Rückstellung bei Steuerfahndungskosten
Die Passivierung von zu erwartenden Mehrsteuern und Verteidigungskosten beim Bilanzieren aufgrund einer Steuerfahndungsdurchsuchung
Die sich aufgrund einer Fahndungsprüfung ergebenden mehr- und minder Steuern werden in der Regel in den zu prüfenden Veranlagungszeiträumen nicht bilanziert.
Die Passivierung von Steuernachforderungen (§249, 252 Abs. 1 Nummer 4 HGB) setzt unter anderem voraus, dass die Steuerpflichtige (GmbH) mit einer Inanspruchnahme aus der Steuernachforderungen am Bilanzstichtag ernsthaft rechnen muss. Darüber hinaus ist bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen Voraussetzung, dass diese hinreichend konkretisiert sind, sei es durch eine Verfügung der zuständigen Behörde, die ein bestimmtes Handeln voraussieht, sei es durch das Gesetz selbst, wenn dieses in sachlicher Hinsicht ein inhaltliches Handeln vorsieht.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind Rückstellungen für betriebliche mehr Steuern aufgrund einer Steuerfahndungsdurchsuchung frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer zu bilden (BFH, Urteil vom 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl 2002 II, 731).
Die allgemeine Erfahrung, dass bei einer Außenprüfung mit Steuernachforderungen zu rechnen ist, rechtfertigt nicht den Ansatz einer Rückstellung für Mehrsteuern im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (BFH, Urteil v. 13.01.1966, IV 51/62, BStBl 1966 II, 189). Dies gilt sowohl bei der Kenntnis als auch bei der Unkenntnis der Steuerpflichtigen von dem die Steuer auslösenden Sachverhalt.
Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist daher zu verneinen, wenn lediglich der Steuerpflichtige weiß, dass er den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht hat. Vielmehr ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige nach den überwiegend objektiven Anzeichen damit rechnen muss, dass der Steueranspruch gegen ihn festgestellt, festgesetzt und schließlich auch erhoben wird. Nach der Rechtsprechung des BFH ist dies frühestens mit der Beanstandung das einen neuralgischen Punktes durch den Prüfer anzunehmen (sogenannte aufdeckungsorientierte Maßnahme der Steuerfahndung, BFH, Urteil vom 16.2.1996, I R 73/95, BStBl 1996 II, 582; FG München, Beschluss v 17.07.2008, 13 V 1130/08, PStR 2008, 256). Das entspricht dem Grundsatz, dass bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen Tatsachen den Finanzbehörden (Fachbehörden) bekannt sein müssen bzw. deren Aufdeckung unmittelbar bevorsteht (BFH, Urteil vom 19.10.1993, VIII R 14/92, BStBl 1993 II, 891).
Mithin sind die Rückstellungen frühestens in den Bilanzen zupass servieren, die auf die Stichtage nach den entsprechenden neuralgischen Beanstandungen einer bestimmten Sachbehandlung durch den Fahndungsprüfer aufzustellen sind. Dies kann – je nach Verfahrensgang – auch dazu führen, dass Rückstellungen im 1. Jahr der Fahndungsdurchsuchung bzw. Der Bekanntgabe und Einleitung eines Steuerstrafverfahrens mit den dortigen Sachkomplexen in die darauf erfolgende Bilanzerstellung aufzunehmen sind und bei Erweiterungen der Vorwürfe oder neuen weiteren Erkenntnissen dann neue weitere Rückstellungen in den entsprechenden Folgejahren mit der Bekanntgabe dieser Erweiterungen in die Bilanzen dann einzustellen sind.
An der Voraussetzung zur Bildung eines Bilanzansatzes im Jahr der Verursachung fehlt es vor diesem Hintergrund regelmäßig. Denn typischerweise liegen Tat Entdeckung und Verursachung meist mehrere Jahre auseinander, sodass dann die Bilanz für das Jahr der Verursachung meist längst erstellt ist und wert aufhellende Erkenntnisse oder neue Erkenntnisse dort nicht mehr rückwirkend eingebracht werden können.
Anders verhält es sich für die Rückstellung für Sozialversicherungsbeiträgen
Rückstellungen für Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen sind weiterhin im Jahr der Entstehung zu bilden (BFH, Urteil vom nehme die Zeit gerne 16.2.1996, I R 73/95, BStBl 1996 II, 592).
Für die Berechnung der Rückstellung für Sozialversicherungsbeiträge ist der ermittelte Lohnaufwand laut Prüfung als Nettoentgelt anzusetzen. Für Zinsen auf hinterzogene Lohnsteuer kann der Arbeitgeber grundsätzlich keine Rückstellung bilden.
Der BFH wörtlich:
„Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist eine dem Grunde und der Höhe nach gewisse Verbindlichkeit (ebenso Sarrazin/Bordewin in Deutscher Steuerberatertag 1992, 269, 271). Sie entsteht mit der Lohnzahlung und richtet sich nach der Höhe des gezahlten Lohns. Der Arbeitgeber ist Schuldner des Gesamtbeitrages, d. h. sowohl Schuldner des Arbeitgeber- als auch des Arbeitnehmeranteils (vgl. hierzu § 393 Abs. 1, § 1396 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung – RVO -; § 118 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG -; § 176 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes – AFG – bzw. für die Zeit ab 1. Januar 1989 § 28e des Sozialgesetzbuchs – SGB – IV; Urteile des Bundessozialgerichts – BSG – vom 10. Februar 1960 1 RA 23/59, BSGE 11, 278, 279; vom 28. April 1963 3 RK 68/60, BSGE 21, 57, 63; Brackmann, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. II S. 369 b, Bd. III S. 644 n; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil I Bd. I, § 28e SGB IV; Grüner, Sozialgesetzbuch IV/3, § 28e Abschn. II Nr. 1). Dem entspricht, daß § 266 Abs. 3 C Nr. 8 HGB hierfür ausdrücklich einen Ausweis als (sonstige) Verbindlichkeit vorsieht (s. auch Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992 F 237; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 266 HGB Rdnr. 221; Clemm/Nonnenmacher, Beck’scher Bilanzkommentar, § 266 HGB Rdnr. 251; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Aufl., § 266 HGB Rdnr. 160).
Die Sozialversicherungsverbindlichkeiten der Klägerin sind daher vom Finanzamt zutreffend jeweils in dem Wirtschaftsjahr berücksichtigt worden, in dem sie entstanden sind, da – wie auch der tatsächliche Geschehensablauf im Streitfall zeigt – nicht davon auszugehen ist, dass diese Verbindlichkeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen.“
Quelle: BFH-Urteil vom 16.2.1996 (I R 73/95) BStBl. 1996 II S. 592
Bei der Nachzahlung für Sozialversicherungen wird etwa (je nach PZ) von einem Prozentsatz von 42,5 % des Bruttoarbeitslohns ausgegangen (14,8 % Krankenversicherung, AOK Beitrag, 19,5 % Rentenversicherung, 6,5 % Arbeitslosenversicherung, 1,7 % Pflegeversicherung).