfluss der unternehmerischen Freiheit, ob der Unternehmer nun in seinem bargeldintensiven Betrieb sich für eine elektronische Kasse oder eine offene Ladenkasse entscheidet.
Die Finanzverwaltung überlässt jedem Unternehmer die Freiheit der Entscheidung. Aber die Kasse muss korrekt geführt werden und beide Systeme haben ihre Tücken. Zur elektronischen Kasse gehören zwingend die ordnungsgemäße Kassenführung, die Kassenorganisationsunterlagen, die richtigen Einstellungen in der Kasse (auch Trainingskellner und Stornos, fortlaufenden Nummern, keine Lücken, eine Vielzahl ausgedruckter Detaildaten wie Trainingskellner, Stornos und die Trennung der Entgelte), die tatsächliche Zählung was klassischer Weise durch ordnungsgemäße Zählprotokolle nachgewiesen werden darf, Geldtransit Belege, die richtige Aufzeichnung von Entnahmen und Einlagen und ein ordnungsgemäßes Kassenbuch.
Zur offenen Ladenkasse gehört zumindest das Führen von Strichlisten bei größeren Einnahmen oder Einzelaufzeichnungen, je nach Art und Weise des Betriebes, und dann ein retrograde Ermittlung der Tageslosung (Kassenbericht), der beim Auszählen (deswegen ist hier kein Zählprotokoll rechtlich genau genommen erforderlich, wird aber trotzdem sinnvollerweise geführt) anfängt und dann den Anfangsbestand und Privateinlagen abzieht, war verauslagte Einkäufe hinzurechnet, ebenso wie Privatentnahmen hinzurechnet und so zu der Tageslosung, also dem richtigen Tagesumsatz kommt. Das ist dann das, was steuerpflichtige Einnahme ist. Dabei sind genau genommen gegen das Saldierungsverbot verstoßen schon die bar verauslagten Betriebsausgaben abgezogen.
Grundsätzlich kann in einem Betrieb immer nur ein System einheitlich verwandt werden.
Es wäre also unzulässig, neben einer elektronischen Ladenkasse im Betrieb auch noch parallel eine offene Ladenkasse zu führen und dann eben nicht alles in die elektronische Ladenkasse einzutippen. Ein Mischsystem wäre allenfalls dann ausnahmsweise zulässig, wenn dies technisch oder organisatorisch nicht anders sinnvoll zu führen ist: Das Eiscafé mit der elektronischen Ladenkasse innen und der Außerhausverkauf in einem räumlich getrennten Zimmer/Pavillon vor dem Eiscafé oder mit dem fahrbaren Eiswagen; die Brauerei mit Wirtschaft und elektronische Ladenkasse einerseits und dem großen Biergarten ohne Funkbetrieb und Funkverbindung für mobile Geräte, sodass im Biergarten die offene Ladenkasse eingerichtet ist.
Die fehleranfällige und vor allem manipulationsanfällige offene Ladenkasse ist allenfalls für den Kleinstbetrieb, in dem der Inhaber selbst alleine und ausschließlich kassiert, eine mögliche Kasse.
Immer wenn mehr als nur einer in die Kasse greift, ist keiner alleine für die Richtigkeit der Kasse verantwortlich und damit Manipulationen stets möglich.
Wenn irgendetwas fehlt, sagt natürlich derjenige, dass es an ihm nicht liegt: „Ich war es nicht!“, hört man den 1. schon empört sagen. Damit müsste es gedanklich immer am anderen liegen und umgekehrt. Letztendlich kann eine Kasse immer nur dann funktionieren, wenn einer alleine für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Einnahmen verantwortlich ist. Das machen uns die Gastwirte vor, indem dann die Kellner eigene Kellner- Portmonees haben und für die Ablieferung der von ihnen von den Kunden kassierten Entgelte an den Chef angewiesen sind. Da greift auch kein 2. in das Kellner- Portmonee ein. Genauso machen das REWE, Aldi Lidl und Co.: Jede Kassiererin hat ihre eigene Kassenschublade und ist für die Richtigkeit ihrer Kasseneinnahmen allein verantwortlich. Auch hier darf kein 2. in die fremde Kasse eingreifen.
Und bei der offenen Ladenkasse sollen andere Spielregeln gelten und jeder darf da reingreifen und rausnehmen was er will? Das kann nicht wirklich gut gehen.
Erstaunlich ist daher die Einrichtung einer offenen Ladenkasse von der betrieblichen Struktur her, wenn nicht nur einer kassiert. Es sei denn es wäre ein Familienbetrieb und es bleibt sowieso in der Familie. Aber Vorsicht: Auch die Ehefrau, die Tochter, der Schwiegersohn oder auch der Bruder könnten für eigene Zwecke mal in die Kasse greifen. Auch hier gilt der alte kaufmännische Grundsatz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Daher ist die offene Ladenkasse vom System her nur für den Kleinstbetrieb, bei dem nur eine einzige Person kassiert, eigentlich gedanklich möglich.
Die elektronische Ladenkasse wurde doch immerhin zur Kontrolle der Angestellten entworfen. Die sollten tagsüber alles eintippen und abends musste das, was eingetippt war natürlich auch noch drinnen sein, sonst war der Nachweis gebracht, dass die was für sich eingesteckt haben.
Daher ist die Kasse von ihrer Entstehungsgeschichte her kein Kontrollinstrument der Finanzverwaltung, sondern ein Kontrollinstrument des Unternehmers gegen seine Mitarbeiter. Das macht sich lediglich die Finanzverwaltung nur zu eigen und setzt sich bildlich dar hinten drauf auf die Schulter des Unternehmers und guckt auch gegenüber dem Unternehmer kritisch, ob da nicht bei den Einnahmen gemogelt wurde.
Ob also die offene Ladenkasse für Sie und Ihr Unternehmen sinnvoll ist, entscheiden alleine Sie! Ob die offene Ladenkasse richtig geführt wurde, prüft das FA in der nächsten BP bei Ihnen genauso akribisch wie bei einer elektronischen Ladenkasse. Beide haben ihre Tücken und bei beiden kann man teure Fehler machen, die dann zu einer Schätzung führen können.
Fragen dazu? Dann rufen Sie an: Rechtsanwalt Dr. jur. Jörg Burkhard
Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, der Spezialist für streitige Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Betriebsprüfungen, Fahndungsprüfungen, digitale Betriebsprüfung, Kasse, Kassennachschau, Verprobungen aller Art, Tax Compliance, Selbstanzeige
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