Die Steuergefährdung nach § 379 AO
Dann ist seit dem 01.01.2020 der § 379 AO neu verfasst und aus seinem zuletzt dagewesenen Dornröschenschlaf wieder erweckt worden. Es bleibt abzuwarten, ob und wieweit die Praxis von dem § 379 AO Gebrauch macht:
379 AO
Steuergefährdung
(1) 1 Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig
1. | Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind, | |
2. | Belege gegen Entgelt in den Verkehr bringt, | |
3. | nach Gesetz buchungs- oder aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder Betriebsvorgänge nicht oder in tatsächlicher Hinsicht unrichtig aufzeichnet oder aufzeichnen lässt, verbucht oder verbuchen lässt, | |
4. | entgegen § 146a Absatz 1 Satz 1 ein dort genanntes System nicht oder nicht richtig verwendet, | |
5. | entgegen § 146a Absatz 1 Satz 2 ein dort genanntes System nicht oder nicht richtig schützt oder | |
6. | entgegen § 146a Absatz 1 Satz 5 gewerbsmäßig ein dort genanntes System oder eine dort genannte Software bewirbt oder in den Verkehr bringt |
und dadurch ermöglicht, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen.
2 Satz 1 Nr. 1 gilt auch dann, wenn Einfuhr- und Ausfuhrabgaben verkürzt werden können, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Staat zustehen, der für Waren aus der Europäischen Union aufgrund eines Assoziations- oder Präferenzabkommens eine Vorzugsbehandlung gewährt; § 370 Abs. 7 gilt entsprechend.
3 Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig
1. | der Mitteilungspflicht nach § 138 Absatz 2 Satz 1 nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, | |
1a. | entgegen § 144 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 5, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erstellt, | |
1b. | einer Rechtsverordnung nach § 117c Absatz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, | |
1c. | entgegen § 138a Absatz 1, 3 oder 4 eine Übermittlung des länderbezogenen Berichts oder entgegen § 138a Absatz 4 Satz 3 eine Mitteilung nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig (§ 138a Absatz 6) macht, | |
1d. | der Mitteilungspflicht nach § 138b Absatz 1 bis 3 nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, | |
1e. | entgegen § 138d Absatz 1, entgegen § 138f Absatz 1, 2, 3 Satz 1 Nummer 1 bis 7 sowie 9 und 10 oder entgegen § 138h Absatz 2 eine Mitteilung über eine grenzüberschreitende Steuergestaltung nicht oder nicht rechtzeitig macht oder zur Verfügung stehende Angaben nicht vollständig mitteilt, | |
1f. | entgegen § 138g Absatz 1 Satz 1 oder entgegen § 138h Absatz 2 die Angaben nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt, | |
1g. | entgegen § 138k Satz 1 in der Steuererklärung die Angabe der von ihm verwirklichten grenzüberschreitenden Steuergestaltung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht, | |
2. | die Pflichten nach § 154 Absatz 1 bis 2c verletzt. |
(3) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Auflage nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 zuwiderhandelt, die einem Verwaltungsakt für Zwecke der besonderen Steueraufsicht (§§ 209 bis 217) beigefügt worden ist.
(4) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Absatz 2 Nummer 1a, 1b und 2 sowie Absatz 3 kann mit einer Geldbuße bis zu 5 000 Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach § 378 geahndet werden kann.
(5) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 Nummer 1c kann mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach § 378 geahndet werden kann.
(6) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 6 kann mit einer Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach § 378 geahndet werden kann.
(7) Die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 2 Nummer 1 und 1d bis 1g kann mit einer Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach §v 378 geahndet werden kann.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 (BGBl. I S. 2875) in Kraft getreten am 01.01.2020
§ 379 Abs. 1 Nr. 1 und 3 definieren typische Vorbereitungshandlungen der Steuerhinterziehung als Ordnungswidrigkeit. Weil diese Handlungen typischerweise zeitlich der Verkürzung weit vorgelagert sind und regelmäßig ohne Weiteres Zutun – jedenfalls bei größeren Buchhaltungen – in die Verkürzung münden, ist ihre gesonderte Ahndung als Gefährdungsdelikt geschaffen worden.
Der Sinn erschließt sich indes nicht: nehmen wir doch einmal exemplarisch Abs. 1 Nummer 1 unter die Lupe: danach begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder leichtfertig Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind.
Normalerweise wird das Finanzamt solche vorsätzlich oder leichtfertig falsch ausgestellten Belege nicht in die Hand bekommen von einem Kassenarzt oder einer Betriebsprüfung oder eine Umsatzsteuernachschau oder einer Lohnsteuernachschau.
Kurzum:
Da heute Erklärungen und Anmeldungen elektronisch erfolgen und keine Belege dem Finanzamt übersandt werden, bekommt das Finanzamt erstmals Kontakt mit diesen falschen Unterlagen und falschen Belegen bei einer Inaugenscheinnahme der falschen Belege. Zu diesem Zeitpunkt liegt möglicherweise schon Kundenfälschung vor, wenn über die Ausstelleridentität getäuscht wurde, Paragraf 274 StGB. Sind nur die Angaben falsch, handelt es sich um eine schriftliche Lüge. Zu diesem Zeitpunkt sind aber diese Belegungsurkunden längst in der Buchhaltung verwandt worden.
Zu diesem Zweck sind sie ja auch leichtfertig oder vorsätzlich falsch ausgestellt worden. Dann liegt also eine Beihilfe zu einer fremden Steuerhinterziehung und der Täter, der diese Belege verwandt hat, hat bereits eine Steuerhinterziehung mindestens versucht und sofern der Erfolg auch schon eingetreten ist, bereits begangen. Zu diesem Zeitpunkt ist also die Täterschaft hinsichtlich der Steuerhinterziehung längst verwirklicht und die Beihilfe durch den Gehilfen, der leichtfertig oder vorsätzlich falsche Belege ausstellt ebenfalls.
Für was brauche ich jetzt noch eine subsidiäre, also bei der Bestrafung zurücktretende Ahndungsmöglichkeit durch eine Ordnungswidrigkeit? Die Ordnungswidrigkeit tritt hinter der Straftat, nämlich der Beihilfe zurück. Also eine Totgeburt des Gesetzes? Dass eine solche Vorbereitungshandlung auffällt und sanktioniert wird, bevor es zur Tatverwirklichung kommt, ist eher nicht zu erwarten. Der Anwendungsbereich der Norm daher vermutlich eher bei null.
§ 379 Abs. 2, 4 Ao sind schon spannender: dort werden ermittlungsbehindernde Verhaltensweisen, die eine spätere Hinterziehung allein aufgrund dieser Tatsache begünstigen und von daher eine Gefährdung darstellen, mit einem Bußgeld belegt. Schauen wir uns das genauer an: nach Paragraf 138 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 ist also für einen inländischen Steuerpflichtigen es nun unter Geldbuße gestellt, wenn er im Inland einen Betrieb erwirbt oder gründet und Betriebsstätten im Ausland hat und dies nicht dem für ihn zuständigen Finanzamt anzeigt. Gleiches gilt für den Erwerb oder die Veränderung einer Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften. Es geht also bei dem Abs. 2 die Anzeigeverpflichtung bei Beteiligungen an Firmen mit Sitz im Ausland oder Betriebsstätten im Ausland. Diese Nichtanzeige dieser Sachverhalte wird nun seit dem 01.01.2020 bebußt.
Absatz 4 setzt eine Monatsfrist für die Anmeldungen nach Abs 1, 1 a und 1 b, für deren nicht fristgemäße Einhaltung nun die Bebußung eingreift.
§ 379 Abs. 1 Nr. 2 AO schließlich (aufgenommen mit Gesetz vom 28.4.2006, BGBl I 2006, 1095) ahndet eine typischerweise vorgelagerte Hilfeleistung zur Steuerhinterziehung, weil auch das Vorhandensein eines „Markts für Abdeckrechnungen“ die spätere Verkürzung leichter macht, indem das Entdeckungsrisiko verringert wird. Das Handeltreiben mit gefälschten Belegen ist aber die Beihilfe, sobald die Belege in der Buchführung verwendet werden. Da niemand die Belege sich anschafft und dann länger liegen lässt, ist auch hier das Verkaufen solcher Belege schnell die Beihilfe.
Schließlich ist der Ahndungsrahmen derart gering, dass er die Täter, die eine größere Steuerhinterziehung durch gefälschte Belege ins Auge gefasst haben, wohl niemals ernsthaft abschreckt. Man darf also getrost annehmen, dass das Ganze nur eine Art Feigenblatt ist nach dem Motto: wir tun was. – aber es erscheint mehr als dilettantisch und inhaltsleer und ohne zu erwartenden Anwendungsbereich.
Eine Selbstanzeige ist bei den Ordnungswidrigkeiten als Vorstufe zur Steuerhinterziehung hier nicht vorgesehen, während aber die Beihilfe zur Steuerhinterziehung selbstanzeigefähig ist und zur Straffreiheit führt. Wertungswiderspruch?
Eine Inhaftungnahme über § 191 AO iVm § 379 AO ist nicht vorgesehen während die Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach § 191 AO iVm § 71 AO zur steuerlichen Haftung führen kann. § 71 AO lautet:
§ 71 AO
Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers
Wer eine Steuerhinterziehung (370 AO) oder eine Steuerhehlerei (§ 374 AO) begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
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