Betriebsprüfung: Unterlassen der Schlussbesprechung
Was sagt das Gesetz?
„§ 201 AO Schlussbesprechung
- Über das Ergebnis der Außenprüfung ist eine Besprechung abzuhalten (Schlussbesprechung). Es sei denn, dass sich nach dem Ergebnis der Außenprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt oder dass der Steuerpflichtige auf die Besprechung verzichtet. Bei der Schlussbesprechung sind insbesondere strittige Sachverhalte sowie die rechtliche Beurteilung der Prüfungsfeststellungen und ihre steuerlichen Auswirkungen zu erörtern.
- Besteht die Möglichkeit, dass auf Grund der Prüfungsfeststellungen ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden? Dann muss, soll der Steuerpflichtige darauf hingewiesen werden, dass die straf- oder bußgeldrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt.“
Danach ist die Sache eindeutig. Eine Schlussbesprechung muss zwingend abgehalten werden, wenn es zu Mehrergebnissen kommt und der Steuerpflichtige nicht auf eine Schlussbesprechung verzichtet.
In einem Schreiben eines Betriebsprüfers des Finanzamtes Donauwörth als es beispielsweise insoweit wörtlich:
Dabei ist es natürlich immer möglich, dass ein vom Finanzamt diktiert der Termin nicht passt.
Machtdemonstration, über Unterordnung und faires Verfahren passen insoweit nicht immer zueinander.
Aber auch lange im Vorhinein abgesprochenen Termine können verlegt werden. Etwa wenn einer der Besprechungsteilnehmer kurzfristig vorher erkrankt oder aus anderen Gründen verhindert ist.
Dann gibt es aber noch eine ganz andere Problematik bei den unterlassenen Schlussbesprechung:
- Nie hat der Steuerpflichtige oder der Berater gesagt, er würde auf die Schlussbesprechung verzichten. Gleichwohl kommt dann ein BP Bericht mit der Behauptung, es sei auf die Schlussbesprechung verzichtet worden.
- Der weitere Zusatz, dass im Vorfeld auch nicht der BP Bericht zur Stellungnahme angefordert worden wäre bei der Steuerberater dies nicht beantragt habe, zeigt dann dem Steuerpflichtigen, dass der Bericht sogleich zur Auswertung an den Bezirk weitergegeben wurde.
- Wenn dann Steuerpflichtige und Berater gleichsam schwören, dass sie niemals auf die Schlussbesprechung verzichtet hätten, verwundern solche Behauptungen in den BP Bericht im Abspann dann schon.
Das führt aber auch zu der Frage, wie eine Schlussbesprechung durchzuführen ist.
Der normale Ablauf der Dinge wäre eine Betriebsprüfung mit Zwischenbesprechung und Prüfungsanfragen, der vernünftigen Klärung.
Gleichwohl geht es natürlich in der Schlussbesprechung um die Aufklärung des Sachverhaltes und die korrekte steuerliche Würdigung.
Diese Einsichts-Überzeugung-und Akzeptanzfunktionen sind wichtige Teile am Ende der Betriebsprüfung.
Natürlich hat der Steuerpflichtige auch keinen Rechtsanspruch auf einen Deal.
- Natürlich müssen die Prüfer heute im Durchschnitt 1,4 Millionen EUR pro Prüfer erwirtschaften.
- Wenn ein Prüfer da mal etwas hinterherhinkt, wird dies nicht gleich ein Drama sein.
- Wenn der Prüfer aber nur 600.000 EUR mehr Ergebnis in einem Jahr hat, wird es sicherlich bei dem Hauptsachgebietsleiter ein Personalgespräch führen dürfen. Der Hauptsachgebietsleiter wird ganz fürsorglich fragen, woran dies denn liegen würde und ob denn der Prüfer tatsächlich sich richtig aufgehoben fühlen würde in der BP.
- All diejenigen, die dann unverändert in der BP bleiben wollen, werden dann darauf achten, dass sie künftig ein höheres Mehrergebnis erzielen werden.
- Und natürlich weiß jeder Prüfer, wo er steht und wo seine Kollegen stehen.
- Der Kollege oder die Kollegin, die ein zu hohes Mehrergebnis hereinholt, wird natürlich auch nicht beliebt sein, da sie die Messlatte für die anderen als einholbare Mehrergebnisse natürlich heraufschraubt.
- Die fleißige Kollegin, die also 2,2 Millionen mehr Ergebnis im Jahr hat, ist also in dieser Hinsicht ein Kameradenschwein, da sie den anderen mehr Stress verursacht, da diese dann auch ähnliche Zahlen liefern müssen.
- Und der Kollege oder die Kollegin, die lediglich 600.000 oder 700.000 EUR hereinholt, wird natürlich auch nicht gleich gefeuert, bzw. strafversetzt, wird aber ein entsprechendes Personalgespräch erhalten und dann zur Bewährung weitere 3 oder 4 Monate Zeit bekommen und zeigen, dass auch sie Mehrergebnisse hereinholen kann.
Wenn diesen Druck also berücksichtigt, versteht man vielleicht schnell, dass ein Betriebsprüfer keine Lust auf eine Schlussbesprechung hat, da da sein mehr Ergebnis sowieso nur heruntergeredet wird.
Letztendlich hat der Betriebsprüfer (fast) gar kein Interesse, sein gefundenes Ergebnis in der Schlussbesprechung zu reduzieren. Der Betriebsprüfer ist in der Veranlagungen BP den Fall los.
Die schönen Mehrergebnisse werden kleingeredet.
Und letztendlich: Warum sollte bei einem Mehrergebnis von 100.000, 300.000 oder 500.000 EUR oder gar noch mehr der Steuerpflichtige nicht einen oder mehrere Tage Anspruch haben, die Sache mit dem Finanzamt ausführlich zu erörtern?
- Wer sagt denn, dass die Schlussbesprechung in einem Termin stattfinden muss und nicht über mehrere Tage gehen kann?
- Meist sind so hohe Nachzahlungen existenzgefährdend oder verändern jedenfalls nachhaltig das bislang aufgebaute Vermögen und die Altersabsicherung.
- Warum muss der Steuerpflichtige dies ohne Schlussbesprechung oder in einer Pseudo- Schlussbesprechung von 10 oder 15 Minuten akzeptieren und verstehen?
- Warum darf nicht auch er nach einer monate- oder jahrelangen Prüfung jetzt endlich seine Position darlegen?
- Und die Punkte des Betriebsprüfers infrage stellen oder widerlegen?
- Warum hat die BP Vordrucke für alles und jedes? Aber keine Vordrucke für die angebliche Verzichtserklärung hinsichtlich der Schlussbesprechung.
- Warum wird der angebliche Verzicht immer nur ohne Daten und klare Fakten und ohne Nachweise behauptet?
- Warum ist die BP nicht darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass und wann jemand auf die Schlussbesprechung verzichtet hat?
- Und warum führt der gelogene angebliche Verzicht auf die Schlussbesprechung nicht zu Verfahrenshindernissen und Verwertungsverboten?
- Ist die Anordnung des Gesetzgebers nicht klar genug gewesen?
- Bedeutet nicht „ist abzuhalten“ dass die Schlussbesprechung durchgeführt werden muss?
- Kann man wirklich zwischen ernst zunehmenden Gesetzen und bloß formalen Verpflichtungen unterscheiden?
- Und ist die Pflicht zur Durchführung der Schlussbesprechung bloß eine formale Verpflichtung, deren Verletzung unerheblich ist?
- Solche Gedanken provozieren natürlich auch die Rückfrage, ob die Verpflichtung, Steuererklärung abzugeben, nicht genauso bloß eine formale Ordnungsvorschrift ist?
- Und ist die rote Ampel an der Straßenkreuzung nicht auch bloß eine formale Ordnungsvorschrift?
Wenn wir Normen so differenzieren in zu beachtende, ernst gemeint Gesetze und nicht zu beachtende bloße formale Ordnungsvorschriften? - Wo kommen wir da hin?
- Wer hat das Recht zu behaupten, ein Gesetz sei Ernstzunehmen und das andere sei eine bloße Ordnungsvorschrift?
- Haben alle Behörden und Bürger die Pflicht, die Gesetze zu beachten? Natürlich verlangt der Gesetzgeber das.
Lassen Sie uns mal sehen, was der BFH aus der unterlassenen Schlussbesprechung in dem nachfolgenden Beschluss vom 15.12.1997 dogmatisch macht:
- In dem Beschl. v. 15.12.1997, Az.: X B 182/96 heißt es wie folgt wörtlich:„Zwar kann nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.1972, VIII R 108/72 (BFHE 109, 1, BStBl II 1973, 542) eine Schlußbesprechung nur dann entfallen, wenn keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen und der Steuerbescheide zu erwarten ist oder der Steuerpflichtige auf eine Schlußbesprechung ausdrücklich verzichtet. Denn es besteht ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer Schlußbesprechung (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1987 I R 66/84, BFH/NV 1988, 319, unter 6.). Damit ist indes nichts darüber ausgesagt, welche verfahrensrechtlichen Folgerungen unter der Geltung der AO 1977 (vgl. §201 Abs. 1) daraus zu ziehen sind, daß eine Schlußbesprechung nicht stattfindet. In dieser Hinsicht hat das FG keinen von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtssatz aufgestellt.
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Der BFH hat mit Urteil vom 24. Mai 1989 I R 85/85 (BFH/NV 1990, 273; zustimmend BFH-Beschluß vom 26. Juni 1997 XI B 174/96, BFH/NV 1998, 17) entschieden, daß das Unterlassen einer Schlußbesprechung „nicht ohne weiteres“ zur Fehlerhaftigkeit der aufgrund der Außenprüfung erlassenen Steuerbescheide führt. In keinem Fall, so der I. Senat des BFH, hängt die Verwertung der in der Betriebsprüfung ermittelten Tatsachen vom Abhalten einer Schlußbesprechung ab. Dies steht im Ergebnis in Einklang mit der Auffassung, daß die fehlende Durchführung einer Schlußbesprechung nach §126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO 1977 unbeachtlich ist (so FG Berlin, Urteil vom 22. April 1996 VIII 392/94, Entscheidungen der Finanzgerichte — EFG — 1997, 90; FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 30. Januar 1997 6 V 1/96, EFG 1997, 779; Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, §201 AO 1977 Tz. 1; zweifelnd FG München, Beschluß vom 2. Mai 1995 1 V 4197/92, EFG 1995, 867).
Quelle: BFH, Beschl. v. 15.12.1997, Az.: X B 182/96.
Diese Reduktion der Schlussbesprechung auf die Gewährung rechtlichen Gehörs lässt die anderen Funktionen der Schlussbesprechung außer acht.
- Sind die Gerichte nicht für die Bürger da, um Übergriffe der Verwaltung zu begrenzen?
- Und was ist mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz: „Sollen die Gerichte nicht die Verwaltung kontrollieren und in die Schranken verweisen?“
Fragen über Fragen, die ich nicht oder nicht abschließend beantworten kann.
Eine Idee wäre es natürlich auch, die Abhaltung einer ordnungsgemäßen Schlussbesprechung einzuklagen als allgemeine Leistungsklage vor dem FG. Wenn diese wieder mal rechtswidrig entfällt. Vielleicht verbunden mit einer Nichtkeitsfeststellungsklage Hinsichtlich der dann umbesprochenen Mehrergebnisse aus dem BP-Bericht. Nach der bisherigen Meinung des BFH müsste eine solche Klage unzulässig oder jedenfalls unbegründet sein. Aber es steht doch im Geset.“ist abzuhalten“ Was gilt denn nun: Gesetz oder BFH-Meinung?