Negativkalkulation
Die Negativkalkulation ist eine Schätzungsmethode des Finanzamts (Betriebsprüfung, Steuerfahdnungsprüfung) und basiert auf der Ausbeutekalkulation. Es muss also erst mal die Buchführung verworfen werden, § 158 AO, um die Tür zur Schätzung nach § 162 AO zu öffnen. Die Behörde hat einen Ermessensspielraum, welche Schätzungsbehörde sie anwendet. Es muss die Methode angewandt werden, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zum richtigsten Ergebnis kommt (nicht zum höchsten Zuschätzungsergebnis für ie Verwaltung). Achten SIe bei der Akteneinsicht in das Fallheft auf die Aktenvermerke, die zeigen, dass und wie die Ermessensauswahl nach § 5 AO erkannt und ausgeübt wurde.
Die Negativkalkulation (=Rückwärtskalkulation) baut auf der Aufschlagkalkulation auf
Die Negativkalkulation baut auf dem Prinzip der Aufschlagkalkulation auf und wird auch Rückwärtskalkulation genannt. Bei der Aufschlagkalkulation wird der Wareneinkauf reduziert um Bruch, Schwund, Verderb, Diebstahl usw. und genau genommen auch um Nachlässigkeiten durch den Faktor Mensch und so der Wareneinsatz errechnet. Dieser multipliziert mit dem Rohgewinnaufschlagsatz ergibt den Umsatz. Oder der Wareneinsatz im Verhältnis zu dem Umsatz ergibt den Rohgewinnaufschlagsatz.
Was ist eigentlich so üblich beim Rohgewinnaufschlagsatz?
Bei den Speisen ist meist ein Rohgewinnaufschlagsatz um 200-300 % normal, bei den Getränken ein Rohgewinnaufschlagsatz meist um 300-450 %. Im Durchschnitt liegt dann der Rohgewinnaufschlagsatz bei den meisten Speiselokal zwischen 220-300 % (Stand etwa 2023).
Verhältnisrechnung rückwärts
Nun lässt sich diese Verhältnisrechnung auch rückwärts durchführen, eben eine Negativkalkulation aufbauen. Wenn alle Parameter richtig berechnet sind, müssten die Speisen in einem vernünftigen Verhältnis zu den Getränken stehen, meist also etwa 70 zu 30, d. h. der Erlösanteil bei den Speisen liegt bei 70 % oder etwas darüber (72-74 %) und der Getränke anteilig bei rund 30 % (respektive 26-28 %) der Erlöse. Die Faustformel, dass also Speisen zu Getränken etwa im Verhältnis 70 zu 30 stehen, wird hier mit angenommen bzw. das exakte Verteilungsverhältnis aus der Kasse abgelesen.
Meist werden nur die Getränke kalkuliert
Bei der Negativkalkulation oder Rückwärtskalkulation werden nun beispielsweise die Getränke kalkuliert. Man nimmt dabei einen betriebsbezogenen Hauptumsatzträger (etwa das Mehl bei der Pizzeria, beim Steakhaus der Fleischeinkauf oder beim Dönerimbiss die gekauften Dönerspieße, bei der Eisdiele der Zucker oder beim Eiscafé der Kaffeeeinkauf oder allgemein in der Gastronomie den Getränkeeinkauf) oder Indikatorprodukte (das sind bestimmte teure und deshalb zweckgerichtet verwendete Zuschlagstoffe etwa beim Teig in Bäckereien oder Farbe setzt bei den Friseuren oder Kondome im Bordellbetrieb oder Platinen bei der Herstellung bestimmter elektronischer Bauteile usw.) und kalkuliert diese.
Ein Jahr Kalkulation im Regelfall nicht repräsentativ
Auf das Problem, dass meist drei oder mehr Jahre in der Betriebsprüfung oder Fahndungsprüfung geprüft werden und dann im Regelfall nur ein Jahr kalkuliert wird, und somit dieses gar nicht repräsentativ ist, erst recht nicht wenn sich Speisekarten geändert haben, das Konzept geändert hat oder auch die Einkaufspreise sich geändert haben, will ich hier nur am Rande hinweisen.
Umrechnung Wareneinkauf auf Wareneinsatz
Es muss also der Wareneinkauf auf den Wareneinsatz umgerechnet werden. Denn natürlich steht nicht der gesamte Einkauf den Gästen zur Verfügung. Der Einkauf muss also bereinigt werden. Also beispielsweise in der allgemeinen Gastronomie Getränkeeinkauf (vielleicht speziell Bier) abzüglich Bruch, Schwund, Verderb, Diebstahl, Eigenverbrauch, Mitarbeiterverköstigung und gegebenenfalls Schlendrian durch Menschenhand und multipliziert dies mit dem Rohgewinnaufschlagsatz für diese Produktgruppe. Den hieraus sich ergebenden erwarteten Getränkeumsatz zieht man von dem Gesamtumsatz ab. Die verbleibende Differenz müsste das Verhältnis 30 zu 70 widerspiegeln. Unterschreitet sie dieses Verhältnis, scheinen nicht alle Speisen gebucht zu sein oder es kommt ein Missverhältnis zwischen Speisen zu Getränken dabei heraus, was bei einem normalen Speiserestaurant nicht zu erwarten ist.
Beispiel:
Erklärter Umsatz 500.000 €
Wareneinsatz zu 19 % (Getränke = 800.000 €)
Rohgewinnaufschlagsatz bei Getränken 380 %
wirtschaftlicher Getränkeumsatz = 100.000 € × 480 % =) 384.000 Euro
restliche Umsatz für Speisen:116.000 €, Wareneinsatz 7 % (Speisen = 160.000 €)
erwarteter wirtschaftlicher Umsatz für Speisen: 160.000 € × 220 % = 512.000 €
stattdessen lediglich erklärt: 116.000 €: Fehl-Differenz bei Speisen: 512.000 € -116.000 € = 396.000 €
insgesamt erwarteter wirtschaftlicher Umsatz: 384.000 € + 512.000 € = 896.000 €
Fehl-Differenz: 896.000 € -500.000 € = 396.000 €
Die Crux an dieser Überlegungen
Die Crux an dieser These ist natürlich, dass keineswegs nun hier (erwarteter wirtschaftlicher Speiseumsatz 512.000 € -116.000 € =) 396.000 € tatsächlich bei den Speisen fehlen. Genauso gut können auch Getränke fehlen oder beides.
Verhältnis von Getränken zu Speisen
Die Unschlüssigkeit der erklärten Umsätze lässt sich auch durch das Verhältnis von Getränken zu Speisen hier berechnen:
Durchschnittlicher Getränkeumsatz: 3,50 € pro Getränk = 384.000 €/3,50 € = 109.714
durchschnittlicher Speiseumsatz: (500.000 € -384.000 € =) 116.000 €/Durchschnittspreis Essen (z.B. 14 Euro) = 8.285 Essen.
Damit ergeben sich folgende Verteilung von Speisen zu Getränken: 8285:109.714 = 1: 13
Dies bedeutet, dass auf ein Essen 13 Getränke kämen. Dies wäre eine nicht ganz realistische Verteilung von Speisen zu Getränken. Typischerweise werden Restaurants 1 bis 2, höchstens drei Getränke zu einem Essen konsumiert. Nicht aber 13 Getränke. Das wäre ein Verhältnis zulasten der Getränke eher in einer Bierkneipe oder einem Getränkekiosk oder einer Trinkhalle
dogmatisches Problem bei diesem Ansatz
Das dogmatische Problem liegt natürlich daran, dass man hier zuerst den erwarteten wirtschaftlichen Umsatz der Getränke berechnet hat und diesen von dem erklärten Umsatz abgezogen hat und dann der Rest nur noch für die Speisen bleibt. Hätte man umgekehrt angefangen und den erwarteten wirtschaftlichen Umsatz für die Speisen berechnet und erklärten Umsatz abgezogen, bliebe dann zu wenig für die Getränke übrig.
Entlarvung des Hinterziehers?
Dies alles bedeutet jedoch nicht, dass wir hier einen Hinterzieher entlarvt haben. Und selbst wenn die Relationen definitiv nicht stimmen, wissen wir noch nicht, ob dies an einem besonderen Schwund, an einem Schlendrian oder an einem Diebstahl einzelner Mitarbeiter oder eine Hinterziehungen einzelne Mitarbeiter liegt. Wir haben hier nur ermittelt, dass irgendetwas nicht stimmt. D. h. aber noch lange nicht, dass etwas hinterzogen wurde und erst recht nicht, dass dies der Unternehmer war. Sehr eigenständige Mitarbeiter, die sich selbst und ihre Freunde und ihre Stammgäste gut bewirten, könnten genauso gut die Ursache sein. Eine solche Erkenntnis zeigt lediglich, dass der Gastronom seinen Betrieb nicht im Griff hat und viel Ware offenbar unkontrolliert und ohne offizielle Abkassierung herausgibt. Eine Hinterziehung durch den Inhaber ist noch lange nicht damit bewiesen. Veruntreuungen durch Mitarbeiter oder einfach nur ein Schlendrian im Umgang mit der Ware des Gastronomen könnte genauso gut die Erklärung sein.
Betriebswirtschaftlicher Aspekt
Betriebswirtschaftlich sind wir weit weg von einer 100-prozentigen Ausbeute aus dem Wareneinsatz. Eine Berechtigung zur Schätzung oder ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht im Sinne des § 152 StPO lässt sich daraus nicht rekrutieren. Dafür hält es übrigens keiner Rückwärtskalkulation bedurft. Auch mit einer einfachen Auftragskalkulation wäre hier festgestellt worden, dass die Rohgewinnaufschlagsatz entweder für Getränke oder Speisen oder beides zu gering sind. Auch dies hätte nicht erklärt, ob hier jemand hinterzogen hat und wenn ja wäre.
Folgen Probleme bestehen hier bei der Negativkalkulation:
Außer-Hausverkauf
Gibt es hier einen Außer- Hausverkauf? Bei einem außer Hausverkauf gibt es keine logischen Verbindungen zwischen Getränke und Speisen. Meist werden beim außer Hausverkauf nur Speisen bestellt und gekauft. Manchmal gibt es ein Getränk (eine Flasche Cola oder eine Flasche Wein) gratis dazu. Ein außer Hausverkauf verfälscht daher schnell die Relationen zwischen Speisen und Getränken. Ist der außer Hausverkauf völlig untergeordnet, wird das Verteilungsverhältnis kaum beeinflusst. Ist der außer Hausverkauf indes erheblich, nimmt er Einfluss auf die Getränke-Speisen Relationen.
Mehrere Betriebsstätten
Bei mehreren Betriebsstätten: Wurde die Kalkulation für jede einzelne Betriebsstätte getrennt durchgeführt? Die Vermengung der Kennzahlen aus verschiedenen Betriebsstätten (Lokalen) mit unterschiedlichen Betriebsbedingungen führt zu Fehlern in der Kalkulation.
Richtige Berechnung des Rohgewinnaufschlags?
Wurde der Rohgewinnaufschlagssatz richtig ermittelt und richtig berechnet?
Wareneinkauf richtig ermittelt, auf Wareneinsatz richtig umgerechnet?
Ist der Wareneinkauf richtig ermittelt und die um Richtung zum Wareneinsatz richtig berechnet? (Wareneinsatz = Warenanfangsbestand plus Zukauf minus Bruch, Schwund, Diebstahl, Faktor Mensch, Rücklieferungen, Mitarbeiterverzehr, Eigenverbrauch, Experimente, Jahresendbestand)
30 zu 70?
Kann der 30 zu 70 Grundsatz angewendet werden oder finden viele außer Hausverkäufe statt? Ist der richtige Prozentsatz bei der Verteilung von Speisenerlösen zu Getränkeerlösen aus der Kasse ermittelt?
Schlemmer-Block?
Schlemmerblock – Aktionen drücken den wirtschaftlichen Umsatz und beeinflussen die Kalkulation ebenfalls negativ.
Werbeaktionen?
Werbe-Aktionen und Neu-Eröffnungsaktionen verfälschen den wirtschaftlichen Umsatz und beeinflussen die Kalkulation ebenfalls.
All you can eat, brunch
Sonderveranstaltungen wie all you can eat oder all you can drink, Brunch, Buffet, Ladys Night, Schnitzel- oder Pizza-Tage, zwei für eins und ähnliches mehr beeinflussen das Kalkulationsergebnis ebenfalls und machen die Negativkalkulation nahezu unanwendbar.
Über-Ausschank? Faktor Mensch?
Über-Ausschank oder Gratis-Zuschläge bei Zulagen beim Essen verfälschen ebenfalls die Ausbeutekalkulation und machen die Negativkalkulation ebenfalls nahezu unanwendbar. Der Faktor Mensch durch einen Schlendrian oder gut gemeinte Gratis Ausgaben oder über Ausgaben oder kostenfreien Nachschläge verfälschen das Bild.
Probleme mit der Negativkalkulation?
Probleme mit der BP? Ärger mit dem Finanzamt? Probleme mit der Negativkalkulation (Rückwärtskalkulation)? Dann fragen Sie den top-Spezialisten im streitigen Steuerrecht und Steuerstrafrecht: RA Dr. Jörg Burkhard: Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, der Spezialist bei streitigen Betriebsprüfungen, Steuerfahndungsprüfung, allen Prüfungsmethoden, Kasse, Selbstanzeige, Tax Compliance: Tel: 069-870 05 100 oder 0611-890 910.