Hinterziehung
Ist eine Hinterziehung festgestellt, glauben manche Finanzämter, eine Komplettberichtigung aller Fehler machen zu können, da aufgrund der verlängerten Festsetzungsverjährungsfrist immerhin die letzten bis zu 13 Veranlagungszeiträume geöffnet zu sein scheinen (§ 169 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 170 AO).
Dies ist aber nur bedingt richtig. Denn es können nur die Sachverhalte korrigiert werden, die tatsächlich aufgrund der Steuerhinterziehung falsch oder nicht erklärt wurden. Insoweit sind die zurückliegenden bis zu 13 Jahren nicht komplett offen und es können nicht einfach fahrlässige Fehler oder leichtfertige Fehler der Steuerpflichtigen oder seiner Erfüllungsgehilfen oder auch Subsumtionsfehler des Finanzbeamten bei der Veranlagung gleich mit korrigiert werden: Es dürfen nur die aufgrund der Hinterziehung falsch oder nicht erklärten Teile nun korrigiert werden. Insoweit sind die Steuerbescheide nur partiell geöffnet und nur bedingt korrigierbar.
Beispiel: Die Einkünfte aus Luxemburg sind in den letzten 20 Jahren nicht erklärt worden.
Steuerliche Rechtsfolge: Es können höchstens 10 Jahre plus die sogenannte Anlaufhemmung, die abhängig ist von dem Zeitpunkt der damaligen Abgabe der Steuererklärungen, und die höchstens bis zu 3 Jahre beträgt, korrigiert werden. Damit sind 11-13 Jahre zurückliegend korrigierbar. Und es sind ausschließlich die Einkünfte aus Luxemburg zu korrigieren.
Sollten also Einkünfte aus Deutschland versehentlich nicht erfasst sein, etwa Einkünfte aus auch aus Kapitalvermögen, etwa auf einem kleinen Sparbuch, können diese nicht gleich mit korrigiert werden. Es müsste hier der Hinterziehungsvorsatz ebenfalls festgestellt werden dafür, dahin gehend, dass auch diese Zinsen von diesem kleinen Sparbuch nach dem Tatplan des Steuerpflichtigen nicht versteuert werden sollten. Typischerweise ist in diesen Fällen es aber so, dass der Steuerpflichtige die inländischen Einkünfte komplett und korrekt erklären will, während er glaubt, das ausländische Konto bliebe unentdeckt und er könne es sich leisten, die dortigen Einkünfte nicht zu erklären.
Daher fehlt es in einem Standardfall wie in diesem jedenfalls daran, dass hinsichtlich der Zinserträge auf dem inländischen Sparbuch kein Hinterziehungsvorsatz vorliegt, sodass diese Zinsen nicht nun nachträglich mit nachversteuert werden können.
Sollte darüber hinaus eine Betriebseinnahme versehentlich nicht erfasst sein oder eine private Ausgabe versehentlich als Betriebsausgabe gebucht worden sein oder die 5 Eimer Wandfarbe für die private Wohnung versehentlich als Werbungskosten für die vermietete Wohnung, die damals aber renoviert wurde und die Kosten für die Farbe nur falsch zugeordnet wurden, versehentlich geltend gemacht worden sein, so sind diese materiell rechtlichen Fehler nicht nebenbei mitzukorrigieren.
Insoweit ist Teil-Festsetzungsverjährung eingetreten, wenn diese Sachverhalte länger als 4 Jahre plus Anlaufhemmung (=Regelfestsetzungsverjährungsfrist = 4 plus bis zu 3 Jahre Anlaufhemmung je nach damaligen Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärungen) zurückliegen.
Umgekehrt sind solche unvorsätzlichen Fehler nur dann mit zu korrgieren, weil neue Tatsachen nach § 173 I Nr. 1 AO vorliegen und noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Ob diese Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) innhalb der Regelfestsetzungsverjährungsfrist stehen oder nicht, spielt keine Rolle. Das führte zu dem scheinbar komischen Ergebnis, dass solche unvorsätzlichen Fehler in den jüngeren 4-7 Jahren zurück mit korrigiert werden, während für die älteren Jahre ausschließlich die auf der Steuerhinterziehung beruhenden Fehler korrigiert werden dürfen. Insoweit trägt die Finanzverwaltung die Darlegung und Beweislast für jede Änderung, dass diese auf der vorsätzlichen Hinterziehung beruht.
Gleiches gilt analog, wenn wegen Leichtfertigkeit punktuell korrigiert wird – dann beträgt die verlängerte Festsetzung Verjährungsfrist allerdings nur 5 Jahre. Hinzuzusetzen ist allerdings auch hier die Anlaufhemmung von bis zu 3 Jahren, je nachdem, wann damals die entsprechenden Steuererklärungen eingereicht wurden. Es kommt insoweit nicht auf den Zugang der damaligen Bescheide an, sondern auf die Abgabe der Steuererklärung, Paragraf 170 AO.
Das FG München hat dies mustergültig wie folgt formuliert:
„Zwar beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Aus der Formulierung „soweit“ ergibt sich jedoch, dass die Festsetzungsfrist von fünf bzw. zehn Jahren sich nur auf denjenigen anteiligen Steuerbetrag bezieht, der tatsächlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung ist. Bezieht sich die Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung nur auf Sachverhalte, die einen Teil der festgesetzten Steuer betreffen, bleibt es im Übrigen bei der vierjährigen Frist, sodass insoweit Teilfestsetzungsverjährung eintritt (BFH-Urteil vom 20. November 2012 IX R 30/12, BFHE 240, 4, BStBl II 2013, 995).“
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