Anna und Ernst oder das Bankkonto in der Schweiz
Anna, 70, und Ernst, 72, sind seit 44 Jahren verheiratet. Sie wohnen im Odenwald – in der Nähe von Dieburg. Das ist in Hessen, südlich von Frankfurt, östlich von Darmstadt. Es ist ein kleiner Ort mit rund 2.000 Einwohnern. Sie haben ein schönes Haus mit großem Garten. In der Doppelgarage steht ein alter Mercedes 280 CE, 10 Jahre alt, top gepflegt.
Sie haben ein Problem: ihr Konto in der Schweiz. Früher, als Ernst noch die Metzgerei besaß, hatte er immer mal Gelder in die Schweiz gebracht. Das Konto hatten sie schon bestimmt 20 oder 25 Jahre, so seit Ende der 80er oder zumindest Anfang der 90er. So genau wissen sie es nicht mehr. Später sei dann irgendeine Zinssteuer in Deutschland eingeführt worden und da hätten viele Bekannte und Freunde dann auch ein Konto in der Schweiz haben wollen.
Die Zinsabschlagsteuer wurde zum 01.01.1993 eingeführt. Sie sorgte zunächst für viel Empörung unter den Bürgern. Riesige Geldströme setzten sich ab Bekanntwerden des Gesetzesvorhabens zur Einführung der Zinsabschlagsteuer im August 1992 Richtung Schweiz, Liechtenstein. Luxemburg in Bewegung.
Um den Ärger etwas zu mildern und die Geldabwanderung zu vermeiden bzw. zu reduzieren, wurde der damals der Sparerfreibetrag von 600 DM auf das Zehnfache auf 6.000 DM für Einzelveranlagte (bei Ehegatten das Doppelte) angehoben. Als im Jahr 2009 der Wechsel auf die Abgeltungssteuer vollzogen wurde, senkte die Regierung den Sparerfreibetrag wieder auf 801 Euro für Alleinstehende. Die Zinsbesteuerung wurde erst zum 01.01.1993 dahingehend geändert, dass die Erträge bereits als Vorauszahlung besteuert werden. Betroffen sind sämtliche Zinseinnahmen, gleichgültig, ob es sich um Zinsen von Anleihen, Optionsanleihen, Auslandsanleihen, Bundesschatzbriefen oder Sparbüchern handelt.
Da hatten sie aber ihr Konto schon einige Jahre. Es ist immer was dorthin gebracht worden. Meist im Zusammenhang mit einem Urlaub in der Schweiz. Abgehoben wurde eigentlich nie etwas. Allenfalls haben sie nicht alles einbezahlt, sondern ein paar tausend DM für das Hotel, die Skipässe und den Urlaub ausgegeben. Aber seit Ende 1997 sind sie beide nicht mehr Ski gefahren. Das war das Jahr, in dem er stürzte und dann lange an dem Bruch litt. Sie hatte Angst, sich auch zu verletzen und hörte ebenfalls mit dem Skifahren auf. Seitdem waren sie seltener in der Schweiz gewesen. Wegen dem Geld mussten sie auch nicht hin, sie hatten schließlich eine Vermögensverwaltung. Sie müssen da keine Entscheidungen treffen, was sie kaufen und verkaufen. Das macht alles die Frau Brettschneider, bzw. die Vermögensverwaltung. Die kümmerte sich um alles.
Anna weiß noch, wie sie immer aus Sicherheitsgründen von öffentlichen Telefonzellen aus in der Schweiz anriefen. Zu Hause hatte sie keine Unterlagen. Keine Kontoauszüge, keine Visitenkarte, keinen Stadtplan, nichts. Sie hatten immer Angst gehabt, dass bei ihnen was gefunden werden könnte. Also hatten sie auch nie etwas mit über die Grenze gebracht. Die Telefonnummer konnten sie auswendig. Ihre Betreuerin war Frau Brettschneider. Auch eine Deutsche, die bei der UBS in Basel die deutschen Kunden betreute.
Sie hatten extra kein Konto auf ihren Namen, es war ein Nummernkonto – es waren die Zahlen des Geburtstages ihrer Tochter. 02041972. Das konnten sie sich gut merken.
Anna weiß noch, wie sie und ihr Mann zu den Telefonzellen fuhren – er telefonierte dann mit der Schweiz. Sie nicht. Zusammen passten sie ja auch gar nicht in die enge Telefonzelle hinein. Die war schon voll, wenn ihr Ernst da drinnen war.
Mittlerweile ist Frau Brettschneider nicht mehr für sie zuständig. Ein junger Mann, Furrill oder so ähnlich. Den hatten sie noch nicht persönlich kennengelernt. Frau Brettschneider ist zwar noch in der Bank und ab und zu haben sie sie noch vertretungsweise mal am Telefon, aber sie müssen sich an Herrn Furrill wenden.
Sie hatten im Frühjahr 2014 eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch in ihrer Bank bekommen. Das hatten sie aber noch nicht wahrgenommen, nur zwei-, dreimal mit Herrn Furrill telefoniert. Auch über eine Telefonzelle. Es war mittlerweile gar nicht mehr so einfach, Telefonzellen zu finden. Früher standen die fast an jeder Ecke. Dreiseitig aus Glas, später Plexiglas. Außen gelb, innen gelb, der Apparat silbergrau, graue Plastikhalterungen für die hängenden Telefonbücher, die man nach oben klappen und dann aufschlagen konnte. Häufig mit zerrissenen oder zerfetzten Telefonbüchern – oder sie fehlten komplett – und häufig nach Urin stinkend.
Mit meist sperrig sich im Halbkreis aufschiebenden Türen – die sie dann offen ließen und dabei telefonierten, weil es an warmen Sommertagen mit geschlossenen Türen und Uringestank gar nicht da drinnen auszuhalten war. Sie erinnern sich, dass teilweise die Telefonschnüre abgeschnitten, Scheiben eingeschlagen waren bzw. später, als die Glasscheiben durch Plexiglasscheiben ersetzt worden waren, diese angeschmort oder besprüht waren … und hin und wieder die Telefonzellen nicht funktionierten, das Geld durchfiel oder sonst was defekt war. Deswegen hatten sie früher so zwei oder drei Telefonzellen, die sie ansteuerten, wenn die zuerst aufgesuchte defekt war oder zu sehr stank.
Aber das ist lange her. In den letzten Jahren gab es immer weniger Telefonzellen, in den letzten Jahren meist silbergrau-rosafarbene unter freiem Himmel. Da stinkt es wenigstens nicht mehr. Aber Telefonbücher gibt’s dort auch nicht mehr. Die brauchen sie auch nicht. Die Nummer kennen sie auswendig, Tel. 0041 für die Schweiz, dann die 61 für Basel, dann die 2882020. Die Nummer der UBS AG in der Aeschenvorstadt 1 ist leicht zu merken. Früher verlangten sie einfach Frau Brettschneider. Jetzt müssen sie ihre Kontonummer und den Namen ihres Beraters, Herr Furrill, sagen. Dann können sie mit ihm ihre Wünsche besprechen. Sie haben früher so ein- bis zweimal im Jahr mit Frau Brettschneider telefoniert – meist einmal, um ihr baldiges Kommen anzukündigen.
Jetzt hatten sie in diesem Jahr schon zwei- oder dreimal mit Herrn Furrill telefoniert. Sie müssten ihr Konto regulieren. Was das sei, hatten sie gefragt. Eine Selbstanzeige machen, hatte er geantwortet. Sie müssten das machen, sonst würde die Bank ihnen das Konto kündigen. Sie müssten schnell aktiv werden. Bis wann, hatten sie gefragt. Bis Ende des Jahres. Bis zum 31.12.14. Sie wollten noch mal telefonieren. Haben sie dann auch. Sie fragten, ob sie das Geld abheben könnten – in bar. Aber das verneinte Herr Furrill. Erst wenn ein Nachweis für die Nachversteuerung erbracht sei. Letztes Jahr hatte er schon so was gesagt. Irgendwas mit Selbstanzeige. Jetzt spitzt sich die Lage zu.
Von Freunden haben sie gehört, dass diese für die Abhebung von 200.000 € eine Gebühr von 15.000 € bezahlt haben. Die mussten dann keine Nachversteuerung beweisen. Aber das wollten Anna und Ernst nicht. Das war ja Wahnsinn: 15.000 € Abhebegebühr für 200.000 €. Immerhin war es eigenes Geld. Dafür eine Gebühr von 15.000 €? In Deutschland waren die Gebühren ja schon hoch, Grundgebühren von 7, 8, 10, 12 Euro, dazu ein, zwei Euro für jede Buchung, für jeden Dauerauftrag bzw. dessen Einrichtung und Änderung, für Scheckeinreichungen usw., da kamen schon so 30 Euro im Quartal zusammen – das waren ca. 120 € im Jahr, aber keine Gebühren bei der Abhebung vom eigenen Konto bei der eigenen Bank – außer der Buchungsgebühr so um 1 €, aber 15.000 € für die Abhebung? – Also für die Abhebung vom eigenen Konto 15.000 € …. für eine einzige Abhebung? Das ist ja Wucher!
Von anderen Bekannten, den Mayers, haben sie gehört, dass diese für die Abhebung vom eigenen Konto in der Schweiz von 50.000 € bloß 2.000 € Gebühren zahlen sollten, dass sie sich dann aber beim Bankdirektor beschwert haben und schließlich nur 1.000 € zahlen mussten. Das war auch nicht die UBS AG. Das war bei der Zürcher Kantonalbank Am Mythenquai 24 in Zürich. Ob diese aber nun günstiger ist oder ob es am niedrigeren Betrag oder einfach daran liegt, dass die Mayers bessere Kunden sind? Die hatten früher mal ein Immobilienmaklergeschäft.
Ob die mehr Geld bei der Züricher Kantonalbank haben und vielleicht deswegen bessere Konditionen bekommen? Anna und Ernst wissen es einfach nicht. Bei aller Offenheit, mit der sie diese Themen miteinander besprechen, können sie doch nicht fragen, wieviel Geld die noch dort unten haben… nein, das geht nicht. Entweder sie erzählen das von sich aus – oder nicht, aber fragen können Anna und Ernst doch nicht. Nicht diese. Sonst fast alle.
Sie haben sich von ihrer Bank nie die Bankunterlagen und die Vermögensentwicklungen wirklich zeigen lassen. Sie haben sich zwar, wenn sie in Basel waren, nach dem Konto- bzw. Depotstand erkundigt, aber meist nicht viel verstanden. Sie waren viel zu aufgeregt und Kenntnisse von den vielen Anlagestrategien hatten sie nicht. Sie konnten sich auch gar nicht die ganzen Informationen merken, die Frau Brettschneider ihnen freundlicherweise erteilte. Das war zu schnell und zu viel. Sie war ja so nett. Aber merken konnten sie sich das alles nicht. Und Unterlagen konnten sie auch nicht mitnehmen, da hatten sie immer Angst. Sie haben mit der UBS vereinbart, dass die Unterlagen und Kontoauszüge banklagernd verwahrt werden sollten. So richtig nach oben hat sich ihr Konto nicht entwickelt. Es waren damals vor der Umstellung auf den Euro rund 800.000 DM, heute sind es etwa 400.000 €
Gut, da gab es Crashs und schlechte Engagements, die nichts brachten. Aber die Entwicklung war insgesamt nicht so gut. Das meinten sie wenigstens. Frau Brettschneider lobte sich und die Bank immer sehr und meinte, dass sie ja sogar Gewinne gemacht hätten, dass sie trotz der Börsencrashs immerhin alle Verluste mehr als ausgeglichen haben, was eine tolle Leistung das sei. Andere Kunden bei anderen Banken hätten auch heute noch riesige Verluste, so berichtete Frau Brettschneider immer wieder.
Aber das mit dem banklagernd hat die Bank wohl auch nicht gemacht. Denn nun schlug Herr Furrill vor, dass die Bank die Unterlagen nacherstellen wollte und dies 800 CHF pro Jahr kosten würde. Diese Unterlagen bräuchten sie jetzt für die Selbstanzeige. Aber wenn die Unterlagen banklagernd wären, warum müssen die dann nun noch einmal erstellt werden? Dann müssten die doch in der Bank jetzt irgendwo noch lagern? Und warum dauert das Nacherstellen mehrere Monate? Das ist doch nur ein Knopfdruck – oder? Da war das banklagernd nun teuer – teurer als der sofortige Versand, den sie sich nicht erlauben konnten, weil die Post an der Grenze hätte vom Zoll geöffnet werden können … und nun sind die Unterlagen nicht mehr da und müssen noch mal erstellt werden?
Sie haben Angst Unterlagen über die Grenze zu bringen. Oder Geld. In der Tageszeitung haben sie gelesen, das sei Bargeldschmuggel. Aber es ist doch ihr Geld? Autos würden durchsucht, um Bankunterlagen zu finden oder Bargeld. Es gäbe sogar Geldsuchhunde. Sie möchten deswegen eigentlich nicht mehr mit ihrem Auto in die Schweiz fahren … weniger, weil es eine lange Strecke ist. Es wären nur dreieinhalb Stunden Fahrt etwa, das trauen sie sich schon noch problemlos zu. Sie können ja Pausen machen. Es ist das, was man überall in den Zeitungen liest bzw. im Radio oder Fernsehen hört bzw. sieht: die vielen Grenzkontrollen. Die Deutschen Zöllner machen doch richtig Jagd auf ältere Deutsche, die Gelder oder Unterlagen von der Schweiz nach Deutschland bringen.
Sie haben sich schon mal auf der Karte die Grenzübergänge angesehen. Da gibt es Konstanz, Reichenau, Gaienhofen, Öhningen, Rielasingen-Worblungen, Gottmadingen, Gailingen am Hochrhein, Büsingen am Hochrhein, Hilzingen, Tengen, Blumberg, Stühlingen, Eggingen, Klettgau, Dettighofen, Jestetten, Lottstetten, Hohentengen am Hochrhein, Küssaberg, Waldshut-Tiengen, Dogern, Albbruck, Laufenburg, Murg, Bad Säckingen, Wehr, Schwörstadt, Rheinfelden, Grenzach-Whylen, Inzlingen, Lörrach, Weil am Rhein, Laufenburg und Rheinfelden … aber welchen sollen sie nehmen? Welcher wäre am auffälligsten? Welcher am sichersten?
Wo sind die Kontrollen am schärfsten? Wo stehen die mobilen Kontrollen? Wann? Was ist die beste Zeit?
Mit ihrem schönen alten Mercedes möchten sie eigentlich nicht fahren. Das fällt doch zu sehr auf. Sie haben schon gehört, dass besonders ältere Menschen vom Zoll kontrolliert werden … dann noch einen Mercedes … das sieht doch nach Geld aus. Da können sie gleich um eine Kontrolle bitten. Oder ist es mit dem Zug besser? In rund drei Stunden sind sie für 60 Euro pro Nase in Basel, also für sie beide 240 € hin und zurück.
In nur etwas mehr als 3 Stunden Fahrtzeit. Naja, dann noch eine dreiviertel Stunde nach Darmstadt und Parkhauskosten für den Pkw. Das ist aber an einem Tag zu schaffen. Oder mit dem Fernbus, für 15 Euro die einfache Fahrt pro Person, also 60 € für sie beide hin und zurück. Aber der Bus braucht dann schon viereinhalb Stunden, wenn alles gut geht. Das geht auch an einem Tag. Aber wie kontrolliert der Zoll in Bussen und Bahnen? Ob er sie beide auch kontrollieren wird? Oder ob sie dann doch einen Umweg über Österreich oder Frankreich fahren sollen? Und wo sollen sie da am besten die Grenze überschreiten? Oder mit dem Bus hin und dem Zug zurück oder umgekehrt? Oder mit dem Flieger von Frankfurt nach Zürich? Sie diskutieren es immer wieder und wissen doch nicht was sie tun sollen.
Eine Selbstanzeige wollen sie auch gar nicht machen. Aber die Zeit vergeht und Herr Furrill hat schon wieder angerufen und sie bedrängt, doch eine Selbstanzeige zu machen. Er hat ihnen sogar ein Steuerberatungsbüro angeboten. Sie hätten da ein schweizer Steuerberatungsbüro, das auch die Selbstanzeigen nach deutschem Recht macht und die Erträgnisaufstellungen der Bank nach deutschem Recht analysiert und die Steuererklärungen fertigt. Dieses Schweizer Steuerberatungsbüro habe auch deutsche Rechtsanwälte bzw. deutsche Steuerberater bzw. arbeite mit einer Kanzlei aus Deutschland zusammen. Auf Nachfrage sagt Herr Furrill, das koste über dieses Steuerberatungsbüro für diese 10 Jahre 1.250 € pro Jahr … aber Details müssten Anna und Ernst mit dieser Steuerberatungskanzlei ausmachen.
Sie haben ja auch kein Schwarzgeld in der Schweiz. Jedenfalls schon lange keines mehr hingebracht. Das Geld aus dem Betrieb, ja, das war ein bisschen Schwarzgeld. Aber das macht doch jeder. Und das müsste doch schon alles längst verjährt sein. Ach, wenn sie doch nur in Ruhe gelassen würden. Das hat aber auch keiner vorhergesehen, dass das mit der Schweiz so kommen würde. Das Schweizer Bankgeheimnis galt als so sicher – und jetzt? Jetzt ist es weg …
Dann lesen Anna und Ernst in der Dieburger Tageszeitung, dem Darmstädter Echo, dass ein automatisierter Datenaustausch mit der Schweiz beginnen soll, zum 01.01.2015 – und sie hören weiter, dass es eine Informationsmöglichkeit für die Deutsche Steuerverwaltung jetzt schon gäbe, seit 2011 sogar schon, Rechtshilfeabkommen …
Zwischen Deutschland und der Schweiz bestehen für Steuerbehörden und gerichtliche Instanzen bereits heute diverse Möglichkeiten, sich Informationen zu Steuerpflichten zu beschaffen. Die Amtshilfe ist seit langem im bilateralen DBA geregelt und findet sich in den letzten Jahren vermehrt in Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, so beispielsweise im Zinsbesteuerungsabkommen (ZBStA) und im Betrugsbekämpfungsabkommen (BBA). Parallel zur Amtshilfe, welche sich zwischen Verwaltungsbehörden abspielt, existiert die Rechtshilfe; diese erfolgt über richterliche Instanzen. Umfassende Rechtshilfe ist im schweizerischen Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) und im europäischen Pendant, dem Europäischen Übereinkommen vom 20.4.59 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EueR) geregelt. Daneben enthalten auch das BBA und das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 14.6.85 (SDÜ) Rechtshilfenormen. Nach der drohenden Aufnahme der Schweiz auf die „Schwarze Liste“ der OECD für Steueroasen hat der schweizerische Bundesrat im März 2009 beschlossen, den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen gemäß Art. 26 des OECD-MA zu übernehmen. Dadurch kann der Informationsaustausch im Einzelfall auf konkrete und begründete Anfrage mit anderen Ländern ausgebaut werden, Schmidt, PIStB (=Praxis Internationale Steuerberatung) Heft 06 / 2009, S. 173
Sie verfluchen ihr Konto in der Schweiz. Es bedeutete für sie Sicherheit, fürs Alter, eine Absicherung – und jetzt – nur Probleme, nur Angst, einfach schrecklich.
Und dann diese bohrenden Unsicherheiten über die Mitteilungen aus der Schweiz. Herr Furrill hatte gesagt, dass die Schweizer Banken über die eidgenössische Steuerverwaltung bei entsprechenden konkreten Anfragen aus Deutschland Auskunft geben müssten und diese Auskünfte dann auch vollständig und rückwirkend erteilen würden[ref]Per 1. Februar 2013 ist das neue Steueramtshilfegesetz in Kraft getreten, das den Vollzug der Amtshilfe in Doppelbesteuerungsabkommen regelt. Das Parlament stimmte der Vorlage Ende September 2012 zu. Im Februar 2011 hatte das Eidgenössische Finanzdepartement angekündigt, dass die Anforderungen für Amtshilfe in Steuersachen angepasst werden. Zur Identifikation der Steuerpflichtigen und des Informationsinhabers (z.B. der Bank) verlangte die Schweiz bei Amtshilfegesuchen bisher die Nennung von Namen und Adressen.
Neu sind auch andere Mittel zur Identifikation zugelassen: Die Schweiz gewährt Amtshilfe, wenn ein ersuchendes Land lediglich eine Nummer, wie beispielsweise eine Kontonummer (anstatt Namen von Bank und Kontoinhaber), vorweisen kann. Diese Praxis entspricht den OECD-Standard (Art 26 DBA Schweiz) und ist laut EFD notwendig, um den wirksamen Informationsaustausch in Steuersachen nicht zu behindern. Weiterhin unzulässig sind dagegen sog. “Fishing-Expeditions” (Beweisausforschungen), d.h. ohne einen konkreten Verdacht nach Steuersündern zu suchen. Ebenfalls nicht zur Diskussion stand gemäß EFD der automatische Informationsaustausch oder ein spontaner Informationsaustausch unter den Steuerbehörden. Die Amtshilfe in Steuersachen soll auch in Zukunft Auskunft im Einzelfall auf Anfrage bleiben.
[/ref] … und die Kosten hierfür werden sie bestimmt dem Kontoinhaber aufbrummen und das Konto dann einfach für ihre Bemühungen belasten, sagt Anna unwirsch zu Ernst. Herr Furrill sagte dann noch, es gäbe da auch Gruppenanfragen[ref]
Gruppenanfragen zentsprechen bei der Steueramtshilfe im Rechtsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland dem internationalen Standard: Mitte Juli 2012 hat das Fiskalkomitee der OECD die Neukommentierung von Artikel 26 des Musterabkommens zur Steueramtshilfe einstimmig genehmigt. Auch der Vertreter der Schweiz hat im Auftrag des Bundesrates der Zulassung von Gruppenanfragen bei der Amtshilfe in Steuersachen zugestimmt. Damit muss internationale Amtshilfe nicht mehr nur im Einzelfall gewährt werden, sondern auch für ganze Gruppen von Steuerpflichtigen. Dies soll die Transparenz bei der grenzüberschreitenden Besteuerung erhöhen.
[/ref], das aber haben Anna und Ernst nicht so richtig verstanden, klang jedenfalls auch bedrohlich. Und das mit der OECD-Auslegung[ref]Das OECD-Musterabkommen und insbesondere Art 26 DBA Schweiz sind so auszulegen, dass einem Amtshilfegesuch zu entsprechen ist, wenn darin dargetan wird, dass es sich nicht um eine „fishing expedition“ handelt und wenn der ersuchende Staat a. den Steuerpflichtigen identifiziert, wobei diese Identifikation auch auf anderer Weise als durch Angabe des Namens und der Adresse erfolgen kann, in Ausnahmefällen auch durch die Angabe einer Kontonummer und b. den Namen und die Adresse des mutmaßlichen Informationsinhabers angibt, soweit sie ihm bekannt sind. Beim Fehlen dieser Angaben gemäß lit. b für die Ermittlung des Informationsinhabers durch die Schweiz sind die Grundsätze der Proportionalität und Praktikabilität zu beachten.[/ref]
beunruhigte Anna und Ernst ebenfalls, wobei sie das auch nicht richtig beurteilen können, aber dass das Netz engmaschiger wird und sie vor Jahresende eine Lösung brauchen, haben sie verstanden. Einfach nichts machen und warten ist offensichtlich der falsche Weg. Sie werden doch in die Schweiz zu Herrn Furrill fahren müssen, in den nächsten Tagen. Sie rufen am besten morgen gleich bei ihm an und machen einen Termin aus, dann können sie das alles noch mal besprechen.
Ob sie sich einen anderen Wagen mieten sollen? Einen Golf? Oder sowas? Vielleicht in Grenznähe, so dass der Wagen ein Kennzeichen aus der Grenzregion hätte … wäre das auffälliger oder weniger auffällig? Was würden die mobilen Grenzkontrolleure denken, wenn sie mit ihrem Wagen mit Dieburger Kennzeichen über die Grenze führen? Was würden sie denken, wenn sie mit einem Wagen mit Konstanzer oder gar französischem Kennzeichen über die Grenze führen – und wenn die Grenzer dann die deutschen Pässe sehen würden im französischen Wagen – oder den Wohnsitz nähe Dieburg in einem Wagen mit Konstanzer Kennzeichen? Wäre das nicht sehr auffällig? Sie besprechen das immer und immer wieder. Sie haben aber niemanden, mit dem sie das besprechen können. Nicht mit ihrem Steuerberater. Wie würde der reagieren, wenn er von dem Konto in der Schweiz erführe? Er war früher mal im Finanzamt. Ist Diplom Finanzwirt. Jetzt Steuerberater. Er ist nett und korrekt. Aber das können sie doch nicht mit ihm besprechen.
Das können sie auch nicht mit Mayers besprechen, das geht nicht. Auch wenn sie relativ offen mit Mayers schon über das Problem Schweiz und Schweizer Konto gesprochen haben.
Sie hätten sich nie vorstellen können, dass ihnen das so sichere Konto in der Schweiz mal solche Probleme bereiten könnte.
Mit ihrer Tochter wollen sie das Problem auch nicht besprechen. Die arbeitet bei einem großen Automobilbauer, hat eine gute Position, die hat bestimmt kein Verständnis für ein nicht erklärtes Konto in der Schweiz. Sie hatte vor einiger Zeit mal so etwas gesagt, als sie zu Besuch da war und zufällig im Fernsehen in den Nachrichten etwas über Selbstanzeigen kam. Sie sagte, dass sie das nie machen würde und es den Leuten recht geschehe, dass die jetzt nachversteuern müssten. Da haben sich Anna und Ernst nur ganz verstohlen angesehen. Dabei würde ihre Tochter das Geld doch irgendwann mal erben – aber sie haben das mit ihr nicht besprochen. Das haben sie sich nach den Kommentaren ihrer Tochter nicht mehr getraut.
Fragen zur Lösung? Rufen sie an: +49 (0)611 89 09 10
Die Geschichte von Anna und Ernst ist frei erfunden … und basiert doch irgendwie auf wahren Erlebnissen. Alle Namen sind jedoch geändert, die Orte ebenfalls. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.