Was bedeutet es eigentlich, wenn Urteile oder Beschlüsse des BFH im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht werden?
Es gibt so viele Zeitschriften, in denen Urteile im Steuerrecht veröffentlicht werden. Der BFH hat eine eigene amtlichen Entscheidungssammlung, die heißt BFHE und darüber hinaus veröffentlicht er die nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichungswürdige Urteile und Beschlüsse in der Entscheidungssammlung in der BFH/NV.
Darüber hinaus werden BFH-Entscheidungen im Betriebsberater (BB) in der Steuerberatung (Stbg) in der Zeitschrift für deutsche Steuerrecht (DStR), in der HFR, in der DStZ, der Inf, der wistra, der NJW, der StB, der ZAP, der WM, der ZHR, der WPg, dem StV, der StraFo, der EFG, der ZfZ, dem DB, der IStR, der StBp und zahlreichen Zeitschriften Woche für Woche, Monat für Monat veröffentlicht. Mal werden die Entscheidungen im Volltext, mal in den Leitsätzen veröffentlicht, wobei die Leitsätze nicht vom Gericht im Urteil stehen, sondern als Kernsätze von Autoren den Urteilen vorangestellt werden, also ein nicht amtlicher Entscheidungstext sind. Mal werden die Entscheidungen kommentiert, mal unkommentiert abgedruckt.
Was hat das also nun mit der zusätzlichen Veröffentlichung im Bundessteuerblatt II auf sich und was ist eigentlich das Bundessteuerblatt I?
Das Bundessteuerblatt (BStBl) wird vom deutschen Bundesministerium der Finanzen herausgegeben. Es erscheint seit 1951 im Stollfuß-Verlag, Bonn.
Es gliedert sich heute in:
- Teil I – Steuerliche Rechtsvorschriften und Verwaltungsanweisungen des Bundesministeriums der Finanzen und der obersten Finanzbehörden der Länder
- Teil II – Vom Bundesfinanzminister ausgewählte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs.
Von 1951 bis 1967 waren die steuerlichen Rechtsvorschriften und Verwaltungsvorschriften des Bundes in Teil I, die der Länder in Teil II und die zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs in Teil III veröffentlicht (vgl. BStBl I 1951, 1).
Durch die Veröffentlichung dieser Urteile bzw. Beschlüsse des BFH im BStBl Teil II, werden damit die nachgeordneten Finanzämter durch das BMF angewiesen, diese Entscheidungen auch in vergleichbaren Fällen anzuwenden. Dies ist deshalb wichtig, weil die im Verfahren vor dem BFH ergangenen Urteile grundsätzlich nur die Parteien des konkreten Rechtsstreits binden (§ 110 FGO). Mit der Veröffentlichung zeigt also das BMF an, dass es die Entscheidung für zutreffend hält und die Grundsätze angewendet sehen möchte. Teilweise übernimmt sogar das BMF Entscheidungssätze des BFH in seine Richtlinien auf und zitiert den BFH. Die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 14.1.2005 (FG-2032/1 A – St 332, FR 2005, 223, LEXinform 0579030) nimmt zur Anwendung von BFH-Entscheidungen durch die Finanzverwaltung Stellung. Danach werden die zur Veröffentlichung im BStBl Teil II vorgesehenen BFH-Entscheidungen vorab auf den Internet-Seiten des BMF veröffentlicht. Die zum Abdruck im BStBl II bestimmten BFH-Entscheidungen sind damit bereits ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung im Internet allgemein anzuwenden.
Streit kann natürlich darüber entstehen, ob der konkrete Fall tatsächlich mit dem vom BFH entschiedenen Fall vergleichbar ist oder inwieweit die Unterschiede der Fälle nicht auch eine unterschiedliche rechtliche Behandlung erforderlich machen.
Und meistens sind die (angeblich) vergleichbaren Fälle natürlich nicht exakt identisch. Es liegt also im Auge des Betrachters, ob die Kernsituation vergleichbar ist oder nicht bzw. ob Unterschiede im Randgeschehen hier eine andere Entscheidung ermöglichen oder gar erfordern.
So gesehen sind 2 identische Fälle, von denen der eine bereits durch den BFH entschieden wurde, relativ selten. Viel häufiger sind nur ungefähr passende Fälle und dann ist es eben die spannende Rechtsfrage, inwieweit die Fälle dann eben strukturell gleich sind und die Rechtssätze und Kernsätzen des bereits entschiedenen Fall auf den vorliegenden Fall tatsächlich passen und der BFH bei seiner bislang entschiedenen Linie bleibt oder nicht. Immerhin ist das Recht nichts Statisches und so gesehen bestehen die Chancen und Risiken, dass der BFH seine Meinung auch ändert.
Gerade bei älteren Entscheidungen kann man natürlich davon ausgehen, dass die Richterbank komplett mittlerweile ausgewechselt ist und daher andere Berichte vielleicht auch eine andere Einstellung oder eine andere Rechtsauslegung bevorzugen. Recht wandelt sich. Das macht auch durchaus Sinn, da sich unsere Gesellschaft ebenso wandelt und wir natürlich auch alle nicht bei unserem Wissensstand von damals hängen bleiben wollen, sondern natürlich uns auch fort- und weiterbilden und natürlich auch trotz aller Konventionen und Sicherheiten, die ein beständiges Recht gibt, auch neue Errungenschaften und neue Ergebnisse wünschen.
Als einen sog. Nichtanwendungserlass wird ein Schreiben des BMF bezeichnet, das im BStBl Teil I veröffentlicht wird. Damit werden die Finanzbehörden angewiesen, die enthaltenen Grundsätze einer bestimmten, gleichzeitig im BStBl II veröffentlichten Entscheidung des BFH, nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Dem BMF passt also eine Entscheidung nicht und er will sie natürlich verändern – über die einzelne Entscheidung hinaus – da ist er natürlich gebunden – nicht auf andere vergleichbare Fälle anlog anwenden.
Die alte rechtskräftig entschiedene Entscheidung kann er natürlich ändern wegen der Rechtskrafterschöpfung. Aber ein für falsch gehaltenes Urteil soll natürlich nicht künftig auf andere vergleichbare Fälle angewandt werden, sondern hier will das BMF nach seiner Auslegung richtig entscheiden und stellt dann den betreffenden Steuerpflichtigen anheim, hier vor das Finanzgericht zu ziehen und hier dann je nach Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens vor dem BFH zu ziehen oder selbst über die Nichtzulassungsbeschwerde die Sache dem BFH erneut vorzulegen in der Hoffnung, dass der BFH nunmehr anders entscheidet.
Vor dem Hintergrund der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz ist dies nicht unproblematisch. Denn nach Art. 20 Abs. 3 GG ist auch die Finanzverwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Art. 20 Abs. 3 GG lautet wie folgt: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Art. 20 Abs. 3 GG ist die „Kernvorschrift“ zum Rechtsstaatsprinzip. Liest man noch Art. 1 Abs. 1 GG hinzu, der wie folgt lautet: „Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“, ist die bewusste Abkehr von einer höchstrichterlichen Entscheidung bei aller Freude über liberalistisches, freiheitliches und kritisches Denken schon eine offene Demonstration gegen die Bindung an Recht und Gesetz. Denn die Bindung erfolgt auch für die Verwaltung nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht, worunter natürlich auch das Richterrecht fällt, gleichgültig, ob es dem BMF passt oder nicht.
Ohne dass ich das hier groß erläutern muss, können Sie sich sicher denken, dass dies meist Entscheidungen sind, die nicht günstig für das BMF, sondern eher günstig für die Steuerpflichtigen sind.
Diese Nichtanwendungserlasse binden allerdings nur die nachgeordneten Finanzverwaltung, nicht aber die Steuerpflichtigen und die Gerichte. Diese können also auf die BFH-Rechtsprechung verweisen und die Gerichte sind insoweit frei, abweichend zu entscheiden oder aber sich der Auffassung des BFH anzuschließen. Im Falle der Abweichung müssen allerdings die Finanzgerichte wegen der Divergenz zu der BFH-Entscheidung die Revision zulassen. Falls das Finanzgericht die Revision nicht zulassen würde, ist das natürlich im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler zu rügen und der BFH würde hieraufhin die Revision zulassen oder selbst durchentscheiden oder das finanzgerichtliche Urteil aufheben, das Finanzgericht anweisen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH erneut die Sache zu entscheiden, § 115 FGO. Die Gründe für die Zulassung der Revision wurden durch das 2. FGO-ÄndG ab 2001 in Abs. 2 abschließend neu formuliert. Während Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung) und Nr. 3 (Verfahrensmangel) der bisherigen Regelung entsprechen, wurde der zweite Zulassungsgrund – bisher Abweichung (Divergenz) von Entscheidungen des BFH, des GmS-OGB und des BVerfG – neu gefasst. Die Zulassung der Revision ist danach auch zur Rechtsfortbildung und Sicherung der Rechtsprechungseinheit geboten. Viel geändert oder gar verbessert hat sich damit nicht. Die Zulassung der Revision ist damit ausschließlich von der richterlichen Entscheidung abhängig. Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (Nr. 2 Alt. 1) wurde schon bisher als Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung (Nr. 1) angesehen. Von dem neuen Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit (Nr. 2 Alt. 2) wird zum einen die bisher schon unter Nr. 2 a. F. geregelte Divergenzrevision erfasst. Zum anderen ermöglicht Nr. 2 n. F. darüber hinaus nunmehr auch die Revisionszulassung in schwerwiegenden Fällen unzutreffender Rechtsanwendung (sog. qualifizierter Rechtsfehler). Damit wird der Weg bei solchen Abweichungen von einer BFH-Rechtsprechung über die Divergenz bzw. durch die entsprechende Neuformulierung „zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ eröffnet.
Dabei hat die Finanzverwaltung natürlich noch ganz andere Möglichkeiten, ein unliebsames Urteil bzw. eine ungewollte Auslegung einer Norm loszuwerden: Sie braucht nur über die parlamentarische Ebene eine Gesetzesänderung durchzusetzen und schon ist aufgrund der geänderten Rechtslage die alte Rechtsprechung (aus Sicht der Finanzverwaltung hoffentlich oder vermutlich) nicht mehr anwendbar und damit auch das ungeliebte Urteil des BFH.
In der Nichtanwendung erlassen formuliert, dann das BMF, dass dem BFH erneut Gelegenheit gegeben werden soll, seine Rechtsauffassung erneut zu prüfen.
Das Bundesfinanzministerium tritt diesen Verfahren dann regelmäßig bei, um selbst seinen Rechtsstandpunkt deutlich zu machen. Es geht hier natürlich nicht um den Einzelfall, sondern um grundsätzliche Betrachtungen und Auslegungen – die in der Masse vielleicht aber viel Geld bedeuten können. Für den Fall, dass der BFH bei seiner Rechtsauffassung bleibt, wird dann in der Regel der Nichtanwendungserlass aufgehoben – oder politisch versucht, ein anderes Gesetz zu schaffen.
Vergleichbare Nichtanwendungserlasse werden bei für Steuerpflichtige unliebsamen Urteilen seitens der Steuerberaterkammer nicht veröffentlicht.
Wenn wir aber über Veröffentlichungen sprechen hier noch ein wichtiger Aspekt: Aus der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II folgt, dass das BMF einen Rechtsgedanken aus einer Entscheidung angewandt sehen möchte. Daraus entwickelt sich aber eine Verwaltungspraxis und daran sind die Behörden gebunden – aber auch die Gerichte, da über Art 3 I GG die gleichbleibende Verwaltungspraxis im Sinne einer antizipierten Verwaltungsvorschrift im Interesse der Gleichbehandlung der Vielzahl der Steuerfälle ist. Dies ist Ausfluss des Gedankens der Steuergerechtigkeit und der gleichmäßigen Gesetzesanwendung. Über Art 3 I GG folgt also die Verpflichtung für die Verwaltung und die Gerichte, Erlasse und Anweisungen aber auch sonst angewandte Urteile auch zugunsten des Steuerpflichtigen anzuwenden. Eine Verpflichtung Erlasse und Verwaltungsanweisungen zum Nachteil des Steuerpflichtigen anzuwenden, folgt umgekehrt jedenfalls für die Gerichte nicht aus Art 3 I GG.
Die Mehrzahl der Entscheidungen des BFH wird nicht zur amtlichen Veröffentlichung in BFHE freigegeben. Dies wird damit begründet, dass viele Entscheidungen keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen oder grundsätzlichen Aussagen enthalten. Auch diese Entscheidungen werden veröffentlicht – eben in BFH/NV und zahlreichen anderen Zeitschriften. Dies zeigt aber, das Steuerrecht durchaus streitig ist und viele steuerpflichtige auch strukturell schon bekannte Entscheidungen nicht akzeptieren oder aber meinen, in Ihrem konkreten Fall liege ein Detail so abweichend anders, dass dies eine andere Entscheidungen rechtfertige oder erfordere.
Das Interesse an Entscheidungen im Steuerrecht ist natürlich wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen immens.
Die zahlreichen Veröffentlichungen – auch das BFH – zeigen aber auch durchaus, dass auch die Finanzverwaltung eigentlich ein hergebrachte anerkannte Grundsätze nicht immer beherzigt und daher der BFH natürlich auch bestimmte Entscheidungen immer wieder aufs Neue auch gegen die Finanzverwaltung klarlegend zu entscheiden hat. Hierzu folgendes Beispiel:
BFH, Urteil vom 12. Juli 2016 – II R 42/14 –, BFHE 254, 105, BStBl II 2016, 868: Für die Feststellung einer Steuerhinterziehung trägt die Finanzverwaltung die Darlegungs- und Feststellungslast. Dies folgt schon aus dem Grundsatz, dass die Verwaltung die Beweislast für alle steuerbegründenden und steuererhöhenden Tatbestandsmerkmale trägt. Will das FA also Hinterziehungszinsen, eine Haftungsinanspruchnahme oder eine verlängerte Festsetzungsfrist durchsetzen, ist sie hierfür beweisbelastet.
Die Feststellung einer Steuerhinterziehung darf im Steuerrecht nicht nach den Regeln der Feststellungslast zulasten des Steuerpflichtigen angenommen werden. Der Steuerpflichtige muss sich also nicht exkulpieren – das FA muss die Tatbestandsmerkmale iSd § 370 AO darlegen und beweisen, die die Steuerhinterziehung belegen. Der Steuerpflichtige muss gerade nicht seine Unschuld, also die Nicht-Steuerhinterziehung darlegen und beweisen. Vermutungen, allgemeine Lebenserfahrungen, bloße Behauptungen oder die Meinung des Prüfers sind aber noch kein Beweis für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Merkmale der Steuerhinterziehung iSd § 370 AO. Die Entscheidung bestätigt erneut, dass die Beweislast (Feststellungslast) für eine Steuerhinterziehung bei der Finanzverwaltung liegt. Eigentlich ist dies eine Selbstverständlichkeit und dennoch legt diese erneute BGH-Entscheidung vom 12.07.16 noch einmal die Grundsätze fest: Die objektive Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung hat die Finanzbehörde zu tragen (BFH-Beschluss vom 21. August 2014 VII B 191/13 BFH/NV 2015,1; Banniza in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 169 AO Rz 69; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 169 AO Rz 25, jeweils m.w.N.). Insoweit ist weder die Einleitung eines Strafverfahrens noch eine Verurteilung erforderlich (Witte/Alexander, ZK Art. 221 Rz. 12; FG Bremen, Urteil vom 17. November 2016 – 4 K 30/15 (2) –, juris).
Das Wichtige an der Entscheidung ist nicht, dass sie etwa juristisch neu wäre oder eine neue Erkenntnis prägt: Sie dokumentiert ein Stück Zeitgeist, der zeigt, dass es offenbar doch in der Finanzverwaltung sich hartnäckig das Vorurteil und die Fehleinschätzung hält, dass jeder objektive Fehler in der Steuererklärung/Anmeldung vorsätzlich sei.
Vor diesem Hintergrund kann es gar nicht wichtig und ernst genug genommen werden, dass der BFH erneut und völlig zu Recht auf die Darlegungs- und Beweislast (Feststellungslast) der Finanzbehörde für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung iSd § 370 AO verweist. Alles andere sind dann bloße Möglichkeiten oder (unhaltbare) Spekulationen, die ggf. Unterstellungen und üble Nachreden sind, wenn sie nicht bewiesen werden können und einfach nur behauptet werden. Wer Revisionsrecht kennt, weiß, dass bereits entschiedene Sachfragen nicht erneut vom BFH zur Entscheidung angenommen werden – dass er dennoch diese Rechtsfrage erneut entscheiden hat, macht die Wichtigkeit dieser Entscheidung nur umso deutlicher, die hier wegen der Abweichung des FG-Urteils von der BFH-Rspr ergangen ist.
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des materiellen Strafrechts –hier des § 370 AO– bei der Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften wie § 235 Abs. 1, § 169 Abs. 2 Satz 2 oder § 71 AO von den Finanzbehörden oder den Finanzgerichten festzustellen, sind verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend – und nicht die Strafprozessordnung. Auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren ist zwar der strafverfahrensrechtliche Grundsatz in dubio pro reo zu beachten – dessen bedarf es aber insoweit eigentlich nicht. Denn diese Geltung von in dubio auch im Steuerrecht bedeutet keine Übernahme von Grundsätzen des Strafverfahrensrechts, sondern lässt sich daraus ableiten, dass die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt, also Zweifel am Vorliegen der vorsätzlichen Hinterziehung zulasten der Finanzverwaltung gehen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570, 573, unter C.II.1.; BFH-Beschluss vom 21. April 2016 II B 4/16, BFH/NV 2016, 1130; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 71 AO Rz 8; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 AO Rz 8), so der BFH in seiner Entscheidung vom 12.07.16.
Interessant bei der Veröffentlichungspraxis ist auch, wie das FG Hamburg mit einem rechtskräftigen Beschluss vom 9.4.2003 (III 86/03, EFG 2003, 1184) feststellte, dass ein Finanzamt ein BFH-Urteil nicht mit der Begründung einfach negieren darf, dass es noch nicht im BStBl veröffentlicht worden ist. Denn die Finanzverwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden.
Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 17.7.2002 (1 U 1588/01, OLGR 2002, 383) entschieden, dass entscheidungsbefugte Sachbearbeiter der Finanzverwaltung zeitnah über die aktuelle Rechtsprechung des BFH informiert werden müssen. Ansonsten liege im Regelfall ein Organisationsverschulden vor. Damit darf das BMF nicht einfach unliebsame Entscheidungen des BFH verschweigen und seinen Beamten vorenthalten. Die Beamten sind aber weisungsgebunden und wenn das BMF anordnet, dass ein Beamter eine bestimmte Entscheidung bzw. die Auslegung hieraus nicht anwenden soll, wird er sich daran halten.
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1 die Liste der Zeitschriften ist hier natürlich nicht vollständig und alle die, die hier nicht genannt sind, mögen mir verzeihen.