Der Kiosk
In einer Großstadt in zentraler Lage, nahe einer Schulinsel bestehend aus 4 Schulen mit je rund 1.500 bis 2.500 Schülern, befindet sich ein schöner kleiner Kiosk. Ca. 16 qm. Das Geschäft läuft gut. Sehr gut sogar. Als Sekretärin hat sie früher nicht so viel verdient. Die Besitzerin, eine kräftige Frau in den 50ern macht um kurz vor 6 Uhr auf. Um drei Uhr nachmittags hört die Plackerei auf. Dann schließt sie ihren Kiosk wieder ab. Sie geht dann regelmäßig noch ein paar Sachen einkaufen, macht die Buchführung, Papierkram, Bestellungen und so. Bis um 5 oder spätestens um 6 ist sie dann fertig. Langt auch.
Sie schließt die Tür des Kiosks mit den drei Schlössern auf, klappt die Innenverriegelungen der Rollläden auf und zieht die schweren gepanzerten Rollläden hoch.
In den Kiosk ist schon vier oder fünfmal in den letzten zwei Jahren eingebrochen worden. Meist ist Alkohol gestohlen worden – mehrere Kästen Bier, Jägermeister und so … Riesen-Schaden. Die Strafanzeigen gegen Unbekannt haben nichts gebracht. Die Polizei hat sie nach möglichen Tätern und Beschreibungen gefragt. Diese Witzbolde. Wie sollte sie Täter beschreiben, die sie nicht kennt, die sie nicht gesehen hat? Die Polizei macht nichts. Ihre Versicherung hat beim ersten Mal bezahlt, aber auch nicht alles, was sie angegeben hatte – aber im Ergebnis passte das dann schon. Sie hatte ja gleich etwas mehr angesetzt. Hatte sie sich doch gleich gedacht, dass diese Ganoven von der Versicherung eh nicht alles bezahlen.
Beim zweiten Mal hatten sie nur die Hälfte bezahlt und dann eine Alarmanlage gefordert. Das konnte sie sich nicht leisten – mit Aufschaltung bei der Polizei, kostet ein Vermögen und für blinde Alarme sollte sie dann auch noch die Polizeieinsätze zahlen – hat sie nicht eingesehen. Beim dritten Einbruch haben die Gangster von der Versicherung nur noch 10 Prozent gezahlt und dann den Vertrag gekündigt. Seitdem hat sie keine Versicherung mehr. Von der Polizei kamen jeweils nach einigen Wochen dann die Mitteilungen, dass sie niemanden haben ermitteln können und die Verfahren eingestellt worden wären. Diese Banausen. Für was zahlt sie Steuern? Sie zahlt sowieso nach ihrem Geschmack viel zu viele Steuern – und die machen nichts für sie. So´ne Sauerei.
Sie holt schnaufend die hinter dem Kiosk liegenden angelieferten Zeitschriften und Comics in den Laden. Die Packen werden auch immer schwerer. Sie muss da mal anrufen und darum bitten, dass die nicht so viele Zeitungen und Zeitschriften in einem Paket einschweißen. Wer soll das noch tragen können? Sie bückt sich ächzend, flucht, wuchtet wieder so einen Packen hoch und schleppt ihn in den Laden. Letztens war so ein Packen nicht richtig zugeschweißt. Da hat es auch noch geregnet wie in Strömen, diese Zeitungen konnte sie nicht verkaufen. Die waren alle aufgeweicht. Gingen komplett zurück. Dann überprüft sie die Lieferscheine, hakt ab, zählt, zählt noch ein Mal, prüft die Zahlen auf den Lieferscheinen, korrigiert manchmal, wenn die sie wieder bescheißen wollen, reißt die Plastikfolien auf und legt die Zeitschriften, Hefte und Comics auf den Regalen des Kiosks aus.
Letzte Woche muss sie ganze schön bestohlen worden sein. Diese kleinen Miststücke von Kindern. Dabei hat sie doch überall Spiegel angebracht. Aber sie hat keinen der kleinen Scheißerchen erwischt. Aber es fehlen mindestens 10 Comics, Bravohefte und andere typische Jugendheftchen. Sie muss einfach mehr aufpassen – nur wie? Es ist teilweise so viel los, dass sie sich schon vorstellen kann, dass da manches mitgeht. Einfach keinen Anstand diese kleinen Betrüger. Dabei hat sie es so schwer – muss doch für ihre Rente vorsorgen und noch was beiseite legen. Sie geht dann zu ihrem Opel Caravan und holt daraus die Schulhefte, Bücher, Taschenbücher, Comics, die sie gestern eingekauft hat, in den Laden und legt sie auf den Regalen des Kiosks aus.
Ihr fällt der Mann im Trenchcoat nicht auf, der hinter einer großen Linde an einer Bushaltestelle steht und einen Bus nach dem anderen passieren lässt. Irgendwann ist er weg. Sie hat ihn nicht mal wahrgenommen. Das Schauspiel wiederholt sich. Dreimal in der Woche hat sie zusätzliche Ware, meist Schulhefte, Füller, Kulis, Bleistifte Spitzer, Radiergummis usw., für die sie keine Lieferscheine und Rechnungen braucht. Das geht besonders gut zu Schulbeginn.
Aber Patronen und Hefte gehen eigentlich immer. Ab sieben belebt sich das Geschäft. Erste Schülerinnen und Schüler kommen. Um diese Uhrzeit gehen viele Süßigkeiten: Snickers, Mars, Twix, Gummibärchen, Lakritz, Coladosen, Kaugummi. Wenn die Eltern wüssten – sie findet häufig Pausenbrote in ihren aufgestellten Abfalleimern, liebevoll eingepackt in Butterbrotpapier, Gurkenstücke, geschält und ungeschält, Radieschen, Tomaten usw., mal angebissen, mal original verpackt von zu Hause.
Wenn die wüssten, dass hier bei ihr quasi getauscht wird: wertvolles Pausenbrot, Mischbrot, Pumpernickel, was auch immer, mit Liebe zubereitet, hier getauscht gegen Snickers und Co..
Naja, ihr ist es egal, sie lebt von den Kindern. Ganz gut sogar, 80.000 € im Monat und mehr, aber das reduziert sie etwas. Sie ist ja nicht blöd, da müsste sie ja nur noch Steuern zahlen. So um die 40.000 bis 50.000 € erklärt sie monatlich. Das kostet genug Steuern. Außerdem muss sie etwas für ihr Alter zurücklegen. Hat früher nicht genug geklebt. Und der Staat tut sowie nix für sie. Fängt nicht mal die Einbrecher, die ihre Waren klauen. Warum zahlt sie überhaupt Steuern…?
Jeden Morgen steht der Mann im Trenchcoat hinter dem Baum an der Bushaltestelle. Er zählt mit. Dreimal die Woche lädt sie aus dem Caravan Material aus, das sie in die Regale zum Verkauf stellt. So beobachtet er „Frau Kiosk“ jeden Morgen, immer auf dem Weg zur Arbeit. Es ist für ihn fast kein Umweg. Er kommt nur etwas später als sonst an seinem Arbeitsplatz an. Aber das ist nicht schlimm, das ist mit seinem Chef, dem Leiter der BP, so abgesprochen. Akribisch schreibt er auf, was unsere paarundfünfzigjährige kräftige Kioskbesitzerin dreimal wöchentlich so in den Laden trägt.
Er sieht die Frau förmlich schnaufen – hört sie nur nicht über die Entfernung – sieht wie sie sich bückt und die Sachen aus dem Wagen schleppt, in den Kiosk trägt, einräumt …
Eines Tages … vielleicht schon bald … wird er sich ihr vorstellen und sich ihre Wareneinkaufslisten ansehen. Den Wareneinsatz kontrollieren. Als Erstes wird er sich die Verkaufspreise der Schulsachen notieren, er wird sich dann den Wareneinkauf ansehen und prüfen, ob dreimal wöchentlich Eingangsrechnungen bzw. Kaufbelege von Schulsachen in der Buchführung sind: sind da auch die ganzen Schulhefte, Patronen, Füller, Radiergummis usw. drin?
Er fragt sich, warum sie sich eigentlich alles anliefern lässt – nur die Schulsachen nicht? Mit dem letzten Betriebsprüfer hat er schon gesprochen, der hatte als Warensortiment keine Schulsachen notiert. Er hat jedenfalls genug gesehen. Er schreibt jetzt erst mal eine Prüfungsanordnung und wird dann in einigen Wochen mit der Prüfung beginnen. Dann, wenn auch die Voranmeldungen für die jetzt aktuell mitgeschriebenen Einkäufe abgegeben sind …. Jetzt kann er wieder seinen normalen Weg zum Finanzamt gehen, muss nicht mehr hinter dem Baum stehen und der Kioskbesitzerin zusehen, wie bzw. was sie auslädt… muss nicht mehr mitschreiben…
Die Geschichte ist natürlich frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder Firmen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt. Und doch spiegelt sie möglicherweise für den einen oder anderen irgendwie ein Fünkchen Realität wider….
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